JEAN-PHILIPPE RAMEAU: ZAÏS – TOBS, Stadttheater Solothurn, Vorstellung: 03.06.2021
(6. Vorstellung • Premiere am 30.04.2021)
«Es war doch alles nur ein Spiel»
Anna Dreschers Inszenierung von Rameaus «Zaïs» hat mit dem Wechsel nach Solothurn kein bisschen an Intensität verloren. Und mit den seit 31. Mai zugelassenen 100 Zuhörern fühlt es sich im intimen Solothurner Haus an, wie in den guten, alten Zeiten, als Corona nicht mehr als ein Hopfentee war.
Foto: Suzanne Schwiertz
Die Wirkung von Dreschers Inszenierung (https://onlinemerker.com/biel-schweiz-zais-von-jean-philippe-rameau-premiere/), die mittels szenischer Reduktion zeigt, wie aktuell die Quintessenz des Stückes («Spiele nie mit Menschen») ist, käme ohne dieses Orchester und diese Solisten nicht zustande.
Marion Grange; Foto: Suzanne Schwiertz
Unter Leitung des zukünftigen Thomaskantors Andreas Reize klingt das Sinfonie Orchester Biel Solothurn wie eine Spezialformation für Alte Musik – und ist doch ein ganz normales Sinfonieorchester, das eben noch Janáčeks «Šarka» gespielt (https://onlinemerker.com/solothurn-stadttheater-sarka-von-leos-janacek-ein-janacek-und-doch-kein-janacek/) hat und nächstens unter Leitung von Bertrand de Billy Ravel, Boieldieu und Beethoven spielen (https://www.tobs.ch/de/konzert/sinfoniekonzerte/stueck/prod/549/) wird. Es wird historisch informiert, weitgehend auf neuzeitlichen Instrumenten. Die ungewohnt dumpfe Trommel dürfte historisch sein.
Schon die Ouvertüre, die hier noch Ouvertüre sein darf und nicht inszeniert ist, ist purer Genuss. Es beginnt mit den Schlägen der Trommel, die mit der hier verwendeten Trommel besonders eindrücklich wirken. Dann kommen die hellen Violinen, das Tutti der Streicher, die markanten Flöten, dann die dunklen Streicher, bis sich das flirrende Durcheinander langsam auflöst, Harmonie hergestellt und die Welt geschaffen ist. Hier, wie im ganzen Stück, wählt Reize ideale Tempi, rasch genug, um die Lebendigkeit zu wahren, aber nie so rasch, dass sie die Sänger zum Forcieren zwingen würden.
Sebastian Monti; Foto: Suzanne Schwiertz
Matteo Loi singt mit seinem kernig-eleganten Bariton einen siegessicheren Oromazès. Blasiert schaut er auf Amor herab und kommt gar nicht auf die Idee, die Wette verlieren zu können. Das gelingt ihm stimmlich wie szenisch eindrücklich darzustellen. Adi Denner, Studierende des Schweizer Opernstudios der Hochschule der Künste Bern, gibt einen herrlich quengelnden Amor, der Oromazès dauernd einen Stachel ins Fleisch setzt. Der Grat zwischen gewünschter und ungewünschter Schärfe der Stimme ist hier sehr schmal. Der Bariton Wolfgang Resch als Cindor kann tun, was er will, singen, wie er will, schmeichelnd süss oder eindringlich, es gelingt ihm nicht er Zélidies Standhaftigkeit zu erschüttern. Der Tenor Sebastian Monti ist eine Haute Contre, wie er im Buche steht, und als solcher mit seiner bei den Koryphäen der alten Musik gesammelten Erfahrung schlicht eine Idealbesetzung für die Rolle des Zaïs. Die Krone des Abends gebührt ohne Zweifel Marion Grange als Zélidie. Ihre Rolle ist in dieser Inszenierung doppelt schwierig: ihr wird übel mitgespielt und sie muss immer mehr von ihrem Inneren preisgeben, bis sie am Schluss, wenn Zaïs die ersehnte Hochzeit mit einer Puppe vollzieht, im Nachthemd vor dem Vorhang kniet. Dies gelingt ihr mit Schaudern machender Intensität und einer ideal geführten Stimme. Clara Meloni ergänzt das formidable Ensemble als Une sylphide und La grande prêtresse de l’Amour. Im Bühnen-Chor singen Adi Denner, Natalia Pastrana, Roxane Choux, Valentin Vassilev, Konstantin Nazlamov und Pierre Héritier. Den Chor von Theater Orchester Biel Solothurn hat Valentin Vassilev vorbereitet.
Eine Offenbarung!
Aufführungsdaten Biel: Fr, 11.06., 19:30, Sa, 12.06., 19:00; So, 13.06., 19:00; Di, 15.06., 19:30.
Aufführungsdaten Solothurn: Fr, 04.06., 19:30; Sa, 05.06., 19:00.
03.06.2021, Jan Krobot/Zürich