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SALZBURGER MOZARTWOCHE 2015 / Haus für Mozart: ALFONSO UND ESTRELLA von Franz Schubert

25.01.2015 | Oper

Salzburger Mozartwoche 2015 , 23. Jänner, Haus für Mozart: Schuberts „Alfonso und Estrella“, beglückend musiziert

 Franz Schuberts Opern sind eine heikle Aufgabe, wenn es um szenische Realisierungen geht. Zuletzt scheiterte bei den Salzburger Festspielen 2014 niemand Geringerer als Peter Stein bei „Fierrabras“ am Missverhältnis zwischen blumigem, verstiegenem Libretto und genialer Musik. Auch die kurz davor, 1821/22, vollendete „Große heroisch-romantische Oper“ mit dem Text von Franz von Schober ist ein Schmerzenskind des Repertoires. Die verwickelte Liebesgeschichte aus dem mittelalterlichen Königreich Leon, eine freie Erfindung der Autoren unter Zuhilfenahme historischer Namen, ist wohl kaum wirklich überzeugend auf die Bühne zu hieven. Zu wenig vermag die Handlung aus dem alten Spanien mit ihren ständigen Beschwörungen von Herz, Schmerz und kriegerischem Heldentum, mit ihrer unmotivierten Versöhnung aller beteiligten Könige und Feldherrn am Ende, mit ihren holzschnittartig gezeichneten Figuren zu interessieren. Auch Bearbeitungen – die erste stammt von Franz Liszt, der das Stück 1854 in Weimar als „Akt der Pietät“ uraufführte – vermochten sich nie auf Dauer durchzusetzen. Dabei handelt es bei „Alfonso und Estrella“ um ein imposantes Werk. Unter Verzicht auf Sprechszenen und mittels famoser Übergänge zwischen Rezitativen und fast immer liedhaften Arien ist da fast drei Jahrzehnte vor Schumanns „Genoveva“ und Wagner die erste durchkomponierte deutsche Oper gleichsam passiert – und wurde von keinem Menschen bemerkt.

 Ein Werk jedenfalls, das für eine konzertante Aufführung geradezu prädestiniert ist. In Salzburg erklang eine kluge Strichfassung. In der Hauptsache fielen Wiederholungen dem Rotstift zum Opfer, sodass von weit über drei Stunden etwa zwei und eine Viertelstunde Musik übrig blieben, sinnfällig getrennt durch eine Pause mitten im 2. Akt. Schuberts ständig von melodischen Einfällen überquellende und von kostbaren instrumentalen Farben erfüllte Musik kann sich übrigens durchaus aus lyrischer Kontemplation zu dramatischer Erregung wandeln, man nehme nur die aufregend akzentuierte Mauregato-Arie im Finale. Zur Opernerfüllung fehlten dem früh Verstorbenen nur größere Theatererfahrung und vor allem ein adäquates Libretto – was auch seine wohl „beste Oper“, das unvollendete Oratorium „Lazarus“ (1820) beweist. Natürlich gibt es ein paar Anklänge an Mozart und Weber, kaum an Beethoven, aber es ist vom ersten bis zum letzten Takt unverkennbarer Schubert, der da erklingt.

 Den Hauptanteil am Erfolg im „Haus für Mozart“ hatten das Mozarteumorchester Salzburg, der in diesen Tagen viel beschäftigte Salzburger Bachchor und der Dirigent Antonello Manacorda. Letzterer zeichnete die vielen, oft überraschend neu klingenden Details der Partitur nicht nur sorgfältig nach, sondern er verband sie zu einem spannungsreichen Bogen. Der noch junge Maestro aus Italien, einst Konzertmeister des Mahler Chamber Orchestra, nun besonders mit der Kammerakademie Potsdam und als Operndirigent erfolgreich, kann noch dazu ganz wundersam mit der Musik atmen. Manacorda lässt es knallen, wo es notwendig ist, wobei er nicht immer der Gefahr entgeht, etwa eine lyrische Tenorphrase zuzudecken. Doch meist beeindruckt seine Fähigkeit, das klassisch besetzte Orchester regelrecht blühen zu lassen. Den Musikerinnen und Musikern konnte die etwas scharfe, kleinste Fehler aufdeckende Akustik des Hauses nichts anhaben. Traumhaft schöne Bläsersoli, vibratoarm spielende und doch sinnlich schwelgende Streicher schufen dem Werk eine würdige, elegante und poesievolle Aura. Alois Glaßner hatte seinen Elitechor prächtig studiert, dem auch die junge Sopranistin Mayumi Sawada, Holzmair-Schülerin vom Mozarteum, angehörte, welche in der kleinen Partie des Mädchens mit silbriger Stimme reüssierte.

 Natürlich ist es unfair, die historische Aufnahme des Stücks unter Otmar Suitner zum Vergleich heranzuziehen, was die Besetzung betrifft. Andererseits müssen Interpreten von heute einfach neben dieser illustren Schubert-Riege (Mathis, Prey, Fischer-Dieskau, Schreier, Adam …) bestehen. Ein wenig unausgeglichen in der Tongebung und in der deutschen Artikulation mitunter zweifelhaft, aber strebsam bemüht wirkte der hellstimmige Tenor Toby Spence als Alfonso. Manche Lyrismen gelangen ihm ganz ausgezeichnet, besonders im Duett mit der Estrella von Mojca Erdmann, die auch mit ihrer mädchenhaft leichten, technisch blendend geführten Sopranstimme einer Edith Mathis sehr nahe kam. Wo ein wenig Dramatik gefordert war, schaffte sie souverän alle Töne und das geforderte Volumen, blieb jedoch von scharfen Höhen nicht immer verschont. Das Hauptgewicht lag bei den tiefen Herrenstimmen. Der in dieser Rolle schon erfahrene Markus Werba wirkte zwar als greiser, emeritierter König Froila ohne Kostüm und Maske viel zu jugendlich, wusste jedoch die pastosen Qualitäten seines Baritons effektvoll hervorzukehren, bis an die Grenzen seiner Stimmkraft. Durchwegs mächtig und volltönend gestaltete Michael Nagy mit natürlich fließendem, ins Heldische tendierendem Bariton den konkurrierenden König Mauregato. Die dankbarste, ein wenig an Beethovens Pizarro erinnernde Rolle des ebenfalls Estrella begehrenden Feldherrn Adolfo hatte Alastair Miles. Der knorrige britische Charakterbass, ein versierter Gestalter und sprachlich über jeden Zweifel erhaben, schaffte es beeindruckend, seine in die Jahre gekommene Stimme der kantigen Figur perfekt anzupassen. Erfreulich agierte auch der vielseitige, virile Tenor Benjamin Hulett als Jüngling und Anführer der Leibwache. Das Publikum machte es wieder einmal richtig – es dankte dem Ensemble herzlich und differenzierend, es feierte lauthals den Dirigenten und die Kollektive.

  Gottfried Franz Kasparek

 

 

 

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