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SALZBURG: GAWAIN von Harrison Birtwistle

09.08.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Salzburger Festspiele: Gawain 8.8.2013


Gawain, im Endzeitstadium erstarrt. Foto: Barbara Gindl/ Salzburger Festspiele

 In dieser mittelenglischen Rittergeschichte geht es um Sir Gawain, der einem Grünen Ritter auf dessen Wunsch den Kopf abhaut. Als Gawein sich nach einem Jahr derselben Prozedur seitens des Ritters unterziehen soll, schlägt diese fehl, da Gawain sich durch eine Wunder-Schärpe, die er von der Frau des grünen Ritters vorher erhalten hat, vor dem Tod geschützt ist. Er kehrt an den Artus-Hof zurück, verweigert sich aber, aus dieser Akltion lebensklug geworden, den stürmischen Fragen nach seinen Abenteuern. Diese Oper, die Harrison Birtwistle 1991 für London für großen Orchesterapparat schrieb, ist ein gewaltiges Klangereignis; alle Mittel moderner Orchestration werden zur Illustrierung dieser gewalttätigen bösen Geschichte, die aber auch von abgewiesener Minne erzählt, eingesetzt.

Ingo Metzmacher dirigiert das RSO Wien, und mit seiner Neue-Musik-Erfahrung gelingt es ihm, die Oper musikalisch spannend aufzubereiten. Regisseur Alvis Hermanis (auch Bühne) hat daraus ein Endzeitdrama destilliert, das besonders im 1.Akt, wo der Niedergang an Artus‘ Hof in die 20er Jahre dieses Jahrhunderts nach einer schweren Umweltkatastrophe, verlegt wird. Die Menschen dort sind z.T. bereits hinter die Zivilisation zurückgefallen, tragen nur noch Fetzen, die Natur überwuchert aufgetürmte Schrottwägen, an einem alten Klavier sitzt ein Leichengerippe, Hunde weiden Verstorbene aus. All dies wird auf der langen schmalen Bühne der Felsenreitschule gezeigt, und erst, wenn der grüne Ritter durch ein blinkendes Fabriktor auf seinem Pferd hereingeschoben wird, ergibt sich konkrete Handlung, da vorher Reflexion und Kommentierung in Gestalt zweier auch ganz grün erscheinenden Frauen die Oberhand hatte. Gawain stellt sich dem grünen Ritter mit Filzhut als der Künstler Joseph Beuys entgegen. Die Hauptabschlagung wird mit einer elektrischen Säge wiederholt, und der Kopf von der Artusrunde aufgespießt herumgezeigt. Hermanis verbindet also mit Gawain die Künstlerfigur Beuys, da er auch wie ein Parsifal moralisch handle, sich von der Frau des Grünen Ritter nicht verführen lasse und nicht mit ‚Abenteuern‘ prahle. Es geht also um die integere Persönlichkeit, weniger die künstlerische.

In den Kostümen Eva Desseckers kommen alle Protagonisten, aber auch die SchauspielerInnen lemurenhaft zur Geltung, die bis hin zu Veitstänzen immer in grotesker Bewgung sind. Videos von überfluteten Schiffshäfen verstärken noch die apokalyptische Wirkung.

Der Salzburger Bachchor singt an eingen Stellen floskelhaft das lateinische Requiem aus dem Off. In Nebenrollen singen Brian Galliford (tenoraler Narr), Evan Ludloff (Agravain) und Alexander Sprague (Yvain). Andrew Watts gibt den Bishop Baldwin mit expressiv durchdringendem Counter. Hier kommt auch Gun-Brit-Barkmin mit ebenfalls expressivem durchschlagendem jugendlich dramatischem Sopran zum Einsatz. Einen exzellent englischen Tenor stellt Jeffrey Lloyd-Roberts als König Artus. Lady de Hautdesert wird von Jennifer Johnston mit gefühlvollem Mezzo gesungen, auch wenn ihr Bemühen um Gawein fruchtlos verbleibt. John Tomlinson gibt einzigartig den grünen Ritter mit seinem dunkel dräuenden, noch voluminösen Bass, auch wenn die höheren Töne schon etwas brüchig erscheinen. Als Morgan le Fay kann Laura Aikin wieder traumhaft hohe Gesangslinien beisteuern, und sie wirkt mit verrutschter Allongeperücke als Gefährtin der Hautdesert ganz hetärenhaft. Eine prachtvolle Studie an englisch perfektem musikalischem Schöngesang gibt der Bariton Christopher Maltman in der Titelrolle, auch wenn am Ende seine Standhaftigkeit den ‚Lemuren‘ gegenüber wie in der Warteschleife erscheint.

Friedeon Rosén

 

 

 

 

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