Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SCHWEINFURT: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN

Gastspiel Theater Hof

02.03.2018 | Operette/Musical

SCHWEINFURT: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN – Gastspiel des Theaters HOF

am 1.3.2018 (Werner Häußner)

Den einen interessiert nur sein Statussymbol. Den anderen seine Ruhe. Und der dritte setzt alles daran, die Macht zu behalten. Dieses Trio infernal zieht in Jacques Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ die Fäden, an denen die Souveränin des fiktiven Kleinstaates normalerweise reibungslos zu bewegen war. Nun aber hat eine Macht alles durcheinandergebracht, mit der niemand ernstlich gerechnet hat: die Liebe. Oder vielleicht nur das Begehren?

Von den bekannteren Operetten Offenbachs ist „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ die offensichtlichste Polit-Satire. Hemmungslos und waghalsig deutlich nimmt der Wahl-Franzose aus Köln den Absolutismus aufs Korn, verortet ihn in einem Eifel-Städtchen, das außer ihm wohl kein Pariser je ernsthaft zur Kenntnis genommen hatte, markiert damit schon, wie kleingeistig und rückständig er diese Form der politischen Organisation einschätzt. Und genau so bissig, wie er die Motive, Beweggründe und Mechanismen dieser Mikro-Territorien-Staatskunst vorführt, zielt er auf die große Politik ab: Die gekrönten Häupter, die während der Pariser Weltausstellung 1867 in die Premierenserie strömen, lachen über sich selbst.

Im Gegensatz etwa zu „La belle Hélène“ oder „Orphée auxenfers“ lässt sich „La Grande-Duchesse de Gérolstein“lesen, ohne vorher die heute kaum mehr präsenten Voraussetzungen von antiker Mythologie zu dekonstruieren. Herrschsucht, Ruhmsucht, Standesdünkel, Skrupellosigkeit sind nicht ausgestorben, benötigen nicht einmal einer tiefgreifenden szenischen Aktualisierung, um unmittelbar begriffen zu werden.

Am Theater Hof hat Regisseur Ansgar Weigner es dennoch für nötig befunden, eine Rahmenhandlung zu erfinden: Ein Mädchen namens Antonia – der Bezug zu „Hoffmanns Erzählungen“ ist explizit – verliert seine Mutter, hat mit der neuen Partnerin des Vaters Probleme und zieht sich in eine Spiel- und Traumwelt zurück. Ihr niedliches Mädchenzimmer wird zum Spielraum, in dem riesige Kinderzeichnungen die von Bühnen- und Kostümbildner Kristopher Kempf adrett und bunt eingekleideten Figuren einrahmen; eine gewaltige Steckdose in der Ecke lässt erahnen, dass hier alles auf Mikro-Format eingeschrumpft ist.

Das Setting weckt zunächst Erwartungen. DochWeigner demontiert den aufgebauten Anspruch von Szene zu Szene durch eine Regie, die keine Tiefenschärfe entwickelt. Der fette Baron Puck (Karsten Jesgarz) ist kein berechnender Intrigant der Macht, sondern eine belanglose, vordergründig komische Karikatur. Prinz Paul (Thilo Andersson) wirkt mit seinem angeschwulten Getue einfach nur wie ein infantiler Blödian statt wie eine intelligenzauffällige, dünkelhafte Kreatur. Und Rainer Mesecke lässt als General Bumm alles hinter sich, was ihn über das Niveau eines Volltrottels zu einem gefährlichen Akteur erheben würde, der ohne jegliche moralische Hemmung zu Mord und Krieg bereit ist.

Die drastischen Versatzstücke aus dem überlebten Komik-Repertoire der eingestaubten Operette – über die bei dem Schweinfurter Gastspiel kaum ein Mensch im Zuschauerraum lachte – sorgen keinesfalls für „Humor“, sondern verflachen die Szenen mit ihren sorglos dahingeleierten Dialogen noch zusätzlich.Auch die Musik rettet nichts: Walter E. Gugerbauer fängt schon das karikierende militärische Maestoso der Säbel-Hymne in der Ouvertüre nicht ein, setzt auch sonst kaum auf agogische Finessen, lässt die Hofer Symphoniker oft kernig vordergründig spielen.

Humor entsteht bei Offenbach nur, wenn die Figuren gnadenlos ernst genommen und damit in ihrer Abgründigkeit entlarvt werden. Weigner aber kleistert das Erschreckende mit harmlosen Spässkes zu. Darunter hat auch die Person der Großherzogin zu leiden: Stefanie Rhaue hat keine Chance, die bedrohliche Seite einer Monarchin auszuspielen, die ihre Machtfülle leichthin ausspielt, aber nicht merkt, wie sie dann doch von den geschickten Strategen ihrer Umgebung manipuliert wird. Und sie ist in der Falle vordergründiger Lustigkeit gefangen und kann nicht glaubhaft machen, dass diese Frau auch eine sentimentale, liebesbedürftige Seite hat und sich – in ihrem leider schon von Offenbach gestrichenen Melodram – des Verlusts ihrer Menschlichkeit und Empathie durchaus bewusst ist.

So hopsen und purzeln sie über die Bühne, all die unglaubwürdigen Persönchen einer Operettenkultur, die seit den siebziger Jahren schon den Niedergang des Genres mitverschuldet hat: Laura Louisa Lietzmann als sympathisch gezeichnetes Bauernmädchen Wanda, Minseok Kim mit angenehmer Stimme, aber dürftiger Rollencharakteristik als Soldat Fritz, James Tolksdorf als graumausiger Baron Grog. Wenn man nicht kriegt, was man will, dann nimmt man eben, was man bekommt. Das ist die Moral der Geschicht‘, und Antonia (Diana Pramatarov) schmiegt sich am Ende auf dem Sofa versöhnt in ihr Schicksal. Zu wenig für eine Operette dieses Kalibers und ein Weg, auf dem die Gattung sicher nicht mehr zu reanimieren ist.

Werner Häußner

 

Diese Seite drucken