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SALZBURG/ Odeion-Kulturforum: COSÌ FAN TUTTE

13.09.2016 | Oper

SALZBURG / Odeion Kulturforum: COSI FAN TUTTE
am 11.9. 2016 (Werner Häußner)

Was für ein Pathos begleitet diese Liebe! Die Schwüre, sie klingen lauter und ehrlich und rein. Aber kaum kommt die Versuchung – und Lorenzo da Pontes Figuren kannten Oscar Wilde noch nicht, aber der Librettist war ein Priester – erliegen die „farfalletti amorosi“ mit mehr oder minder deutlichem Vergnügen. Schmetterlinge der Liebe, zum Flattern gebracht von Don Alfonso, der auch in der Liebe nur ein rationales – und damit kontrollier- und manipulierbares – Phänomen sieht.

Mit dieser geschickten Konzentration auf einen der vielfältigen Aspekte von „Cosí fan tutte“ hat das Regieteam Wolfgang Gratschmaier und Rita-Lucia Schneider Wolfgang Amadeus Mozarts gar nicht so komischer Oper einen klugen Dienst getan – und die Bühne des Odeion Kulturforum im Salzburger Vorort Mayrwies nicht überstrapaziert. Denn die Sängerinnen und Sänger müssen sich dort mit dem Orchester das Podium teilen und die Unterstützung durch Bauten, Gassen, Hänger und sonstige Bühnenarchitektur missen. Trotzdem gelingt in den zweidreiviertel Stunden des um einiges gekürzten Kreisens um Illusion und Imagination der Liebe ein kurzweiliges Spiel ohne Sinnverdünnung.

Die Kostüme Ina Reuters machen deutlich, wie der listige Don Alfonso das Sein der Personen durchdringt: Leuchten im ersten Teil alle, das Orchester eingeschlossen, in Weiß, tragen sie im zweiten Teil das Schwarz des Philosophen. Als letztes Zeichen des Widerstands hängt sich Fiordiligi die weiße Uniformjacke des Geliebten über, lässt sie im Duett mit dem arabisch anmutenden Bewerber um ihre Zuneigung schließlich fallen. Die steifen Schwarz-Weiß-Fotos der vermeintlich in den Krieg gezogenen Geliebten, die auf denkmalähnlich arrangierten Staffeleien zur Verehrung ausgestellt sind, werden flugs umgedreht und zeigen nun pralles Farbenleben: kleine Zeichen für große psychische Veränderungen.

Worauf es bei dieser Opernproduktion ankommt – und worauf öfter vor lauter Regieverliebtheit viel zu wenig geachtet wird – ist die Musik. Diese „Cosí fan tutte“ entstand im Rahmen eines Projekts der Angelika-Prokopp-Sommerakademie der Wiener Philharmoniker. Diesmal arbeiteten nicht nur rund vierzig junge Nachwuchs-Orchestermusiker im dreiwöchigen Sommercamp während der Salzburger Festspiele gemeinsam mit etwa 25 Mitgliedern der Wiener Philharmoniker. Sondern der Fagottist Michael Werba, seit 2010 Leiter dieser Fortbildung, hat Teilnehmer der Akademien der letzten Jahre zusammengeholt, in einem Wettbewerb junge Sängerinnen und Sänger ausgesucht und in Zusammenarbeit mit der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien eine Opernproduktion initiiert. Das Ziel: Was in der Kammermusik geschult wird – das aufeinander Hören, die flexible Reaktion der Musiker aufeinander –, soll auf die Oper übertragen werden. Mozarts elegante, spielerische, dabei höchst differenzierte Musik mit ihrer breiten expressiven Palette ist dafür in den Augen Werbas am besten geeignet.

Das Ergebnis der kurz und intensiv gedachten Probenphase ließ sich hören: Wie etwa die Bläser – Werba selbst hat sie betreut – ihren Ton auf die Streicher einstellen, den Klang aus dem Moment heraus entwickeln und auf den Moment hin abmischen, ohne ihn auf die Streicher aufzusetzen, hat eine Klasse, die sonst nur erfahrene Ensembles – und in Vollendung eben die Philharmoniker – erreichen. Den Streichern geht historisierende Blässe ab; sie entwickeln Klang und Phrasierung, durchgestaltete Tongebung und Homogenität nach dem Wiener Ideal und erreichen, von Günter Seifert einstudiert und in den ersten Violinen bei der Aufführung begleitet, ein respektables Niveau. Vinzenz Praxmarer sucht einen wendigen, eher fülligen als luftigen Mozart-Klang, hindert saftige Farben nicht, sich zu ergießen. Er neigt aber wie so viele Dirigenten heute dazu, bei angezogenen Tempi das Metrum bisweilen arg steif statt lebendig atmend aufzufassen. Doch beim Hören ist zu konstatieren: Ziel erreicht.

