Vera-Lotte Böcker (Autonoe / Proserpine), Nikolai Schukoff (Tiresias / Calliope), Károly Szemerédy (Captain / Adonis), Tanja Ariane Baumgartner (Agave / Venus). Copyright: Salzburger Festspiele/Bernd Uhlig
DIE BASSARIDEN (THE BASSARIDS) – Salzburg, 19.8.201
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Es war 1966, da fand im Großen Festspielhaus in Salzburg die Uraufführung von Hans Werner Henzes fünfter großer Oper, „Die Bassariden“ statt. Es war eine Koproduktion mit der Deutschen Oper Berlin, Christoph von Dohnanyi dirigierte in einer Inszenierung von Gustav Rudolf Sellner. Der Aufführung lag die deutsche Fassung von Helmut Reinold und Maria Bosse-Sporleder zu Gruinde.
Das Werk basiert auf dem Drama „Die Bakchen“ des Euripides und ist das Originallibretto in englischer Sprache von W.H. Auden und Chester Simon Kallmann, das auch in dieser Produktion verwendet wird. Die Handlung spielt in Theben und der regierende König, Pentheus, untersagt den Dionysos-Kult. Allerdings folgt das Volk gemeinsam mit dem blinden Seher Tiresias und Pentheus‘ Mutter Agaue und im Geheimen Pentheus selbst dem Verführer. Das Ende ist fatal, in dem Agaue im Wahn ihren Sohn zerfleischt.
Die Komposition war bei der Uraufführung nicht unumstritten, gaben doch damals gerade die Vertreter der Darmstädter und Donaueschinger Schule die Richtung, in welche die Musik gehen sollte, vor. Henze galt dagegen als gegenrebellischer Sündenbock. „Die Bassariden“ sind eine Oper in einem Akt nebst einem Intermezzo („Das Urteil der Kalliope“), ähneln formal allerdings einer großen Symphonie in vier Sätzen. Die Musik ist geprägt von großen, vom Schlagzeug unterstützten, Entladungen, besonders in den Chorpassagen, verfügt aber auch über wunderbar lyrische Stellen. Den Sängern gegenüber ist Henze ziemlich freundlich und sind die meisten Passagen gut singbar.
Es war nun durchaus erfreulich, dass die Festspiele das Werk wieder in das Programm genommen haben und musikalisch war die Aufführung sehr lobenswert. Das lag in erster Linie an den Wr. Philharmonikern, die, wie schon bei der Uraufführung, im Orchestergraben sassen. Sie spielten mit grossem Engagement und ungemein klangschön, besonders bei den Streichern. Kent Nagano hat das Werk hervorragend einstudiert und sorgte für einen reibungslosen Ablauf des Geschehens.
Tanja Ariane Baumgartner (Agave/ Venus), Russell Braun (Pentheus). Copyright: Salzburger Festspiele/Bernd Uhlig
Sehr gut auch die Sänger, wobei die Herren zuerst zu nennen sind. Sean Panikkar sang mit wunderbar heldisch klingender Stimme den Dionysos und war auch als Figur ungemein päsent. Russell Braun verlieh mit seinem kräftgen Bariton dem Pentheus schon allein akkustisch eine große Bühnenpräsenz. Nikolai Schukoff war ein sehr prägnant singender und gefährlicher Tiresias. Bei Willard White (Cadmos) hingegen merkt man schon etwas das Alter und auch darstellerisch blieb er etwas blass. Károly Szemerédy konnte als Hauptmann sowohl stimmlich als auch darstellerisch nur bedingt überzeugen. Tanja Ariane Baumgartner (Agaue) bemühte sich darstellerisch erfolgreich um starke Intensität und sang auch über weite Strecken überzeugend. Vera-Lotte Böcker sah als Autonoe sehr gut aus, blieb aber sowohl darstellerisch als auch stimmlich etwas blass. Ana Maria Dur ergänzte als Beroe. Der Staatsopernchor(Einstudierung Huw Rhys James) klang machtvoll.
Ärgernis des Abends war wie heute fast immer die Regie. Bereits beim Betreten des Zuschauerraums war klar, dass das Regieteam wieder einmal mit der wunderbaren Naturbühne der Felsenreitschule, die für ein Werk wie dieses prädistiniert wäre, nichts anzufangen wusste. Malgorzata Sczcesniak, verantwortlich für Bühnenbilder und Kostüme verstellte die Bühne mit einer Flucht dreier verschiedenartig eingerichteter Zimmer und bezog die Logenakarden mit Ausnahme weniger Momente überhaupt nicht in die Szene ein. Regisseur Krzysztof Warlikowski lässt das Stück natürlich nicht im antiken Griechenland spielen, sondern verlegt die Handlung in ein heutiges Nirgendwo, vielleicht befinden wir uns in einer Sekte. Seine Aussage, er möchte zeigen, dass es immer noch Volksverführer gibt, ist nur minder originell. Diese hat es immer und überall gegeben und das wurde schon unzählige Male auf dem Theater gezeigt, ist daher bereits ziemlich abgelutscht. Er spart zwar nicht mit Grauslichkeiten, lässt aber die Sänger mit ihren Rollen ziemlich allein. Ähnliches gilt für die Volksmassen, die kaum geführt sind und deren Bewegungsrepertoire sich in eingen gymnastischen Verrenkungen erschöpft. Eine Choreographie, für die ein Herr Claude Barduil verantwortlich war, konnte ich nicht erkennen.
Nachdem zur Pause der Applaus etwas ratlos klang gab es am Ende doch Jubel für die Sänger und den Dirigenten.
Heinrich Schramm-Schiessl