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Richard Danielpour: SONGS OF SOLITUDE, WAR SONGS, Thomas Hampson – NAXOS CD der Serie „American Classics“ – Weltersteinspielungen

26.10.2016 | cd

Richard Danielpour: SONGS OF SOLITUDE, WAR SONGS, Thomas Hampson – NAXOS CD der Serie „American Classics“ – Weltersteinspielungen

Look down, fair moon, and bathe this scene; pour softly down night‘s nimbus floods, on faces ghastly, swollen, purple; On the dead, on their backs, with their arms toss‘d wide, pour down your unstinted nimbus, sacred moon“  Walt Whitman

dani

Als Antwort auf die Ereignisse von 9/11 schrieb der bekannte amerikanische zeitgenössische Komponist Danielpour kurz nach dem 11.9.2001 einen Zyklus von sechs Orchesterliedern nach Gedichten von William Butler Yeats, die „Gesänge der Einsamkeit“. In einem meditativen Prolog mit liturgischen Anklängen à la Pärt wird melancholisch über die Zeiten des Kriegs meditiert. Ganz anders im zweiten Gesang „Blood and the moon“, wo ein mächtiges Orchester und eine betonte brutale Rhythmik dem Solist Gelegenheit gibt, sich sarkastisch gegen den Missbrauch blutiger arroganter Macht aufzulehnen. Im „Drinking Song“ fragt sich unser Held, ob Weisheit das Eigentum der Toten und mit dem Leben unvereinbar sei? Fast musicalhaft wie in der West Side Story beginnt der vierte Song „These are the Clouds“. Wolken legen sich über die untergehende Sonne, der Majestät, die angesichts der Gräuel ihr brennendes Auge schließt. Das fünfte Lied „The Second Coming“ spannt einen weiten ruhigen kontemplativen Bogen um die wahrlich kluge Frage, warum es den besten an Überzeugung mangelt, während die Übelsten vor passionierter Intensität nur so glühen. Gespenstisch beginnt sich die Sphinx zu bewegen und der Erzähler sinniert, ob das Biest nach Bethlehem kriecht, um dort nach 20 Jahrhunderten Schlaf geboren zu werden. Im ruhig ausklingenden Epilog wird getrauert, dass bei all dem Tod durch Brand und flammenden Atem alle Antinomien aufgehoben werden in der Reue des Herzens und Vergehen alles Irdischen. „But if these be right, what is joy?“

Thomas Hampson, der Sänger der Uraufführung vom 22.10.2004 in Philadelphia,  ist auch 2015 der ideale Künstler, um der poetischen und inhaltlichen Wucht dieses Zyklus in allen Facetten gerecht zu werden. Der herbstlich getönte Luxusbariton passt bestens zu den mehrheitlich transparent instrumentierten Liedern. Sein Vermögen, das Wort in sinnlichen und sinnvollen Klang zu gießen, ist nach wie vor exemplarisch. Die Träne im Timbre ist selbst dort gewahrt, wo das Schicksal angeklagt und der blutige Lauf der Menschheit mit staunendem Unglauben konfrontiert wird. Richard Danielpour hat zu den Yeats-Gedichten höchst sangbare Musik geschrieben. Wenngleich da und dort Anklänge an musikhistorische Vorbilder auszunehmen sind, ist es dennoch eine unverkennbar amerikanische Musik mit hoher Dichte und Intensität geworden. Schöner wurde in Musik noch kaum getrauert.

Auslöser für den zweiten Zyklus „War Songs“ waren Fotos von jungen Männern und Frauen, die im Irak Krieg getötet wurden. Danielpour hat den Zyklus nach Texten von Walt Whitman im Auftrag des Nashville Symphony Orchesters zur Erinnerung an das 150 jährige Ende des Bürgerkrieges geschrieben. Sparsamer an Mitteln und Drastik im Vergleich zu den Songs of Solitude, gleicht der Zyklus   einem modernen 5-sätzigen Requiem. Die musikalische Antwort zur universellen Botschaft des Todes durch Kriege, des menschlichen Leids, der Trauer ohne Fass und Boden findet ihren Höhepunkt im berührenden fünften Gesang „Come up from the Fields Father“ mit obligater Cellobegleitung (herausragend: Anthony LaMarchina). Eine Frau holt ihren Mann vom Feld, um mit ihm den gerade eingetroffenen Brief ihres Sohns Pete von der Front zu lesen. Er ist verwundet und tröstet die Eltern damit, das es ihm bald besser gehen wird. Aber zu diesem Zeitpunkt ist er schon tot. Die Mutter, die das spürt, sehnt sich nichts sehnlicher als unbemerkt aus dem Leben schwinden und ihrem toten Sohn zu folgen zu können. Wie Thomas Hampson diese Gesänge mit unendlichem Legato, wissender Hingabe und musikalischer Finesse sondergleichen vorträgt, lässt staunen. Ein vokales Monument an menschlicher Würde und Kraft.

Als Abschluss zwar interessant zu hören, aber inhaltlich nicht zwingend das orchestrale Porträt New Yorks, „Toward the Splendid City“, das Richard Danielpour 1992 in Seattle und New Mexico verfasst hatte. Getrieben, wie er selbst sagt, von seiner Hassliebe zu New York, ist eines jener bunten musikalischen Statements zu dieser mythischen Stadt entstanden, schwungvoll und nostalgisch, pauschal und mit klingenden genreartigen Details zugleich; musikalisch letztlich doch dem „American Dream“ verhaftet.  

Auf jeden Fall ist das Nashville Symphony unter der einfühlsamen Leitung von Giancarlo Guerrero ein optimal disponierter Klangkörper, dessen Tugenden in der technisch hervorragend aufgenommenen CD voll zur Geltung kommen können.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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