Auch das Gesangsensemble braucht sich nicht zu verstecken. Mit Vito Lattarulo hat es einen Begleiter, der die Rezitative mit dem feinen Klang eines Hammerklaviers federleicht und apart verziert stützt. Dass die jungen Sängerinnen und Sänger noch viel zu lernen haben, fällt bei einem durchweg hohen professionellen Niveau vor allem in Details auf, etwa bei gaumigen oder halsigen Vokalen, schüchternem Rückzug auf Sicherheit statt auf Flexibilität (und damit Risiko) in der Tonbildung, oder manchen wohl eher aus Angst denn aus mangelndem Bewusstsein unzureichend gestützten Momenten.

Vor allem gilt es zu lernen, sich mit der Figur zu identifizieren und aus dem inneren Bezug zu Charakter und Situation Farben und Schattierungen in der Stimme zu entwickeln – ein Prozess, der kontinuierliche Arbeit auf der Bühne voraussetzt. Da ist es den beiden regieführenden Darstellern Rita-Lucia Schneider (selbst Mezzosopran mit bezwingender Bühnenpräsenz) und Wolfgang Gratschmaier (als Sänger unter anderem an der Volksoper bekannt, als Regisseur in Oper und Operette erfahren) nicht immer gelungen, die jungen Leute zu animieren, sich freizuspielen. Dazu bräuchte es eingehendere Proben und die innere Freiheit, die aus einer souveränen Selbstvergewisserung entspringt – und die bei Studierenden, die sich auf ihre Stimmen konzentrieren, nicht ohne weiteres erreichbar ist. Kein Problem, denn genau das sollen sie in solchen Produktionen ja lernen.

Vokal souverän, nicht verlegen um die Tiefe und im Legato wie in der Koloratur gut gebildet, macht die Stimme von Xin Wang (Fiordiligi) rundum Freude. Anna-Katharina Tonauer als Dorabella steht ihr nicht nach: Die gebürtige Innsbruckerin, Absolventin der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, wird die Partie in Kürze bei ihrem Erstengagement am Münchner Gärtnerplatztheater wieder singen. Sie verfügt über einen klangvollen Mezzo, der leicht und ansprechend beweglich geführt ist, vokale Gesten nuancenreich gestalten und die innere Gestimmtheit der Figur in subtilen Färbungen durchscheinen lassen kann.

Mit Nataliya Stepanyak wirbelt eine Despina über die Bühne, die ein szenisches Naturtalent mitbringt, das die Regie nicht wecken, aber domestizieren muss. Vor allem ist sie eine der seltenen Darstellerinnen, die sich bei Witz, Ironie und Schalk sichtlich wohl fühlen. Zur Glaubwürdigkeit trägt auch ihr Sopran bei: sprudelnd, aber nicht zu leichtgewichtig, substanzvoll, aber nicht zu üppig, auf dem besten Weg, den Klang zu reinigen und in Richtung einer belcantistischen Finesse zu entwickeln.

Erfreulich auch die Situation bei den Männern. Minsoo Ahn lässt aufhorchen: Bei ihm stimmt das Parlando und der ariose Bogen, der souveräne Sitz der kurzen Noten wie der erfüllte Klang der langen, der Atem wie die Artikulation. Käme Ahn szenisch noch mehr aus sich heraus – sein Don Alfonso wäre reif für ein größeres Haus. Mit immensem Potenzial ersingt sich auch der junge Isländer Kristján Jóhannesson die Sympathie der Zuhörer: ein klarer, mit Kontur geformter Bariton, schlank und präsent im Ton, wendig in der Artikulation. Und mit Hanzhang Tang komplettiert ein Tenor das Ensemble, bei dem man hört, wie sorgfältig er sich ein so exponiertes „Zugstück“ wie seine Arie „Un‘ aura amorosa“ erarbeitet hat. Die Liebe zur vokalen Nuance ist in seinem Vortrag in jeder Phrase spürbar.

Wiederholung der Aufführung am Donnerstag. 22. September, 19.30 Uhr, im Konzerthaus Wien. Karten: www.konzerthaus.at

Werner Häußner

 

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