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ROSENHEIM: DIE LUSTIGEN WEIBER AUS WINDSOR von Carl Ditters von Dittersdorf

29.09.2012 | KRITIKEN, Oper

Köstliche Opernrarität in Rosenheim: „Die lustigen Weiber aus Windsor“ von Carl Ditters von Dittersdorf (Vorstellung: 28. 9. 2012)


Yvonne Steiner, Doris S. Langara und Thomas Huber (von rechts) in der bunt-fröhlichen Inszenierung in Rosenheim (Foto: Pauls Jancso)

Eine kleine Opernsensation fand vor wenigen Tagen in Rosenheim statt, wo im Stucksaal des Ballhauses vom „Verein Erlesene Oper“ „Die lustigen Weiber aus Windsor“ von Carl Ditters von Dittersdorf (1739 – 1799) aufgeführt wurde. Georg Hermansdorfer, seit 30 Jahren Musiklehrer an der Rosenheimer Mädchenrealschule, rekonstruierte in fast dreijähriger Puzzlearbeit die komische Oper in zwei Akten, die 1796 im Theater der Residenz Oels uraufgeführt worden war und von deren Partitur die einzige Abschrift in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden liegt, die allerdings durch massive Wasserschäden fast zerstört war.

 Der in Wien geborene Karl Ditters erhielt seine Schulbildung bei den Jesuiten, lernte mit sieben Jahren Geige und spielte in der Kirche auf der Freyung. 1763 begleitete er Gluck nach Italien, zwei Jahre später wurde er Kapellmeister beim Bischof von Großwardein in Ungarn, wo er geistliche Werke komponierte. 1770 trat er in die Dienste des Fürstbischofs von Breslau, Graf Schaffgotsch. Auf Ditters’ Initiative entstand auf dessen Schloss Johannisberg in Schlesien ein Theater, für das er elf Buffo-Opern verfasste. 1773 erhielt er von Kaiserin Maria Theresia seinen Adelsbrief und sollte in Wien als Nachfolger Leopold Gassmanns kaiserlicher Kapellmeister werden, zog es aber vor, in Johannisberg zu bleiben. 1786 brachte er in Wien sein Singspiel Doktor und Apotheker zur Aufführung, mit dem er seinen größten Erfolg feierte, was ihm mehrere Auftragsarbeiten einbrachte. 1793 wechselte er als Kapellmeister nach Oels, wo Herzog Friedrich August von Braunschweig ein Hoftheater errichtet hatte, für das Ditters von Dittersdorf rund zehn Singspiele komponierte. 1799 starb er, schwer gichtkrank, im böhmischen Schloss seines Gönners, des Barons Ignaz von Stillfried.

 Der Inhalt der Oper, deren Libretto Georg Christian Römer nach Shakespeares Komödie verfasst hatte, in Kurzfassung: Der verschuldete Ritter Hanns Falstaff glaubt, bei den verheirateten Frauen Wallauf und Ruthal durch seine Ausstrahlung ein Stelldichein erreichen zu können, um so neben Zärtlichkeiten auch an Geld zu kommen, da ihm seine Gläubiger keinen Zahlungsaufschub mehr gewähren wollen. Um den Ritter von seiner Überheblichkeit zu kurieren, laden ihn die empörten Ehefrauen zu einem Schäferstündchen ein. Als sie ihn vor dem eifersüchtigen Wallauf verstecken müssen, zwingen sie ihn in einen Wäschekorb. – Luise, Wallaufs Tochter aus erster Ehe, liebt Warnek, soll jedoch eine bessere Partie machen. Sie lernt Falstaff in der Waschküche kennen, als sie beide dort eingesperrt sind. Der Ritter zeigt sich von seiner edlen Seite und bringt die Liebenden zusammen. Er wird jedoch im zweiten Finale, im Wald als Hirsch verkleidet, bloßgestellt und dem Gelächter der Öffentlichkeit preisgegeben.

