Jörg Schneider, Anke Vondung, Ilse Eerens, Michael Laurenz. Copyright: Marco Borelli/Salzburger Festspiele
Salzburger Festspiele/ Felsenreitschule: „Der Prozess“ von Gottfried von Einem. Konzertant am 14.8.2018
65 Jahre nach der Uraufführung in Salzburg wurde ebenda anlässlich des 100. Geburtstages Gottfried von Einems wurde in der Felsenreitschule die Vertonung des Kafka-Romans konzertant aufgeführt. Unter schwierigen klimatischen Bedingungen – es hatte gefühlte 35 Grad im Saal – wurde dem Publikum eine fabelhafte Wiedergabe des selten gespielten Werkes geboten. Wenn man das einzig Negative am Anfang erwähnen darf, dann ist es die Tatsache, dass mäßig amüsanter Text nicht besser wird, wenn er gesungen wird. Vermutlich bin ich zu konservativ, um die hanebüchene Handlung spannend zu finden, aber das tut Einems Oper qualitativ keinen Abbruch. Kleiner Einschub: Gott sei Dank, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, den „Ulysses“ zu vertonen.
Das RSO-Orchester und Heinz-Karl Gruber. Copyright: Marco Borelli/Salzburger Festspiele
Aber kommen wir zu der fulminanten musikalischen Umsetzung der Partitur (die am Ende vom Dirigenten in Dankbarkeit dem Jubilar gegenüber geküsst wurde), eines Werkes, das alles bietet, was man als Musikfreund erwartet, vielfältige Musik, die auch Swing- und Jazzelemente beinhält, ihre stärksten Momente aber in den symphonischen Passagen hat. Ein hervorragend spielendes Orchester, das RSO ist wohl einmalig prädestiniert, moderne Musik zu interpretieren. Jede Orchestergruppe bot Herausragendes, Streicher, Bläser, Schlagzeuger waren gleichermaßen am großen Erfolg des Abends beteiligt. Heinz Karl Gruber, ebenfalls Spezialist der Moderne, war ein exzellenter Leiter, der es bestens verstand, den Klangkörper mit präzisen Einsätzen, wohldosiertem Wechselspiel aus Lyrik und Dramatik zu Bestleistungen zu animieren.
Jörg Schneider, Anke Vondung, Matthäus Schmidlechner. Copyright: Marco Borelli/ Salzburger Festspiele
Hervorragend besetzt war auch das Sängerensemble. An der Spitze der Interpret des Josef K, Michael Laurenz. Atemberaubend sicher bewältigte er die mörderisch schwere Rolle, sein Dauereinsatz muss ihn an die Grenzen der Belastbarkeit geführt haben. Man darf natürlich keinen Schöngesang erwarten, das widerspräche dem Wesen dieses Anti-Helden. Aber seine Gefühlswelt zwischen Aufsässigkeit, und letztendlich Resignation stellte er mit allen stimmlichen Mittel sehr glaubwürdig dar. Auch Ilse Eerens konnte in den Frauenrollen reüssieren, ihr kräftiger, sicher geführter Sopran ist ja schon im Theater an der Wien positiv vermerkt worden. Stützen des Ensembles waren auch Lars Woldt mit dem für ihn typischen schwarzen Bass, aber auch Jochen Schmeckenbecher, Johannes Kammler, Jörg Schneider und Matthäus Schmidlechner trugen wesentlich zum Gelingen des Abends bei.
Das Publikum war begeistert, Applausorgien wurden den Musikern verdientermaßen zuteil.
Johannes Marksteiner