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SCHWERIN/ Mecklenburgisches Staatstheater: COPPELIA

27.04.2013 | Ballett/Tanz, KRITIKEN

Schwerin / Mecklenburgisches Staatstheater „COPPÉLIA“ – 26.4.2013 (Pr. 21.9.2012)


Swanilda (Davina Kramer) und Franz (Maxim Perju) beim Blinde-Kuh-Spiel. Foto: Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin

 Das Mecklenburgische Staatstheater lädt mit seiner gut erhaltenden Architektur aus dem 19. Jh., seinem angenehmen Flair und vor allem gelungenen Aufführungen immer wieder zu einem Besuch ein und ist auch eine Reise wert, zumal die Stadt mit ihrer unzerstörten historischen und jetzt gut restaurierten Bausubstanz wieder zu einem wahren „Juwel“ geworden ist.

 Jetzt stand Leo Delibes abendfüllendes Ballett „Coppélia“ zum letzten Mal in dieser Spielzeit auf dem Spielplan. Dieses Ballett hat zwei Seiten, die mystische mit dem alten Zaubermeister Coppélius und die heitere durch die jungen Leute, die seine geheimnisvolle Welt ergründen wollen. Während ältere Inszenierungen oft die mysteriöse Sicht betonten, stehen bei den neueren mehr Leichtigkeit und Humor im Vordergrund. Die Inszenierung und Choreografie von Sergej Gordienko (Dramaturgie Katharina Riedeberger) hat beides.

 Sie betont Witz und Heiterkeit in schöner Weise, aber Coppélius und seine schwarzen Gesellen (Statisterie) eröffnen und beenden die Geschichte wie in einem „Bilder“-Buch. Wenn sich der Vorhang nach den sehr an Wagner erinnernden Eingangs-Klängen hebt, wird ein großes, schönes, altes Buch sichtbar, in „Schweinsleder“ gebunden und mit dem vergoldeten Schriftzug „Coppélia“, der alle Zweifel zerstreut, dass man auch wirklich im richtigen Stück sitzt.

 Leicht unheimlich, wie ein alter Hexenmeister, öffnet dann Coppélius die 2. Buchseite mit dem „Besetzungszettel“. Die schwarzen Gestalten bringen das Bühnenbild in Form eines biedermeierlichen, dreidimensionalen Papiertheaters mit – bewusst linkisch überspitzt – gezeichneten Häusern (Bühne: Roland Winter) in Position und die Tanzszenen können beginnen, ein gekonnter Mix aus klassischen Elementen des Spitzentanzes, Handlungsballett und sehr viel Humor.

 In der letzten Vorstellung der Spielzeit schienen die Tänzerinnen und Tänzer noch einmal alles zu geben, um das Publikum zu begeistern. Es gab sehr gute Tanzleistungen, klassischen Spitzentanz und heitere Episoden – passend zur Musik -, die nicht nur der Choreografie, sondern auch der perfekt getimten Umsetzung zu danken waren, z. B., wenn Coppélius durch die Tür seines Hauses springt, wie ein „Mann, der durch die Wand geht“ oder die jungen Leute ein amüsantes Blinde-Kuh-Spiel spielen und später zwei Mädchen nacheinander in Ohnmacht fallen, weil sie in ihrer Neugier in Coppélius‘ Werkstatt alles ausprobieren und die, sich plötzlich bewegenden, Puppen gewahr werden.

 Die kraftvoll tanzenden Herren der vier begleitenden Paare (Julio Miranda, Julian Trapp, Sota Okamoto und Tom Bergmann) hoben ihre Damen (Ana Belén Villalba, Yuka Higuchi, Kellymarie Sullivan und Katharina Maria Schmidt) beim Gruppentanz – vielleicht nicht in den Himmel -, aber erstaunlich hoch und präsentierten selbst sehr hohe Sprünge. Sie tanzten und spielten wie ausgelassen, beispielsweise in der Szene, wo sie aus der Schänke kommen und mit nur gemalten Instrumenten, einer Balalaika, einer Flöte, Triangel und Kontrabass „spontan“ ein munteres Ständchen bringen.

 Wenn sich der Vorhang nach der Pause zum 2. Mal hebt, stehen Swanilda und ihre beiden Freundinnen zwar verwegen, aber zitternd und zappelnd zwischen Neugier, Mut und Furcht wieder nur vor einem schwarzen Vorhang, der sie von der Zauberwerkstatt trennt (eine einfache, aber wirkungsvolle Idee).

Verglichen mit mancher Spitzen-Company gab es zwar etwas weniger Schwierigkeiten, Sprung-Kombinationen und atemberaubende Pas de deux, aber alle Ausführenden konnten in ihren Rollen voll überzeugen. Es gab gekonnte Schrittfolgen und Sprungkombinationen, auch einige Passagen, inspiriert von den typischen schnellen, kraftstrotzenden russischen Volkstanz-Elementen, lustige „Spiel‘“-Szenen und vor allem viel spritzigen Humor. Hier lag der Witz in den sehr gut abgestimmten und offensichtlich mit viel Freude an der Sache ausgeführten, Tanzfiguren und bewegungen.

 Sicher auf Spitze bewegten sich Nao Matsushita und Eliza Kalcheva als Swanildas Freundinnen. Eindrucksvoll bereicherten zwei Csárdás-Männer (Christoph Schedler und Ivan Kozyuk) die Szene sowie die exotischen Puppen, die ebenfalls von Christoph Schedler sehr eindrucksvoll getanzte Orientalische Puppe, die Chinesische Puppe (Sota Okamoto) und die Spanische Puppe (Katharina Maris Schmidt).

 Davina Kramer bot als ansprechende Swanilda eine in sich stimmige Leistung mit allem, was dazu gehört, viel Spitze und zwei Pas de deux, einen klassisch ausgewogenen mit Maxim Perju, „ihrem Verlobten“ namens Franz, der seiner Rolle ebenfalls sehr gut gerecht wurde, und einen köstlich-humorigen mit dem kauzigen Coppélius, dessen Gestalt der gut tanzende Voloshyn zwischen – nicht übertriebener – Karikatur und Magier pendeln ließ.

 Schließlich tanzte Swanilda zum sanften Spiel von Solovioline und Solocello ausgelassen auf Spitze bis alle, gerade noch sehr agilen, Menschen erstarrten und wieder zu Puppen und von den schwarzen Gesellen hinausgetragen wurden – ein Regieeinfall, der jetzt oft strapaziert wird, hier aber ideal passt. Die Aufstellung des Bühnenbildes durch die dunklen Gestalten läuft wieder rückwärts ab, und das Buch wird wieder geschlossen – ein bisschen Märchen-Zauber-Schauder muss sein.

 Das Spiel voller zauberhafter Zauberei ist aus. Die Besucher sind verzaubert von so viel freundlichem Humor und guter Tanzkunst, die von den farbenfreudigen Kostümen (Giselher Pilz) passend unterstrichen wird. Die Musik dazu spielte die Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin unter der Leitung von Martin Schelhaas.

 Ingrid Gerk

 

 

 

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