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STUTTGART/ Liederhalle: 5. KAMMERKONZERT „LA BELLE BELGIQUE“ – DÄMONISCHER GLISSANDO-ZAUBER

21.04.2016 | Konzert/Liederabende
  1. Kammerkonzert „La Belle Belgique“ im Mozartsaal der Liederhalle

DÄMONISCHER GLISSANDO-ZAUBER

Unter dem Motto „Boesmans und seine Vorläufer“ präsentierte das Staatsorchester Stuttgart diesmal beim Kammerkonzert Werke von belgischen Komponisten. Die Wiege der europäischen Musik liegt nicht umsonst in der Region zwischen Burgund, Flandern, Brabant und Limburg. Und so erklang zunächst „Terribilis est locus iste“ aus „Choralis Constantinus“ von Heinrich Isaac mit der berühmten Weise „Innsbruck ich muss dich lassen“, die Nicola Wiedmann (Violine), Robin Porta, Almut Lucia Beyer (Viola) und Jan Pas (Violoncello) in der subtilen Bearbeitung für Streichquartett mit starker Ausdrucksintensität und kontrapunktischer Präzision interpretierten. Eine gewisse Nähe zu Cantus-firmus-Elementen war herauszuhören. Luminitza Petre (Violine) und Alan Hamilton (Klavier) musizierten dann feurig „Reve d’enfant“ op. 14 für Violine und Klavier von Eugene Ysaye. Zarte lyrische Passagen wechselten sich hier ausgesprochen reizvoll mit Klangschönheit und Farbenreichtum ab. Spätromantische Momente meldeten sich mit impressionistischen Sequenzen und Einflüssen Debussys in facettenreicher Weise.

Elena Graf, Nicola Wiedmann (Violine), Robin Porta (Viola) und Jan Pas (Violoncello) spielten „Molto Adagio Sempre Cantate Doloroso“ für Streichquartett aus dem Jahre 1887 des bereits mit 24 Jahren verstorbenen Guillaume Lekeu mit viel Emphase und Temperament. Chromatische Sequenzen und die Einflüsse Beethovens und Wagners führten dabei zu erstaunlichen Grenzen der musikalischen Sprache, die bei dieser glanzvollen Wiedergabe deutlich herauszuhören waren. Jan Pas (Violoncello) und Liselotte Vermote (Klavier) interpretierten mit großer Sensibilität Claude Debussys Sonate in d-Moll für Violoncello und Klavier. Insbesondere der geheimnisvolle Klangzauber wurde dabei genau getroffen. Die strenge Gesetzmäßigkeit dieser Komposition wurde hier sehr schön betont, auch die fantasievolle Arbeit war von vibrierender Ausdrucksintensität gekennzeichnet. Couperin und Rameau ließen immer wieder grüßen. Vor allem der barocke Rhythmus des Themas und die reizvollen Verzierungen stachen nuancenreich hervor. Ironie und wehmütige Melancholie wechselten sich wiederholt ab. Jan Pas akzentuierte die Sechzehntel-Triolen des Cellos mit nie nachlassender Akribie. Auch die Pizzicato-Akzente waren deutlich hörbar. Eine wirkliche Entdeckung ist der belgische Komponist Philippe Boesmans, der sehr stark von Alban Berg und Claude Debussy beeinflusst wurde und dessen Klaviersextett für Klavier, zwei Violinen, zwei Bratschen und Violoncello von Alan Hamilton (Klavier), Luminitza Petre, Nicola Wiedmann (Violine), Robin Porta, Almut Lucia Beyer (Viola) und Jan Pas (Violoncello) unter der einfühlsamen Leitung von Kristina Sibenik mit dämonischen Glissando-Figuren und fiebernden Tremolo-Passagen interpretiert wurde. Kaleidoskopartige Sequenzen ließen dabei an ein undurchdringliches harmonisches Mosaik denken, dessen Verbindungspunkte sich in reizvoller Weise berührten. So war die Täuschung der Sinne hier durchaus faszinierend und auch beklemmend. Fulminant und begeisternd spielten Elena Graf (Violine) und Julia Kammerlander (Klavier) zuletzt Cesar Francks stürmische Sonate für Violine und Klavier in A-Dur aus dem Jahre 1886. Kontrapunktische Verdichtungen, schwebende Rhythmen und häufige Modulationen steigerten sich in erregender Weise, gerade die strenge Logik wurde so oft unterbrochen. Beethoven ließ vor allem hinsichtlich der geheimnisvollen Themenverbindung deutlich grüßen.

Tosender Schlussapplaus. Der Komponist Philippe Boesmans war anwesend.

Alexander Walther

 

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