Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

RETZ/ Kirche: THE PRODIGAL SON von Benjamin Britten

09.07.2013 | Oper

Retz: “THE PRODIGAL SON” – 7.7. 2013 (Pr. 4.7.)

Benjamin Brittens “Third parable for church performance” – hier wurde die Idee mit dem Segen der Kirche und – an diesem Tag – einem profunden Einführungsvortrag von Pfarrer Clemens Beirer wahrgemacht. Schließlich ist der erste Textautor der Evangelist Lukas, Brittens Librettist Willliam Plomer hat ihn nur auf Einakter-Länge (70 Minuten) gestreckt. Plomer wurde von Britten zu dem Libretto gedrängt, nachdem der Komponist das Gemälde von Rembrandt in der Eremitage von St. Petersburg gesehen hatte. Gesungen wurde – gut verständlich – der englische Originaltext.

Von Plomers Idee des Noh-Theaters ist in dieser wundervollen Inszenierung (im Gegensatz zur Aufführung in der Kammeroper) zum Glück nicht allzu viel hängen geblieben. Die Handlung wird einigermaßern realistisch in dem gut in den Kirchenraum hineinkomponierten Bühnenbild vom Intendanten Alexander Löffler in der exzellenten Inszenierung von Monika Steiner gezeigt. Due Regisseurin hat alle Empfindungen der handelnden Personen deutlich herausgearbeitet, sodass man wirklich an deren Schicksal Anteil nehmen konnte.

Die Chorausführung bedeutet nicht nur würdevolles Schreiten zu den lateinisch gesungenen, gregorianischen Choralklängen am Anfang und am Schluss, sondern auch das Übernehmen verschiedener Rollen: hier ist das Labyrinthe vocalensemble samt den Chorkindern und dem Chor Retz (Akolythen) sehr wesentlich am Gelingen der Oper beteiligt. Solisten und Chorsänger gestalten ihre Rollen hervorragend.

Vier große Rollen gibt es, drei davon im Familienverband. Als Rolle, aber auch stimmlich, hat mich der Vater von Michael Kraus am meisten beeindruckt. Seine voluminöse, wohlklingende Bassstimme strömt mächtig durch die Kirche mit ihrer herrlichen Akustik und man wünscht sich, so (gewesen) zu sein wie er. Michael Kraus ist der Vater, er spielt ihn nicht nur: seine Offenheit, sene Besorgnis, seine Güte, sein Verzeihen. Der ältere Sohn, Günter Haumer mit tragfähigem Bariton, ist der brave, aber vorwurfsvolle Sohn, der sich erst ganz an Ende mit dem „verlorenen“ Bruder zu versöhnen bereit ist. Der jüngere Sohn, Daniel Johannsen, in natura schon 35 Jahre alt, kann aber mit seinem frischen Tenor einen zuerst rebellischen, dann verzweifelten und zuletzt dankbaren Teenager gut darstellen.

Stephen Chaundy zieht zu Beginn schon als Versucher in dessen Gewand unter der Mönchskutte ein, am Schluss, als mit der Heimkehr des verlorenen Sohnes seine Rolle ausgespielt ist, ist er dann wieder der Abt, hält eine Predigt über die Moral von der Geschichte und segnet die Versammlung, worauf alle mit dem Anfangschoral wieder ausziehen. In einem wunderbaren pianissimo verklingt der Mönchsgesang in der Ferne.

Andreas Schüller leitet das Instrumentalensemble, bestehend aus Flöte, Schlagwerk, Harfe, Viola, Bass, Horn und Trompete, und bedient auch die Orgel. Damit erreicht Britten eine geradezu unglaubliche Aussagekraft, die sowohl dem christlichen Ritual als auch den Seelenzuständen der einzelnen Personen gerecht wird.

Man fragt sich, welche Kirchenoper wohl nächstes Jahr dieses Britten-Ereignis übertreffen kann…

Hans Peter Nowak

 

Diese Seite drucken