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STUTTGART: AKTION WEIHNACHTEN – Kleine und große Meister – Matinée

Stuttgarter Ballett: „AKTION WEIHNACHTEN“ 7.12.2014 – Kleine und große Meister

 Alle Jahre wieder lockt die Benefiz-Matinee der Stuttgarter Nachrichten ganze Familien ins Opernhaus, um dort die Leistungsschau der John Cranko-Schule und die bekannten Tänzer des Stuttgarter Balletts zu erleben. Durch den Verzicht auf Gagen werden auch diesmal soziale Projekte für Notbedürftige aus der Region unterstützt. Die württembergischen Gärtner wiederum belohnen die Tänzer dafür mit kunstvollen Blumengebinden und einem großen Rosen-Bukett.

Große Kunst haben auch alle Beteiligten auf der Bühne gezeigt. Den Reigen der Schule eröffnete ein zu Mendelssohns sonnig blühendem 4. Satz aus seiner „Italienischen Sinfonie“ so richtig schön Licht durchflutetes klassisches Arrangement mit dem schlichten Titel „ITALIANA“, in dem 5 Jungen und 3 Mädchen aus den oberen Klassen in klaren Ports de bras, leicht abgefederten Drehungen und synchronen Sprungformationen ein hohes Potenzial für die Übernahme in die Compagnie zeigten. Präzision in Verbindung mit einer möglichst lockeren Präsentation bestimmten auch die weiteren Beiträge, die der Cranko-Schule erneut ein gutes Zeugnis für ihre hohe Lehrqualität ausstellen und den nun endlich in trockenen Tüchern befindlichen Start des Schul-Neubaus umso dringlicher erscheinen lassen.

NUSSKNACKER Pas de trois Kim,Lee,Figueredo (Cranko-Schule)
Der Nussknacker“: Kim, Lee, Figueredo. Copyright: Stuttgarter Ballett

Drei Tänzer aus den Klassen 3 und 4 tupften den Pas de trois aus dem „NUSSKNACKER“ so exakt und leicht hin, wie er komponiert ist, die mit viel Augenzwinkern versehene Choreographie „DIE SPIELUHR“ mit passender Musik servierten Runia Hanza und Paolo Terranova mit puppenhafter Beweglichkeit und der Exaktheit eines Uhrwerks. In zwei von modernen Elementen geprägten Schöpfungen wurde bewusst welche Möglichkeiten solche Soli den Tänzern geben, kraft ihrer eigenen Regie konzentriert auf sich alleine Überzeugungsarbeit zu leisten. Riccardo Ferlito nutzte sie für das Ausmalen von „INTO THE ARMS“, Vinicius Silva in „DESTITUE“ durchaus mit dem Gewinn eines jeweils persönlichen Eindrucks. Eine „FINNISCHE POLKA“ in uniformiert trachtenartigen Kostümen verlangte von den Jüngsten der Klassen 2 und 3 Gemeinschaftssinn und musikalisches Empfinden. Erhöhte Konzentration und ein spezielles Taktgefühl war von 12 TänzerInnen der Akademieklassen in „SPANISCHER TANZ“, genau genommen drei Tänzen gefordert – zunächst unterstützt von Flamenco-Klängen und rassiger Singstimme, zuletzt allein gestellt auf das typische Klappern der Schuhabsätze.

INTO YOUR ARMS Riccardo Ferlito_003
Into your arms“: Pas de Trois:  Riccardo Ferlito. Copyright: Stuttgarter Ballett

Nach der Pause schlug wieder einmal die große Stunde (auch wenn es nur wenige Minuten waren) für das junge Traumpaar Elisa Badenes und Daniel Camargo. Der erstmals von ihnen einstudierte Cranko-Pas de deux „HOMMAGE À BOLSHOI“ konnte sich in all seiner Virtuosität mit ausgedehnten einarmigen Hebungen und Querlagen der Partnerin sowie stilfeiner Note entfalten, so selbstsicher und vor allem ihrerseits auch strahlend natürlich begegneten die beiden Jungstars den höchsten Schwierigkeiten, dass diese Top-Wiedergabe kaum mehr gesteigert werden konnte. Das wäre der passende krönende Abschluss gewesen. Als dieser fungierte Douglas Lees immer wieder in Gala-Programme eingestreuter Pas de deux „FANFARE LX“ im hellen Scheinwerferlicht und den roten Trikots zu drängender Minimal Music von Anna Osadcenko und Alexander Jones  mit sportivem Kick durchaus wirkungsvoll serviert.

Dazwischen gehörte außer einer von Halbsolistin Ami Morita musikalisch sauber und apart, aber noch etwas temperament gezähmt absolvierten Tambourin-Variation aus dem Klassiker „ESMERALDA“ die Bühne ganz den erfolgreichen jungen Choreographen der Compagnie.

Louis Stiens steuerte gar eine Uraufführung „THE BOY“ bei – ein für sich selbst kreiertes Solo, in dem eine live gespielte Cembalo-Sonate mit schnellen Läufen und Verzierungen den Sog des Tänzers im täglichen Trainingsprogramm vorgibt, aus dem er immer wieder in den Marsch eines Soldaten ausbricht. So klassisch grundiert war der bisher in der Modern Dance Schiene arbeitende Münchner noch nie zu erleben. Das tut seiner Profilierung wie auch der Entwicklung seiner tänzerischen Prägnanz äußerst gut.

Mehr noch als der von Breakdance-Elementen und attackierenden Überschlägen geprägte Pas de deux „IN FOR THE THRILL“ von Alexander McGowan , in dem Angelina Zuccarini und Nicholas Jones die rechte Balance aus Ausgelassenheit und Entspannung fanden, schlägt Katarzyna Kozielskas „BITE“ beim Publikum ein. Die strenge Rhythmik moderner Streichquartett-Musik wird bei der kunstbegeisterten Halbsolistin unmittelbar in eine markante, teilweise wie ein Roboter gehorchende tänzerische Kreation überführt und von Agnes Su und Constantine Allen zwischen Nebelschwaden und punktueller Beleuchtung wahrhaft mit athletischem Biss ausgereizt.

Bleibt noch eines der Favoriten-Stücke des letzten Noverre-Abends, Özkan Ayiks „TWO OR THREE THINGS“, in dem sich Halbsolist Pablo von Sternenfels dem Kampf gegen vorgegebene (Lebens-)Linien im nur scheinbaren Gegenlauf zu Bach-Musik mit treffender Körpersprache, Mut zum Ausbruch und mitteilsamer Ausstrahlung stellt.

Die Publikums-Reaktionen waren schon von mehr Begeisterung getragen, dennoch sprach der Applaus für den Wert des Gebotenen.                                                        

Udo Klebes

 

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