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SALZBURG/ Festspiele: FAUST – VON ZWERGEN UND MENSCHEN ODER FAUST IM CYBER-LOOK: GOUNOD’S OPER POLARISIERT IN SALZBURG – Premiere

11.08.2016 | Oper

Grosses Festspielhaus

VON ZWERGEN UND MENSCHEN ODER FAUST IM CYBER-LOOK: GOUNOD’S OPER POLARISIERT IN SALZBURG – Premiere ( 10.8.2016 )


Copyright: Salzburger Festspiele

Über Geschmack lässt bekanntlich streiten. Und so wurde die Übersiedelung der Oper von Charles Gounod  nach Johann Wolfgang von Goethes  „Faust I“ in eine Cyber-Raumkapsel  durch den Regisseur und Ausstatter Reinhard von der Thannen von den Einen als Avantgarde-Event gefeiert und von Anderen vehement  ausgebuht. Statt Menschen agieren Zwerge und Clowns, verwandeln sich Unisex-Gestalten zu faschistischen Marionetten. Faust ist zu Beginn ein glatzköpfiger „Wurstel“ und das Leitmotiv ist „Rien“, es könnte von Satre sein. Und zudem  wirken die Protagonisten alleingelassen, von der Thannen denkt offenbar nur in Bildern. Nein: diese Faust-Neuinszenierung wird wohl kaum in die Salzburger Chronik eingehen. Denn auch musikalisch war das Ganze sehr „durchmischt“. Ein junger unerfahrener Dirigent – Alejo Perez aus Argentinien – wirkt überfordert, kann keine Gesamt-Spannung aufbauen. Vermutlichen sind auch die Wiener Philharmoniker wenig motiviert. Und das Ganze hat auch eine teilweise  suboptimale Besetzung. Mit Ausnahme von Piotr Beczala– der polnische Tenor hatte einen großen Abend. Er bringt die Dramatik für den Beginn und das Finale auf. Er singt eine schwärmerische Kavatine mit einem strahlenden hohen C, er umwirbt Margarethe  mit Charme und erotischer Poesie. Kurzum er gehört zu den besten Vertretern der Titelrolle. Leider kann man dies von der Italienerin Maria Agresta nicht behaupten. Sie ist  als Margarethe optisch ansprechend, hat eine dunkle, samtige Mittellage. Aber die Höhe ! Praktisch alle Spitzentöne (etwa in der Juwelenarie  oder in der Verführungsszene) weisen ein irritierenden  „Klirr-Ton“ auf, im Finale kommt sie endgültig an ihre vokalen Grenzen. Wie sie mit diesem Manko Norma oder Traviata meistert, bleibe dahingestellt. 

Zum Unterschied  von  Ildar Abdrazakov als Mephisto: der russische Bass (aus Baschkirien )- er hat seine liebe Not mit der Tiefe. So  souverän er in der Höhe ist, so schwach ist er in den tiefen Stimm-Regionen. Es ist eben eine teuflische Rolle. Übrigens ist er ein fast zu sympathischer Teufel, am besten gelingt ihm auch prompt das „Ständchen“, für das „Rondo“ fehlt ihm doch das nötige  Volumen. Wirklich nicht festspielwürdig  ist der Siebel von Tara Erraught. Die irische Mezzosopranistin hat schon in Wien als Cenerentola enttäuscht. Nun durfte sie den Siebel in einer ungestrichenen  Fassung singen – mit enger Höhe, holprigem Vortrag und in einem unvorteilhaften Kostüm. Viel besser war der Valentin des  Russen Alexey Markov. Aber seine Stimme war zu dunkel, zu dramatisch, die Spitzentöne seiner großen Arie gefährdet. Ein Ärgernis auch der in Wien bestens bekannte Paolo Rumetz als Wagner. Wer entscheidet eigentlich in Salzburg die kleineren Rollen?  

Aber der Fragen sind ja viele! Wer holt einen Avantgarde-Bühnenbildner als Regisseur? Wer sucht die „leading teams“ aus? Bei Faust hatte man an der Salzach jedenfalls keine „goldene Hand“. Und Provokation allein ist nicht abendfüllend. Apropos „Provokation“. Der in Vorarlberg geborene von der Thannen wollte offenbar in erster Linie den unerträglichen „Schund“ des Soldaten-Chores entlarven. Und diese Szene machte tatsächlich Wirkung. Zu der Ohrwurm-Melodie des Soldaten-Chores („Unsterblicher Ruhm unserer Vorfahren sei uns treu. Sterben wir wie sie !“) formieren sich die seltsamen Wesen, die in der Cyber-Raumkapsel agieren. Aus Mitläufern werden Akteure, aus ehemaligen Clowns stramme Militaristen. Und da wachte der überforderte Dirigent am Pult der Wiener Philharmoniker auf und der Philharmonia Chor Wien (Leitung Walter Zeh) wuchs über sich hinaus. Für fast 4 Stunden ist dies aber  doch etwas wenig! Aber wie lautet das Logo am Beginn und am Ende: „Rien“. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Peter Dusek

 

 

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