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STUTTGART/ Liederhalle: 5. SINFONIEKONZERT /Staatsorchester/Gabriele Ferro

Voller Feuer und Steuerungswillen

13.03.2018 | Konzert/Liederabende
  1. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart mit Gabriele Ferro am 12. März 2018 Stuttgarter Liederhalle „Sehnsucht und Extase“

VOLLER FEUER UND STEIGERUNGSWILLEN

Mit einem betont russischen Programm kehrte der frühere Generalmusikdirektor Gabriele Ferro ans Pult des Staatsorchesters Stuttgart zurück. Zunächst erklang das Vorspiel zur Oper „Eine florentinische Tragödie“ von Alexander von Zemlinsky – einer Oper, die 1917 an der Königlich Württembergischen Hofoper uraufgeführt wurde. Ferro belebte dieses innerlich erregende und berauschende Tongemälde mit nie nachlassendem Feuer, wobei sich die chromatischen Ausbrüche und rhythmischen Akzentuierungen immer weiter zuspitzten. Noch wesentlich eindrucksvoller wirkte dann die Interpretation der Tondichtung „Le Poeme de l’Extase“ op. 54 von Alexander Skrjabin, ein „Lied der Verzückung“, dessen tieferen Gehalt Gabriele Ferro mit dem Staatsorchester voll auskostete. Glut und Pathos wurden bei dieser Wiedergabe herausgestellt, die Verzückungen des Liebesaktes von der ersten zarten Sehnsucht bis zur Raserei zeigten sich hier mit elementarer Gewalt. Alle Vorgänge und Gefühlsregungen der Extase bettete Ferro mit dem Staatsorchester Stuttgart in geradezu narkotisierende Klänge, die sich immer weiter auffächerten. Sehnsüchtig schmachtend klang ein Flötenmotiv auf, deutlich von der traurigen „Tristan“-Weise abgeleitet. Andere Motive kamen plötzlich hinzu. Und auf der schillernd tönenden Notenskala waren immer neue Handlungen und Gefühlsreaktionen abzulesen. Wonne, Trunkenheit und Entzücken führten zwischen der erweiterten Sonatenhauptsatzform mit Introduktion, Exposition, Durchführung, zweiter Durchführung und Coda zum höchsten Rausch. Das Schluss-Crescendo war an dynamischer Klanggewalt nicht zu überbieten. Es war auch eine ergreifende Hommage an den legendären Choreographen John Cranko, der dieses Werk mit dem Stuttgarter Ballett 1970 einstudierte. Eine hervorragende Leistung.

Zum Abschluss erklang dann noch die robuste Wiedergabe der Sinfonie Nr. 5 in e-Moll op. 64 von Peter Tschaikowsky, wo Gabriele Ferro die strukturelle Form facettenreich betonte. Das Schicksal als Lebensthema trat dabei deutlich hervor, das sich in dem lastenden „Leit-Thema“ offenbarte. Die Klarinetten intonierten es zu Beginn voll schwermütiger Ergebenheit. Wie stark es als Schicksalssymbol in alle vier Sätze eingreift, arbeitete Ferro mit dem Staatorchester Stuttgart ebenfalls ausdrucksvoll heraus. In nicht ganz strengem Sonatenschema meldete sich das Hauptgeschehen des Allegro con anima mit dem seltsam drängenden und zugleich stockenden ersten Thema. Steigerungen und graziöse Figurationen reicherten diese Interpretation an. Auch die Glut des verzehrenden Begehrens ging nicht unter. Das zeigte sich auch in der wild und entfesselt musizierten Durchführung. Von Wonne und Qual der Liebe sang das Andante cantabile schwärmerisch. Nach kurzer Streicher-Einleitung stimmte das Horn das schmerzliche Lied der Sehnsucht sensibel an. Auch die Klarinettenfrage des Seitenthemas bestach mit irisierender Klarheit. Als Walzer von elegischer Eleganz kam der dritte Satz daher, dessen Schwung nicht nachließ. Im Finale überzeugte das „Leit-Thema“ als Mahnung des unerbittlichen Schicksals. Zuletzt wurden die Hauptthemen des Finale und des ersten Satzes in grandioser Weise übereinandergetürmt.

Stürmischer Jubel.

Alexander Walther

 

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