Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/ Liederhalle. 4. SINFONIEKONZERT DES STAATSORCHESTERS (Debussy/Varese/Koechlin/ Ravel). Duncan Ward (Leitung)

11.02.2020 | Konzert/Liederabende

4. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart am 10. Februar 2020 in der Liederhalle/STUTTGART

Bewegende harmonische Sprache

Es war ein bemerkenswertes Debüt des britischen Dirigenten Duncan Ward beim Staatsorchester Stuttgart. Gleich zu Beginn überzeugte der versierte Flötist Nathanael Carre bei Claude Debussys „Syrinx“ für Flöte solo mit chromatischem Feinschliff. Der Halbgott Pan muss hier auf ewig von seiner Geliebten getrennt bleiben und singt berührend sein Klagelied zwischen b-Moll und Des-Dur. Wie raffiniert der Komponist das sensible Stimmungsbild hier genutzt hat, machte der Solist ausgezeichnet deutlich. Das visionäre Musikdenken von Edgar Varese lebte dann bei dessen komplexem Stück „Deserts“ (Verlassenheit“) für 15 Instrumente, Schlagzeug und Tonband auf. Instrumentale und elektronische Klänge behaupteten sich facettenreich und offenbarten einen erstaunlichen Klangfarbenreichtum.

Der junge Dirigent Duncan Ward leitete das Staatsorchester Stuttgart hier sehr konzentriert. Hier wird eine Wüste beschrieben – die äußere Natur und die innere Seele des Menschen. Ursprünglich war das Werk für einen Film geplant, der aber nie gedreht wurde. Es sollte  sich dabei um eine neuartige Konzeption von Bild und Klang handeln. Aspekte dieser Skizze waren aber auch beim Konzert in der Liederhalle zu hören. Die Einschaltungen präparierter Klangpartien wirkten ausgesprochen facettenreich, Bewegung und Raum gingen nahtlos ineinander über. Reiben, Schlagen, Pfeifen, Mahlen und Blasen verschwammen zu einem irisierenden, intensiven Klangkosmos, den das Staatsorchester Stuttgart unter Ducan Ward einfühlsam auskostete. Stehende Harmonien und dichte Schlagzeugkontrapunktik wechselten sich reizvoll ab. Deutlich wurde dabei aber auch, dass Varese auf elektronische Realisierungsmöglichkeiten wartete. Er war den italienischen Futuristen verpflichtet.
Klangbilder voll vielschichtiger Harmonik und Vielseitigkeit beschrieben dann bei Claude Debussys „Jeux“ das geheimnisvolle Geschehen in der Abenddämmerung, wo zwei Frauen und ein Mann im Gebüsch nach einem verlorenen Tennisball suchen – dabei verlieren sie sich in zauberhaften, erotisch getönten Spielen. Die Form des freien Rondos mit seinem mehrfach variierten Thema gestaltete Duncan Ward mit dem Staatsorchester Stuttgart ausgezeichnet. Die auf und nieder gleitende Linie zeigte die Beweglichkeit des Orchesterapparates und die revolutionäre Neuartigkeit der Partitur auf ausgezeichnete Weise. Das im Jahre 1933 entstandene Orchesterstück „Vers la voute etoilee“ von Charles Koechlin beschreibt als „Nocturne pour orchestre“ in glühenden Klangfarben den kolossalen Anblick eines riesigen Sternenzeltes. Der Astronomiefanatiker Koechlin beschwört hier eine „Reise in sehr ferne Bereiche, weit von der Erde“. Duncan Ward führte das Staatsorchester Stuttgart hier zu gewaltigen dynamischen Steigerungen, die das Weltall suggestiv beschworen. In den Bläsersoli blitzten immer wieder grell und glitzernd die Sterne auf. Und auch die Streicherskalen waren hier von geradezu glühender Intensität erfüllt. Darius Milhaud empfand die Klangwelten seines Lehrers Charles Koechlin als „Musik eines Zauberers“, was das hervorragende Staatsorchester Stuttgart auch überzeugend verdeutlichte. Vor allem die reiche Instrumentationskunst stach dabei leuchtend hervor. Die begabte Mezzosopranistin Rachael Wilson interpretierte Maurice Ravels „Scheherazade“ (Trois poemes pour voix et orchestre nach Gedichten von Tristan Klingsor), wo die impressionistische Musik mit den Gedichten in wahrhaft sinnlicher Weise suggestiv verschmolz. Über exotischen Streicherklängen wiederholte die Sängerin eindringlich die Schönheiten des Orients und pries sie in überschwänglichen Kantilenen. Das erste Lied „Asie“ erzählte von Persien, Indien und China. Die betörende Oboe entführte das Publikum in diese sphärenhafte Welt mit ihren exotischen Klängen. Im zweiten Lied „La flute enchantee“ pries Maurice Ravel nuancenreich die Zauberflöte. Eine junge Sklavin schildert hier die Sehnsucht nach ihrem Geliebten. Im dritten Lied „Der Gleichgültige“ können die beiden Liebenden ebenfalls nicht zueinander kommen. Der verhaltene Klang des Staatsorchesters unter Duncan Ward beschrieb die Situation dabei exzellent. So gab es begeisterten Schlussapplaus.

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken