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SCHWERIN/ Schlossfestspiele/ Alter Garten: AIDA – Open Air, auch bei Regen

17.07.2016 | Oper

Schwerin / Alter Garten: „AIDA“ – OPEN AIR, AUCH BEI REGEN – 14.-16.7.2016

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Aurore Ugolin in der Titelrolle. Copyright: Silke Winkler

Zum 17. Mal (und hoffentlich nicht zum letzten?) veranstaltet das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin in diesem Jahr seine Schlossfestspiele, die von dem, zum Ende dieser Spielzeit scheidenden, Generalintendanten Joachim Kümmritz mit ins Leben gerufen wurden.

Im Sommer 1999 stand schon einmal Giuseppe Verdis, für Kairo komponierte Oper „Aida“ auf dem Programm, die er eigentlich nicht komponieren wollte und nur zusagte, weil man sonst das Libretto Richard Wagner angeboten hätte! In diesem Jahr hatte „Aida“ erneut Premiere (8.8.). Sie bildet zugleich den Abschluss des Verdi-Zyklus, der mit „Nabucco“ (2014) und „La Traviata“ (2015) begann.

Von den zahlreichen Vorstellungen, die zwischen dem 8.7. und 14.8. stattfinden, war der „Wettergott“ ausgerechnet am 16.7. nicht sehr freundlich gesonnen, es regnete anhaltend und stark, aber die Vorstellung fand trotzdem in voller Länge statt. Sängerinnen und Sänger zeigten bewundernswerte Disziplin, und auch das Publikum hielt aus. Keiner ging nach Hause. Man hat gezeigt, was stärker ist, das Wetter oder der Opernenthusiasmus!

Das Orchester sitzt glücklicherweise seit einigen Jahren im Trockenen – unter der Bühne – welch weise Voraussicht von Inszenierung und Bühnenbild, das in diesem Rahmen immer wieder neu und ansprechend ist. Man spielt dieses Jahr auf zwei Ebenen einer 30 x 30 m² großen Bühne mit Blick auf das, mit seiner Treppe und dem kunstvollen Reliefgiebel teilweise in Bühnenbild und Regie einbezogene Staatliche Museum, so dass mal die einen, mal die anderen Besucher auf den verschiedensten Plätzen ab und an die beste Sicht auf die „Ober‑“ oder „Unter“‑Bühne haben, allerdings war es nicht leicht, alles gleichzeitig im Auge zu behalten.

Es gibt einige „Extras“. Zuweilen ist zwischen die agierenden Sänger ein „Pas de deux“ (Luana Pignato und Gerardo Mussuto) in der Choreografie der Australierin Andrea D. Kingston „eingestreut“, der nicht immer genau mit der Handlung in Verbindung zu bringen schien – am ehesten noch beim ersten Auftritt als Amneris‘ Vorstellungen von ihrer Liebe zu Radames. Als besonderer „Gag“ wurden eine „life“-haftige Elefantendame (32 Jahre, 4 Tonnen schwer, in Freiheit, im afrikanischen Simbabwe geboren und in einem mecklenburgischen Elefantenhof lebend) und zwei ebenfalls echte Kamele am unteren Bühnenrand vorbeigeführt, wenn Radames von seinem erfolgreichen Feldzug heimkehrt.

So wie hier war vieles in der Inszenierung von Georg Rootering stilistisch etwas „durchmischt“, was man sich mehr in die Handlung eingebunden gewünscht hätte, während die Dramaturgie von Katharina Riedeberger einem schlüssigen Konzept folgt. Rootering und Romaine Fauchère (Bühne und Kostüme), die in den Vorjahren auch die beiden anderen Verdi-Opern auf die Bühne brachten, haben sich ausgiebig aus der üblichen Gestaltungselemente-„Kiste“ bedient, aber in dieser Zusammensetzung und diesem Ambiente, einem der schönsten, vom architektonischen Miteinander von Schloss, Theater und Museum geprägten, Plätzen Deutschlands, wirkungsvoll miteinander verbunden.

Von Einblendungen des Königs (Igor Storozhenko – 16.7.) in pompöser Uniform eines „neureichen“ Potentaten ferner Länder auf zwei Leinwände, der gegenüber der Bühne vom Gerüst mit vollem Einsatz, aber nicht sonderlich exakt sang (alternierend dazu Uwe Kroggel), und Soldaten in den üblichen khakifarbenen Uniformen bis zum exotischen Prunk-Kostüm der Amneris und Luxuskleidern, extra in Modeateliers in Hagenow (Mecklenburg) und Hamburg angefertigt, war wieder alles vertreten. Selbst in der Gruft, in der Radames und Aida in Liebe ihr trauriges Ende finden, gab es noch ein Sofa. Liebe in Zeiten von Feindschaft, Hass, Macht und Gewalt hat es wohl zu allen Zeiten gegeben, was hier offenbar in einer „bunten“ Mischung als alter und neuer Zeit, Nähe und Ferne seine Entsprechung finden sollte.

Musikalisch bewegten sich die Abende zwischen dem 14. und 16.7. auf ansprechendem Niveau. Gregor Rot, 1. Kapellmeister des Schweriner Staatstheaters, der auch für die diesjährige Produktion verantwortlich zeichnet, hatte die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin sehr gut einstudiert und leitete sie mit viel Sinn für Verdis Musik (14/15.7), während Martin Schelhaas (16.7.) auf dessen guter Vorbereitung aufbauen und die Sänger entsprechend begleiten konnte, was im Falle der, aus dem Bonner Ensemble stammenden, Kanadierin Yannick-Muriel Noah als Aida (14.07.) bestimmt nicht leicht war, da sie streckenweise technische Probleme hatte und auch zu tief sang, besonders die Piani in der Höhe kamen oft erst nach mehrmaligen Anläufen.

Da war die Südafrikanerin Andiswa Makana (15.07.) eine ganz andere Aida. Mit betörend schönen Piani und einer noblen Stimme, einschließlich sehr guter Phrasierung, beeindruckte die junge Künstlerin nachhaltig. Die rollenerfahrene Maida Hundeling (16.7) war, wenngleich eine reifere, aber in ihrer Feinheit und Sensibilität durchaus ebenfalls überzeugende Aida.

Einen regelrechten Glücksgriff hatten die Schweriner mit der Verpflichtung der französischen Mezzosopranistin Aurore Ugolin (14./16.07.) als Amneris getan, die mit ihrem wunderbar farbigen Mezzosopran sowohl in den gefürchteten Höhen die nötige Attacke besitzt, als auch blitzsauber sang und zum besonderen Mittelpunkt des Abends wurde. Enttäuschend hingegen Itzaka Lesaka vom Schweriner Ensemble in der gleichen Rolle (15.07.), die mit eher bescheidenen stimmlichen Mitteln und einem übertriebenen, hektischen Spiel der Gestalt der Amneris als Aidas Gegenspielerin die Autorität nahm.

Carsten Wittmoser (14./16.) sowie Krum Galabov (15.7.) bewegten sich als Amonasro im orangefarbenen Overall (vgl. Guantanamo) auf ansprechendem gesanglichem Niveau, wenngleich Galabov mehr Italianità einbrachte und Wittmoser in diesem Outfit und ohne besondere Maske als ein König mit erwachsener Tochter einfach zu jung wirkte. Als Ramphis agierten Ziyan Atfeh (14./16.) und Ulrich Schneider (15.7.) auf fast gleichem Niveau, wenngleich auch hier Ziyan Atfeh mehr zu sagen hatte in Wort und Ton.

Probleme gab es bei der Besetzung des Radames. Während James Lee, rollenerfahren und mit den nötigen Stentortönen und der nötigen Stamina ein sehr guter Radames war, der singen kann (!) und sich auch darstellerisch auf gutem Boden bewegt, und Steffen Schantz, ein eher lyrischer Tenor, bewies, dass es auch so geht, denn er teilte sich den Part gut ein und war in den entscheidenden Momenten voll da, wurde am 15.7. schnell klar, weshalb Carlos Fidalgo am Premierenwochenende nicht zum Einsatz kam. Der Sänger verfügt nicht über die nötige Kondition und die stimmlichen Möglichkeiten für einen Radames. Konnte er sich mit „Markieren“ noch einigermaßen durch die „Romanza“ und den ersten Teil „mogeln“, kam im „Nil-Akt“ der traurige Offenbarungseid, der sich bis zum Finale hinzog. Transponierte Töne und Auslassen von Passagen waren ein trauriges Resultat.

Angeführt von Karin Hübner (16.7.) als Priesterin mit klangvoller Stimme und dem richtigen Gespür für die Rolle – alternierend dazu Stamatia Gerothanasi – machte der große Chor mit mehr als 80 Mitgliedern aus Opernchor des Mecklenburgischen Staatstheaters, Chorgästen, Mitgliedern der Schweriner Singakademie und des Jugendchores des Goethe-Gymnasiums Schwerin in der Einstudierung von Ulrich Barthel einen sehr guten Eindruck.

Fazit: wenn auch vom Wetter abhängig, sind die stimmungsvollen Schlossfestspiele in Schwerin ein Gewinn für Opernfreunde und solche, die es dadurch werden.

Ingrid Gerk

 

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