Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SALZBURG / MOZARTWOCHE: Thomas Hengelbrock/ Balthasar-Neumann-Ensemble/ „Mozartiade“

So lange man Mozart hört, hat Corona Pause!

29.01.2021 | Konzert/Liederabende

SALZBURG / MOZARTWOCHE: Thomas Hengelbrock/ Balthasar-Neumann-Ensemble/ „Mozartiade“

So lange man Mozart hört, hat Corona Pause!

 29.1. 2021 – Karl Masek

„Wann ist das endlich vorbei?“ Mit diesem Aufschrei einer Pandemie-müden Gesellschaft titelte eine österreichische Tageszeitung heute Früh auf Seite 3.  Aushalten? Austricksen? Ein Virus, das irgendwann einfach wieder weg ist? „Träum weiter, Junge!“

Ich las (vorerst) den Artikel nicht zu Ende. Ich klinkte mich dafür  in die Streams der Mozartwoche Salzburg 2021 aus dem Großen Saal der Stiftung Mozarteum ein. So lange man Mozart hört, hat Corona Pause! Die unerschöpfliche Musikwelt des „Wolfgang Amadé“: Das wirksamste Antidepressivum, ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen! Diese Musik macht’s möglich.

Nun denn. Das Balthasar-Neumann-Ensemble und Thomas Hengelbrock sollten den Anfang machen. Unbegreiflich, unfassbar der Klangeindruck der Ersten Symphonie des Achtjährigen, KV 16!

Ich erinnere mich an ein Interview mit Karl Böhm, das dieser in bereits hohem Alter anlässlich seiner Gesamtaufnahme aller Mozart-Symphonien gegeben hat. Vielleicht war es in einer der Fischer-Karwin-Sendungen „Aus Burg und Oper“? Auf jeden Fall: Da fiel es einem Dirigenten, der damals als einer „der“ Mozart-Dirigenten galt (und der selber glaubte, über Mozart alles zu wissen), wie Schuppen von den Augen: Noch nie hatte er zuvor KV 16 dirigiert, und er merkte fassungslos und wie er selbst zugab, zu Tränen gerührt, dass in diesem Werk des Kindes schon musikalische Wendungen und die mystische Klanglichkeit der „Zauberflöte“, des Requiems, wetterleuchteten, ja  vorweg genommen scheinen! „Im Schreiten des Andante-Satzes spürt man die Apokalyptischen Reiter“, so drückte der alte Böhm damals tiefe Ergriffenheit aus….

Diesen Ausspruch wieder  im Ohr, hörte ich gleich ganz anders in dieses Kindheitswerk hinein. Thomas Hengelbrock stürzte sich mit seinem großartigen  Balthasar-Neumann-Ensemble sozusagen kopfüber in das „taaa, taaa, tatatatatatatata, tata!“ des Molto allegro-Satzes. Er traf auch das geheimnisvolle Pianissimo des Andante, so als würde der Achtjährige während der Komposition von weit weg und verschwommen die punktierten Rhythmen eines Trauermarsches aufnehmen. Magische Momente! Ein übermütiges Presto-Finale beendete dieses singuläre Werk von kaum 15 Minuten.

Mowo2021 Konradi Hengelbrock C Wolfganglienbacher 1202
Katharina Konradi, Thomas Hengelbrock. Foto: Wolfgang Lienbacher

Die junge Sopranistin Katharina Konradi stellte sich mit einem „Best of“ von Mozart-Arien ein.  1988 in Kirgistan geboren, lebt sie nun in Deutschland, ist an der Hamburgischen Staatsoper engagiert.  Ännchen („Der Freischütz“), Zdenka („Arabella“), Sophie („Der Rosenkavalier“) und sehr viel Mozart selbstverständlich zählt sie bisher zu ihrem Kernrepertoire. Man horcht auf. Da ist schon viel an Silbertönen, an unfehlbarer Intonation und inniger Gestaltungskraft, bei unprätentiöser, natürlicher Singweise. Die Rosenarie aus „Le Nozze di Figaro“: träumerisch duftig und – dank Hengelbrocks Tempogefühl – nicht verschleppt wie so oft im Opernrepertoire. „Ach, ich fühl’s…“: eine ideale Paminen-Stimme, tränenlose Trauer, tiefes Gefühl, ohne larmoyant zu werden oder jeden einzelnen Ton mit zu langen Fermaten „anzureichern“. Auch hier natürlicher Fluss in den Tempi. Großartig, wie sensitiv  Fagott, Oboe, Flöte mit“singen“! Und Zerlinas „Batti, batti“, wenn sie den verprügelten Masetto zärtlich, zugleich ziemlich ironisch-neckisch tröstet: Auch hier bringt der schön timbrierte Sopran neue Klangnuancen ein. Ihr bin ich geneigt, eine schöne Karriere zu prophezeien.

