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STUTTGART: DER ROSENKAVALIER“ – Faszination des Überflusses

14.03.2016 | Oper

Stuttgart: „DER ROSENKAVALIER“ 13.3.2016 – Faszination des Überflusses

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Thomas Schweiberer als allegorische Figur des Pan, Simone Schneider (Marschallin). Copyright: A.T.Schaefer

Stefan Herheims Inszenierungen haben sich in ihrer bildlichen Komplexität und aufwendigen Konzeption für den Theaterbetrieb längst als besondere Herausforderungen manifestiert. Während Festspiele und Stagione-Betriebe dafür die idealen Voraussetzungen bieten, erweisen sich solche Kraftakte für das wechselnde Repertoiretheater als grenzwertige Unternehmen.

An Stuttgarts Oper, wo er 2009 Strauss Komödie für Musik auf die Beine gestellt hat, bildet die noch aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Bühnentechnik eine zusätzliche Hürde, bei der irgendwo immer die bange Frage mitschwingt, ob diese solchen Produktionen nicht den Dienst versagt. Jedenfalls sind bei einer Aufführung dieser Inszenierung alle Beteiligten bis aufs Äußerste gefordert, auch weil die Technik nicht nur funktionieren, vielmehr der Ablauf in jedem Detail auf die Sekunde genau stimmen muß.

Über das Ergebnis lässt sich bei jeder Wiederbegegnung nur staunen, welche Bilder sich da aus dem Blickwinkel der Marschallin und dem Triebleben des Baron Ochs entfalten: farb- und anspielungsreich, teilweise auch drastisch überzeichnet, aber alle von einer reizvollen Ästhetik. Ob der Beginn mit dem von der Marschallin zerschlagenen Spiegel, ob das beim Lever im Tohuwabohu um die Auseinandersetzung mit dem Notar von einem stolzierenden Straussen-Vogel gelegte Ei, oder der zuletzt mit einer Rakete in den Bühnenhimmel abgeschossene Ochs – dies sind nur drei herausgegriffene Vorgänge, die wie unzählige andere auch für Überraschung sorgen, ohne dem Stück die phasenweise erforderliche Besinnung zu nehmen. Rebecca Ringst und Gesine Völlm dürfen in diesem Zusammenhang mit Recht noch einmal für ihre Phantasie an Bühnenraum- und Kostümgestaltung hervorgehoben werden, die das 18. Jahrhundert bis zur Entstehungszeit des Werkes übereinander blenden.

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Friedemann Röhlig, Paula Murrihy. Copyright: A.T.Schaefer

Musikalisch richtete sich die Aufmerksamkeit ganz besonders auf die neuen Mitstreiter. Da ist zum einen Paula Murrihy von der Frankfurter Oper als sowohl in ihrer schlanken Größe und ihrer passend jugendlichen Erscheinung als auch akustisch durch ihren nuancengenau und transparent ansprechenden Mezzosopran heller Klangfarbe, veredelt durch eine schimmernde Legierung, vollkommen überzeugenden Octavian. In allen Registern durchsetzungsfähig, wobei die Höhen sich besonders blühend öffnen, wird sie dieser Partie in jedem Moment gerecht – auch in der als Mariandl gewahrten Natürlichkeit. Nicht ganz mithalten konnte da die Sophie von Lenneke Ruiten, doch behauptete sich die Niederländerin durchaus mit einer gewissen Widerspenstigkeit gegenüber dem heiligen Ehestand und verschaffte sich mit ihrem nicht allzu großen, aber gut tragenden Sopran ausreichend Gehör – zwar ohne den mit dieser Rolle traditionell verbundenen silbernen Glanz, aber dennoch viel Strahlkraft in den himmlischen Höhenflügen. Simone Schneider komplettierte das Frauen-Terzett mit ihrer wieder so damenhaft aparten und gelösten Gestaltung und ihrem trotz dramatischerem Zuschnitt leicht und licht bis in die Spitzen bleibenden Sopran. Die Schlüsselstellen der „Silbernen Rosn“ und des „Hab mir’s gelobt“ gelangen ebenso perfekt wie poetisch durchdrungen. Diesen Phasen des Stillstandes und der Reflektion galt offensichtlich das besondere Interesse des für diese Vorstellungsserie neu angetretenen Dirigenten Georg Fritzsch – da hielt er das Staatsorchester Stuttgart in idealer Balance zu den Stimmen und kostete er den Duft der großbogigen melodischen Eingebungen hingebungsvoll aus. Im Gegensatz dazu dämpfte er an einigen unentwirrbaren Ensembles wie auch dem Entree der Rosenüberreichung oder den letzten Auftritt der Marschallin zu wenig ab, um den instrumentatorischen Reiz voll zur Geltung zu bringen.

Keine Mühe damit hatten die beiden Brautväter: Friedemann Röhligs gut in der Schwebe zwischen Derbheit und Standesbewusstsein gehaltener und mit vollem Baß rundum ausgekosteter Ochs und Michael Ebbecke als Faninal mit trotz zunehmender Indisposition raumgreifend bleibendem Bariton. Nicht schrill und mit best möglicher Textverständlichkeit blieb die Leitmetzerin von Rebecca von Lipinski im angenehm auffallenden Rahmen; trotz guter Höhe nicht richtig frei entfaltet präsentierte sich Gergely Nemeti als Sänger in edler Schwanenritter-Montur. Ordentlich das weitere Bagagi, ein Gesamtlob für den vielfältig mitmischenden Staatsopernchor und die kleine Formation des Kinderchores in verschiedenen altösterreichischen Uniformen als Ochs bedrängende Kinderschar.

Wenn auch manche Details Geschmackssache sein mögen – ein Juwel bleibt dieser „Rosenkavalier“ allemal. Jubel für die drei Damen!                                            

Udo Klebes

 

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