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SCHWERIN /Mecklenburgischen Staatstheater: DER WILDSCHÜTZ. Premiere

24.01.2015 | Allgemein, Oper

Schwerin / Mecklenburgisches Staatstheater: „DER WILDSCHÜTZ“ 23.1.2015Pr.

Unbenannt
Steffen Schanz, Katrin Hübner, Markus Vollberg. Foto: Silke Winkler.

 Wenn sich der schöne alte Schmuckvorhang im großzügig gebauten Schweriner Jugendstiltheater zum „Wildschütz“ hebt, steigt die Erwartung auf ein Spiel voller Witz und guter Laune und – nicht zu vergessen – auch wohlmeinender Gesellschaftskritik.

 Während der unter der Leitung des versierten Gregor Rot von derMecklenburgischen Staatskapelle Schwerin ganz im Sinne Lortzings gespielten Ouvertüre, die mit einem  besonderen „Knalleffekt“ im wahrsten Sinne des Wortes, einem aufschreckenden „Wilderer-Schuss“ endete, verlustieren sich in der Inszenierung von Kornelia Repschläger die Sängerinnen und Sänger paarweise auf der Bühne in einer Art „Sex-Tanzeinlage“ (Choreografie“: Nicola Mascia), bevor sie zu den Kostümen greifen und das eigentliche Spiel zwischen (preudo-)biedermeierlicher Oper mit Verkleidung, Verwechslungsspiel, Verstellung, Rollentausch, kurz, den Grundelementen des Theaters, ein bisschen Zirkus, ein bisschen Spaß, auch ein bisschen Operette und Musical und zuweilen auch ein wenig Anlehnung an Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“beginnt, und das alles unter dem in Zirkus-Leuchtschrift prangenden Motto „TRUE LOVE LIES“ („wahre Liebelügt“).

 Dazwischen werden immer wieder simple, wenig anspruchsvolle Witze und spaßige Gesten eingestreut, die aber beim Publikum ankommen. Das amüsiert sich köstlich, auch über nicht zweideutige, sondern eindeutig eindeutige„Scherze“. Die Inszenierung kommt dem regionalen Publikum sehr entgegen. Es will lachen (vielleicht als Kompensation der schwierigeren Lebensbedingungen als anderswo in Deutschland). Da nimmt es nicht Wunder, dass die gesellschaftlichen Seitenhiebe kaum zu ihrem Recht kommen und die ursprünglicheAufführungsdauer von 140 min. auf 3 Std. (mit Pause) steigt.

 Die Bühne (Olaf Grambow) bietet oft einen „Hingucker“ mithilfe naturalistisch bemalter Versatzstücke, die immer wieder verschoben und neu zusammengesetzt werden, um neue, fast neobarocke „Sichtachsen“ auf eine Schlossgarten-Architektur mit einem seltsam anmutenden „Schloss“ zu ergeben.

 Trotz Sparzwängen an den Theatern leistete man sich erfreulicherweise nicht nur „Kaufhausware“ als Kostüme (wie an anderen, auch großen, Opernhäusern, sondern den Luxus, speziell für die Inszenierung angefertigter, Kostüme (Claudia Kuhr) in guter, im Zusammenspiel optisch wirksamer, farblicher Abstimmung, mit elegantem Schnitt, aber als Novum durchsichtig, so dass die weiße Unterkleidung zu sehen ist – ein Blick „hinter die Kulissen“ bzw. die tadellose Oberfläche der Menschen, bei denen vieles nur „Fassade“ ist. 

Die Sängerinnen und Sänger gaben ihr Möglichstes, Markus Vollberg als stimmlich ansprechender Graf von Eberbach, Sophia Maeno als seine etwas exaltierte, in höheren Sphären der griechischen Antike schwebende, vornehm leise singende und sprechende Gemahlin, Steffen Schantz hingegen als kräftig singender Baron Kronthal und Bruder der Gräfin, Stamatia Gerothanasi als Baronin Freimann und Schwester des Grafen, Daniela Sieveke als ihr Kammermädchen, Christian Hees als Haushofmeister Pankratius und last but not least Katrin Hübner als eher zurückhaltendes Gretchen mit Charme und Vitalität. Bei Sebastian Kroggels Baculus standen komödiantisches Talent, Spielfreude und sympathische Ausstrahlung im Vordergrund. Er gab einen jugendlich unbekümmerten „alten“ Schulmeister,dem man nun wirklich nicht „die vielen Falten“ ansah, von denen Gretchen singt.

Es gab manch ansprechende Ensembleszene, z. B. das Terzett zwischen Graf, Gräfin und SchulmeisterBaculus, und guten Chorgesang vom Opernchor des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin und Mitgliedern der Schweriner Singakademie. Sehr hübsch, sicher, klar, tonreinund mit feinen Stimmchen sang der Kinderchor der Schweriner Singakademie.

 Wie Richard Wagner und Hector Berlioz schrieb auch Albert Lortzing, das All-Round-Genie, alle seine Texte selbst, auch das Libretto zum „Waffenschmied“ nach dem Lustspiel „Der Rehbock oder Die schuldlosen Schuldbewussten“von A. F. F. von Kotzebue. Zusätzlich fügte er als Parodie auf die seit F. Mendelssohn-Bartholdys„Antigone“ausgebrochene griechische „Antikenmode“ein Stück „Altgriechische Literatur“ für die Gräfin ein, die jedoch hier von der Deklamation befreit wurde, indem sich nur der Chor als vornehm schwarz gekleidetes „honores Publikum“ in Filzpantoffeln wie in einem Schlossmuseum zum Zuhören auf der Bühne einfand, um als „stumme Rolle(n)“ „der Stimme ihrer Herrin“ über die Distanz des realen Publikums hinweg vom Band wie aus der hinteren großen Loge zu lauschen – eine nette Idee, um das Publikum mit „einzubeziehen“, nur etwas lang mit dem immer wieder leisen Kichern einer solchen „Zuschauerin“. Die beste Pointe verliert an Kraft, wenn sie zu oft wiederholt wird.

 Es war eine kurzweilige, bunte Aufführung mit viel Spaß und heiterer Laune, nur Lortzings ursprüngliches Anliegen kam in der Inszenierung etwas kurz. Gregor Rot rückte mit seinem Dirigat aber alles wieder ins rechte Lot. Unter seiner Leitung spielte das Orchester immer locker und heiter und ließ auch die bewusste Gesellschaftskritik zuweilen durchschimmern, ohne der durchweg heiteren Inszenierung abträglich zu sein.

 

Ingrid Gerk

 

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