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STUTTGART/ Ballett: „NACHTSTÜCKE“ – Offenbarungen der Dunkelheit

04.05.2017 | Ballett/Tanz

Stuttgarter Ballett: „NACHTSTÜCKE“ 3.5. – Offenbarungen der Dunkelheit

Der im März mit großem Erfolg gestartete dreiteilige Ballettabend mit Choreographien, die sich mit der Dunkelheit in verschiedenen Auslegungen befassen, bot jetzt mit einer Alternativ-Besetzung vor allem Corps de ballet-Tänzern die Gelegenheit teilweise solistisch oder als maßgebliche Gruppe in den Mittelpunkt zu treten, der sonst den oberen Hierarchien gehört.

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Marti Fernandez Paixa, Elisa Ghisalberti. Copyright: Stuttgarter Ballett

In Edward Clugs mehrfach wieder aufgenommenem „SSSS…“ trafen nun zwei von ihnen auf Solisten: Elisa Ghisalberti fällt durch eine feine Körpersprache auf, Fabio Adorisio durch eine Spannung aus Gewissenhaftigkeit und Lockerheit. Halbsolistin Agnes Su  imponiert auf leise Art, während Marti Fernandez Paixa als derzeit herausragender  Aufsteiger in der Compagnie alleine schon mit seinem langen Einstiegs-Solo auf die bei aller Kantigkeit der Choreographie weiche Linie und eine fließende Verquickung vieler bodennaher Positionen aufmerksam macht. Lyrische Reife steuert die zu wenig eingesetzte Erste Solistin Myriam Simon bei, eine unterschwellige Ironie kommt bei Roman Novitzky zum Vorschein. Alastair Bannerman sorgt am Flügel auf der Bühne mit dem Rücken zum Publikum für den nächtlich mondbeglänzten Zauber von Chopins Nocturnes.

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Flemming Puthenpuryail. Copyright: Stuttgarter Ballett

Bei der erneuten Begegnung mit Louis StiensQI“ wird ohne Abstriche bewusst, welche Energie in dieser Choreographie gemäß dem frei übersetzbaren japanischen Titel steckt und von den Tänzern aufs Publikum übertragen wird. Angetrieben von der meist sehr bewegten Barockmusik von Johann Heinrich Schmelzer können sich alle Beteiligten im recht frei und mit auffallend markanten Arm- und Handkonstellationen angelegten Stil des Halbsolisten sowohl als Ensemble wie in kurzen Soli so richtig auslassen und eine eigene Note einbringen.

Abgesehen von Matteo Crockard-Villa, der im krass abgehobenen, elektrotechnisch lärmenden Schlußteil in dieser vorerst letzten Vorstellung anstatt eines ausgefallenen Kollegen noch schnell ein ausdrucksvolles Debut hinlegte, und Rocio Aleman, die als derzeit auffallendster weiblicher Nachwuchs auch hier gewinnende Figur machte, gehörte die Bühne dem Gruppentänzern Fernanda Souza Lopes, Veronika Verterich, Flemming Puthenpuryail, Matteo Miccini, Shaked Heller und mit Timoor Afshar sogar einem Eleven, die allesamt allein schon durch ihre völlig verschiedenen Typen Farben in dieses wie durch einen Spiegel verschiedenster Pastelltöne eingefangene nächtlich erleuchtete Geschehen brachte.

Die Kombination eines live ausgeführten Dauer-Trommelgewitters von Steve Reich mit dem zunächst einmal rhythmisch synchronen Einsatz von acht Gruppentänzerinnen und Elevinnen (Maria Andrés Betoret, Sinéad Brodd, Juliane Franzoi, Vittoria Girelli, Mona-Patricia Hartmann, Aiara Iturrioz Rico, Paula Rezende und Alisa Scetinina)  bestimmt „FALLING ANGELS“, eines der Schwarz-Weiß-Ballette von Jiri Kylian. Doch so wie das akustische Staccato immer wieder dynamisch zurück genommen und anders variiert wird, brechen einzelne Tänzerinnen aus der Disziplin des Gruppen-Zwanges aus und weichen klassische Normen in nach Freiheit strebenden Einzelaktionen auf. Wechselnd separierte Lichtfelder, die in einen zusätzlichen Dialog mit der Choreographie treten, ergänzen die magische Gesamtwirkung.

Anhaltende Jubelschreie im voll besetzten Haus.

Udo Klebes

 

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