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STUTTGART: DON GIOVANNI“ – Mehr giocoso als dramma

03.12.2016 | Oper

Stuttgart: „DON GIOVANNI“ 2.12.2016 (WA 13.11.2016) – Mehr giocoso als dramma

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Serena Farnocchia (Donna Elvira) in den Fängen von Shigeo Ishino (Don Giovanni). Copyright: A.T.Schaefer

Die lebhafte Inszenierung von Andrea Moses hat seit ihrer in den Park und im Fernsehen übertragenen Premiere vom Juli 2012 bei ihrer jetzigen Neueinstudierung durch ihre Assistentin Anika Rutkofsky noch an Tempo und Profil gewonnen. Die Gewichtung des Heiteren lässt dabei die tragödienhaften Elemente manchmal etwas zu sehr in den Hintergrund treten. Es bleibt jedoch eine kurzweilige und vergnügliche Angelegenheit, die überaus gelungen in die Jetztzeit transferiert wurde und das Geschehen in einem auf der Drehbühne immer wieder neue Einsichten in verschiedene Räume bietenden (Stunden)-Motel ansiedelt. (Bühne und Kostüme: Christian Wiehle). Manchmal artet Moses überquellender Ideen-Reichtum etwas ins Klamaukhafte aus, gleicht dies dagegen an anderen Stellen mit trefflichen zwischenmenschlichen Beobachtungen aus.

Vielleicht lag es auch an den z.T. neuen Besetzungen, dass so wie es Mozart verlangt, wirklich ein Ensemble zusammen gefunden hat, auch wenn deren vokale Charaktere teils divergierender Natur sind. So ist Bernarda Bobro, die im Rahmen dieser Aufführungsserie ihr Rollendebut gab, eine Donna Anna mit zunächst mehr weicher als beherzter Tongebung, wodurch der dramatische Impetus des „Or sai chi l’onore“ etwas unterbelichtet blieb. In den lyrischeren und koloraturgeprägten Facetten des zweiten Aktes bekam der angenehm schlank timbrierte und ohne jeglichen Druck und Schärfen auskommende Sopran an Kontur und Glanz, so dass „Non mi dir“ zum solistischen Höhepunkt der Vorstellung geriet. Interpretatorisch hielt sie die Figur im spannenden Schwebezustand zwischen leidendem Opfer und schwelendem erotischem Verlangen. Obwohl von ähnlich fächer-übergreifenden Ansprüchen, ging Serena Farnocchia die Donna Elvira auf ganz andere Weise an: in einem al-fresco-Stil, wie er Sängern italienischer Provenienz gerne zu eigen ist, und bei Mozart eine manchmal etwas zu unruhige Linienführung sowie nicht ganz sauber ausgesungene Höhen zur Folge haben. Als Spiegel von Elviras debiler Verfassung zwischen Rasen und Leiden war es dennoch eine überzeugende und die vokalen Qualitäten keineswegs trübende Leistung. Neu hinzu kam auch die dritte Gestalt des Don Giovanni rächenden Terzetts: Sebastian Kohlhepp verhalf der Aufführung mit seinem gestandenen, männlich kraftvollen und an den entscheidenden Stellen doch zart schmelzenden Tenor vor allem in den beiden Arien, aber auch in der Zeichnung Don Ottavios als intellektuellem Aristokraten, zu Ruhepausen des Tiefgangs und seelischen Einblicks. Eine Ideal-Verkörperung, auch wenn der Sänger in einigen Lagen-Übergängen und Bögen an diesem Abend hörbar unter seinen Möglichkeiten geblieben ist.

Als hinreißend taffe Zerlina weitab eines braven Landmädchens hatten Lauryna Bendziunaite mit erfrischend hellem und tragfähigem Sopran sowie Padraic Rowan aus dem Opernstudio als jugendlich emphatischer Masetto mit präsent und präzise eingesetztem Bassbariton das Publikum auf Anhieb für sich erobert.

Die Titelrolle gestaltete wieder Shigeo Ishino als Frauenversteher im schon etwas gestandenen Alter mit mächtig aufdrehendem Bariton, dessen etwas rauhe Schale in den schmeichelnden Momenten des Ständchens zwar weicher wurde, aber die dynamischen Abstufungen vermissen ließ. Im Vergleich zu Adam Palkas spielerisch in allen Maßen ausgefülltem und mimisch flexibelst erfasstem Leporello blieb denn auch eine geringe, aber doch bemerkbare Distanz an Identifikation unübersehbar. Im Übrigen stellte der polnische Bass seine Meriten an vokaler Fülle und gleichzeitiger Feinzeichnung erneut ins beste Licht.

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Abschied als Komtur: Matthias Hölle. Copyright: A.T.Schaefer

Mit dem Komtur, der hier als Lebender auf dem Souffleurkasten zum eigenen Monument erstarrt und Don Giovanni in der Wahl zwischen Reue und Tod zur Selbsttötung treibt, nimmt Kammersänger Matthias Hölle nach fast 30jähriger Ensemble-Zugehörigkeit Abschied und erinnerte auch mit inzwischen reduzierter Kraft, aber keineswegs eingeschränkter Expressivität, an seine bis zu den großen Musentempeln und Festspielen reichenden Erfolge. Eine kleine Abordnung des Staatsopernchors war als Partygäste und Schläger- bzw. Diener-Trupp wie gewohnt voll auf dem Posten.

Am Pult des geschliffen vorbereiteten Staatsorchesters Stuttgart vermochte Willem Wentzel gewisse Tempi-Unstimmigkeiten mit der Bühne nicht immer ganz aufzufangen, sorgte aber sogleich mit der zügig angegangen Ouvertüre und auch in der Führung der Stimmen für einen dichten Diskurs, der Mozarts farbliche Nuancen und Wendungen wieder einmal bewundernd registrieren ließ. Das Klangbild blieb durchgehend klar und straff ohne dabei an einer oberflächlich schönen Glätte hängen zu bleiben.

Ausgedehnt rauschender Applaus begleitete die Akteure während ihrer originell inszenierten „Vorhänge“ und war die folgerichtige Reaktion auf die gute Stimmung, die sich durch viel unterhaltenden Charakter während der Vorstellung ausgebreitet hatte.

                                                                                                                      Udo Klebes

 

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