 Georg Hermansdorfer, der neben der musikalischen Leitung, auch Regie führte, gelang eine sehr komödiantische Inszenierung, bei der sich das Publikum blendend unterhielt. Durch seine gute Personenführung vermied er jeglichen Klamauk. Sein Orchester des Vereins Erlesene Oper, das vorwiegend aus nebenberuflichen Musikern besteht, dirigierte er so engagiert und einfühlsam, dass die einfallsreiche und liebliche Musik des Komponisten, die oft an Gluck erinnerte, ausgezeichnet wiedergegeben wurde. Schon die farbenreiche Ouvertüre begeisterte das Publikum, das im Laufe des mehr als dreistündigen Opernabends noch des Öfteren mit Szenenapplaus aufwartete.

 Erfreulich auch das ausgewogene junge Sängerensemble, aus dem das Frauenquartett besonders hervorstach – und das nicht nur, weil alle vier Damen außerordentlich hübsch waren, sondern auch exzellent ihre Rollen spielten und sangen. Allen voran die von der Neuburger Kammeroper bereits bekannte Sopranistin Yvonne Steiner, die als Wallaufs Tochter Luise ihre Koloraturen wunderbar perlen ließ und durch ihr Mienenspiel faszinierte. Ebenso stimmlich wie schauspielerisch überzeugend die Sopranistin Doris S. Langara in der Rolle der listigen Madam Wallauf und die Mezzosopranistin Sonja Bühling als resche Madam Ruthal. Blendend gesungen und gespielt ihr Duett im zweiten Akt. Köstlich auch die Sopranistin Elisabeth Gellner als verschmitzte Gastwirtin und später als reizendes Zimmermädchen, deren ausdrucksstarke Mimik beeindruckte.

 Die dankbare Rolle des trinkfesten, dickbauchigen Ritters Falstaff gestaltete der Bariton Werner Perret auf sympathische Weise liebevoll komödiantisch. In jenen Szenen, in denen die Frauen ihn arg zerzausten, kam bei manchem Zuschauer Mitleid mit ihm auf. Ebenso mit dem jungen, aus Bozen gebürtigen Tenor Thomas Huber, der als Warnek verzweifelt und lange Zeit erfolglos mit Luises Vater um die Einwilligung zur Hochzeit kämpft. Er beeindruckte mit seiner lyrischen Stimme, die ihn zu größeren Aufgaben befähigen sollte.

 Der Kaufmann Wallauf, Luises Vater, wurde vom Bariton Andreas Fimm äußerst temperamentvoll und stimmkräftig dargestellt, wobei er als eifersüchtiger Ehemann auch seine komödiantische Ader bewies. Als sein Bruder Ruthal kehrte der junge Tenor Tobias Gründl zu sehr das Tollpatschige seiner Rolle heraus, konnte aber stimmlich voll überzeugen. Die drei lästigen Gläubiger Falstaffs wurden von den Tenören Helmut Wiesböck und Gerhard Meisinger sowie vom Bariton Martin Zimmerer rollengerecht dargestellt. Zu nennen wären noch die in zarten Farben gehaltenen Bühnenprospekte (Malerei: Otto von Kotzbue), deren Umbau zwischen den Szenen zwar einige Zeit benötigte, die aber für das nötige Kolorit der Aufführung sorgten.

 Das beifallsfreudige Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit tosendem Applaus, den Dirigenten, Regisseur und Vorstandsvorsitzenden des „Vereins Erlesene Oper“, Georg Hermansdorfer, verdientermaßen mit Standing Ovations. Es ist ihm zu wünschen, dass seine musikalischen Pläne und hochgesteckten Ziele – für 2013 ist der Beginn der Reihe Oper am Klavier mit „Scherz, List und Rache“ von Max Bruch nach einem Libretto von Goethe geplant – in Erfüllung gehen.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

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