Die Jupiter-Symphonie, C-Dur, KV 551 hatte imperialen Glanz und alle Feinheiten und Kunststücke genialer Kontrapunktik. Chapeau, Thomas Hengelbrock, eine Sonderovation dem gesamten Orchesterkollektiv!

Mowo2021 Mozartiade Bashkirova Peter C Wolfganglienbacher 296
Elena Bashkirova, Mauro Peter. Foto: Wolfgang Lienbacher

Die „Mozartiade“ war ein besonders feiner Liederbeitrag  in diesen Tagen. Elena Bashkirova war am Klavier die Seele und das Kraftzentrum, die ideale, kongeniale Mitgestalterin (sie als Begleiterin zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung!). Sie verstand es, auf die Timbres und Persönlichkeiten der Sängerinnen (Sylvia Schwartz, Magdalena Kožená) und des Sängers (Mauro Peter) sensibel einzugehen.

Mowo2021 Mozartiade Bashkirova Kozena C Wolfganglienbacher 557
Elena Bashkirova, Magdalena Kozena. Foto: Wolfgang Lienbacher

Ein bunter Liederstrauß, aber dramaturgisch sehr geschickt im Aufbau und keineswegs willkürlich ausgewählt, waren  die Mozart’schen Kleinodien aus den verschiedensten Schaffensperioden.

Die Sopranistin Sylvia Schwartz, die ein anfänglich etwas flackerndes Vibrato rasch in den Griff bekam, sang nicht die „Ode an die Freude“, sondern das Lied An die Freude, KV 53 aus Mozarts Kinderjahren. Sehnsucht nach dem Frühling, KV 596, reizte innerlich, bestimmte Textpartikel zu ändern.“Komm, lieber Mai und mache…“, „…wie möcht ich doch so gerne…“ weckte die Assoziation mit der Sehnsucht, endlich wieder zu einer Nach-Corona-Normalität zurück zu finden.

Aber sofort wieder der der Fokus auf Sylvia Schwartz, z.B. auf das originelle Lied, mehr schmerzlich als ironisch, Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte, KV 520.

Auf Magdalena Kožená mit dem süß-herben Mezzosopran und das Lied Der Zauberer, KV 472. Bei ihr spielten sich die emotionalen Inhalte auch in besonderer Weise in Gesichtsausdruck und Körpersprache ab.

Und schließlich auf den  Mozarttenor mit Edeltimbre und besonderer stilistischer Kompetenz: Mauro Peter (vom bukolischen Im  Frühlingsanfange“, KV 597 als unmittelbare Fortsetzung des Ohrwurms  „Komm, lieber Mai“ über das schwärmerische   An Chloë, KV 524 zum Lied der Freiheit, KV 506. Natürlich mit der Gefahr des Abschweifens zum derzeitigen  Thema aller Themen, zu einer neuen Freiheit.

Auch bei diesem Programm gelang es, auf zauberische Weise eine Konzertatmosphäre zu kreieren, als wäre Publikum live dabei. Wieder einmal: Danke dafür aus dem „Home-Saloon“. Auf dass „Träum weiter, Junge!“ für eine Normalität nach der Pandemie und einer normalen Mozartwoche 2022 kein bloßer Traum bleiben möge!

Vielleicht lese ich den Artikel doch noch fertig.

Karl Masek

 

 

 

 

Diese Seite drucken