Heidelberg/Schwetzingen: Iphigenie auf Tauris/Traetta 28.12.2014
Beim „Winter in Schwetzingen“ der Heidelberger Oper wird wieder eine Barockoper ausgegraben. ‚Ifigenia in Tauride‘ von Tommaso Traetta, der im 18.Jahrh. ähnliche Bestrebungen wie Gluck hin zu einer Reformoper aus italienischen und französischen Elementen vorbereitete, sollte besonders den Koloraturgesang mit der Dramatik der Texte in Einklang bringen und wirkungsvoll Chöre in das spannende Handlungsgeflecht einbinden. So entstand 1763 ein exemplarisches Dramma in musica, das sich bis ins 19.Jahrh.auf den Bühnen behauptete und erst dann in Vergessenheit geriet. Trotz der teils abgründig gewaltsam zugespitzen Handlung zeigt doch Traetta, wie ja auch Händel in vielen seiner Opern, ein positiv aufgehelltes daseinszugewandtes, aufgeheitertes Kompositionsbild, was in den vielen Arietten und Arien schwungvoll zum Ausdruck kommt. Wie aus einem Guß werden sie von den Heidelberger Philharmonikern im kleinen Graben des Schloßtheaters gespielt. Die weiche Streicher-Grundierung, obwohl barock informiert vorgetragen, ergibt oft einen breiten Soundteppich, auf dem sich einzelne Soloinstrumente wie das brillant und sehr klangrein, fast obertönig anmutende Horn melodiös bewegen. Unter der soliden Leitung von Wolfgang Katschner ergibt sich eine wirklich ’sprechende‘ glänzende Darbietung der Partitur.
Es beginnt in der Regie von Rudolf Frey mit dem Paukenschlag um Pylades und Orest vor einer Art Mauer, auf der auf italienisch steht: „Den Fremden, der hier einbricht, ereilt der Tod“. Wenn die Mauer sich nach oben bewegt, wird Orest von Männern dahinter hereingezogen, sein Freund Pylades bleibt zurück. Das weitere Geschehen findet in einer leicht barock anmutenden Anlage eines Marstalles statt /Bühnenbild Aurel Lenfert, auch Kostüme. Hier wird vom weißgekleideten Chor eine Hinrichtungsstätte für Orest bereitet. Der ebenfalls in ein weißes Gewand umgezogenen blonden Iphigenie gelingt es aber, einen Aufschub der Hinrichtung bei König Thoas zu erreichen. Orest ist unterdessen in einen gesanglich untermalten herben Wahn verfallen und sieht in Iphigenie seine Mutter Klytemnästra als Wahngebild mit blutigem Hals. Die Doris, Freundin von Iphigenie, die auch zum Tod verurteilt wird, weil sie Tempelgeheimnisse verrät, wird von Rinnat Moriah auf Hausfrauenart /Rock und Bluse dargestellt, etwas eindimensional, aber mit feinem Soprantimbre gestaltet. Der Pilade der Irina Simmes hat da (rollenbedingt) weit mehr Kante und glänzend metallische Gesangsmomente, wofür das Koloraturfach, in dem sie ihre Aufrittsarie zu singen hat, aber schon zu leicht erscheint. Sie tendiert eher zum Spinto-Sopran. Sie ist ganz auf Junger Mann gestilt, erinnert sogar im Look entfernt an David Bowie. Der Thoas des Namwon Huh kann trotz der Geschmeidigkeit seines Tenors in den Koloraturen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Material doch eher schmal ist, und dass er auch mit einer leichten Indisposition zu kämpfen hat. Artem Krutko gibt den Oreste schöntimbriert flexibel und mit fabenreichem Countertenor. Eine echte Abwechslung in dieser von Stimmbesitzern fast schon überschwemmten Simmgattung. Die Ifigenia der Aleksandra Zamojska hat ein eher flaches „weißes‘ Timbre, so daß sie sich dramatisch auch nicht so sehr exponieren kann. Gestalterisch wirkt sie aber sehr überzeugend, wenn sie, wie in der heute üblichen Regie, mithilfe einer Pistole den Thoas letztlich ausschalten muß, um ihren Bruder und die Tauren zu befreien.
Friedeon Rosén