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STRESA : STRESA FESTIVAL am Lago Maggiore

28.08.2018 | Konzert/Liederabende

STRESA : STRESA FESTIVAL am Lago Maggiore am 24., 25.und 26. 8.2018


Gianandrea Noseda und das Union Youth Orchestra. Copyright: Lorenza Di Nozzi/ Stresa Festival

Leonard Bernstein allenthalben. So auch beim renommierten Stresa Festival am Lago Maggiore, das letzte Woche mit einer Hommage an das Geburtstagskind eröffnet wurde. Den Auftakt gestaltete der langgediente künstlerische Leiter Gianandrea Noseda selbst, zuerst mit Lennys Divertimento for Orchestra und dann mit Chopins 2.Klavierkonzert(Solist: Seong-Jin Cho) und Tschaikovskys 5.Symphonie. DIe Programmierung begründete Noseda damit, dass er nicht nur an Bernstein als Komponisten erinnern wollte, sondern auch an Bernstein den Pianisten und dass dessen Einspielung der Fünften die beste sei, die er je gehört hätte.

Eine an und für sich makellose Eröffnung mit dem bravourös aufspielenden European Union Youth Orchestra (das tags davor noch in Grafenegg gastiert hatte). Zu bemäkeln wäre maximal, dass besonders der zweite Teil eine etwas zu schwere Kost für einen fünfunddreissigrädigen Sommerabend bot – und dass naturgemäss weder Chopin noch Tschaikovsky die überschwängliche Vitalität Bernsteins aufzubieten hatten – geschweige denn Congas, Bongos, Maracas und kubanische Kuhglocken im Orchester.

Am zweiten Tag gastierte das Moises P. Sánchez Ensemble mit einem Programm, das den irreführenden Titel Lenny is back in Town trug. Irreführend deshalb, weil es mit dem Genie, das diese Woche 100 Jahre alt geworden wäre, bis auf ein paar Minuten lange Ausnahmen nun wirklich nichts zu tun hatte. Eine dilettantische und überflüssige Veranstaltung, die zur Strafverschärfung auch noch in dem  „multifunktionalen Eventcenter“ Il Maggiore im Nachbarort Verbania  stattfand. DIeser Neubau ist so unfassbar hässlich und für Konzerte so total ungeeignet und eine solche architektonische Sünde, dass man ihn besser früher als später wieder warm abtragen sollte.


Claire Gibault und Natalie Dessay. Copyright: Lorenza Di Nozzi/ Stresa Festival

So blieb es Natalie Dessay und dem Paris Mozart Orchestra unter Claire Gibault vorbehalten, für die größte Begeisterung an diesem ersten Wochenende (das Festival geht noch bis 9.September) zu sorgen. Dessay präsentierte „Postcards from America“ mit neu arrangierten Songs von Samuel Barber, Frank Sinatra, Marvin Fisher, Jack Segal, Duke Ellington, Thelonious Monk und – Leonard Bernstein.

DIe einstige Koloratursoprankönigin hat sich nach ihrer Krankheit also zur Jazzsängerin gewandelt. Und siehe da, wie sie da so erblondet im kurzen Glitterrockerl vor das Publikum tritt, hat man als erstes den Eindruck, dass sie immer schon blond gewesen war und nie ein anderes Repertoire gesungen hatte. Bühnenpräsenz war ja schon immer ihre Stärke, und die spielt sie hier natürlich voll und gnadenlos aus : die Dessay singt, spielt und interpretiert diese Lieder in jeder Sekunde mit allen Fasern ihres Körpers, ihrer Seele, ihrer Stimme, ja ihrer gesamten Existenz, Mit einer nahezu unerträglichen Intensität, wie man es so nur ganz ganz selten erlebt.

“ I am a fool to want you“, „On a clear day“ und „In my solitude“ gehen zutiefst zu Herzen, beim Bis „Send in the Clowns“ bricht man dann haltlos in Tränen aus….


Natalie Dessay, dahinter ein Bild von Edward Hopper. Copyright: Lorenza Di Nozzi/ Stresa Festival

Dass im Hintergrund Bilder von Edward Hopper projeziert werden, ist zwar überflüssig, stört aber auch nicht weiter.

Ein denkwürdiger und begeisternder Abend, den man sich auch auf CD anhören kann. Das hat den Nachteil, dass man nicht Natalies quirlige Bühnenpräsenz erleben kann, und den Vorteil, dass man sich diese didaktischen Kindergartenprojektionen erspart.

Zum Abschluss gebracht wird das Festival am 9. September mit Leonard Bernsteins frühem Musical Peter Pan (1950), von dem unlängst eine ganze Stunde noch nie aufgeführter Musik gefunden worden ist. Man darf sehr gespannt sein…

Robert Quitta, Stresa

 

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