Rendsburg: Landestheater beeindruckt mit „Sunset Boulevard“. Premiere am 4.4.2015
Von Horst Schinzel
Foto SHLandestheater
Das Landestheater Schleswig-Holstein kämpft um das nackte Überleben. Die Stadt Schleswig will zur Jahresmitte seine Gesellschafter-Anteile kündigen. Sie wird bald keine Spielstätte mehr zur Verfügung stellen können. Schon jetzt ist dort im „Slesvig-Hus“ nur Sprechtheater möglich. Irgendwie wird die Bühne – die derzeit den ganzen Landesteil Schleswig, Rendsburg und Itzehoe bespielt – völlig neu aufgestellt werden müssen. Schön, wenn in solch kritischer Lage die Verantwortlichen den Mut zu Glanzleistungen finden.
Und das ist die Produktion von Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“ : Eingesponnen in eine Traumwelt der Erinnerungen an ihre Glanzzeit als Stummfilmstar lebt Norma Desmond in ihrer Villa am „Boulevard der Dämmerung“. 1949 – der Tonfilm hat längst seinen Siegeszug angetreten – hofft sie unverdrossen auf ein Comeback. Max von Mayerling, ihr Butler und früherer Ehemann, pflegt diese Illusion, indem er hingebungsvoll Fanbriefe verfasst und dadurch verschleiert, dass die Welt Norma Desmond längst vergessen hat.
Als sich der Drehbuchautor Joe Gillis auf der Flucht vor Gläubigern in ihren Park verirrt, entwickelt sich eine gefährliche Liebschaft, ein Drama aus Heuchelei, gegenseitigen Abhängigkeiten und gnadenlosem Ausnutzen von Schwächen, das in einem überraschenden tragischen Showdown endet.
Erfolgskomponist Sir Andre Lloyd Webber fand in Billy Wilders Filmklassiker „Boulevard der Dämmerung“, einer sarkastischen Abrechnung mit Hollywoods Erfolgsmaschinerie, die perfekte Vorlage für ein bittersüßes Musical über maßlose Eitelkeit und unstillbare Sehnsüchte. Seit der Uraufführung 1993 am Londoner West-End wurde „Sunset Boulevard“ mit Preisen überschüttet – nicht zuletzt für die Musik, die mit großen Balladen wie „Nur ein Blick“ oder „Als hätten wir uns nie Goodbye gesagt“ und fetzigem Swing die Zeit der goldenen Jahre Hollywoods wieder aufleben lässt.
Dies geschieht im Theater Rendsburg mit einer kopfstarken Truppe in der Inszenierung von Markus Hertel, dem fantasievollen Bühnenbild von Andrea Eisensee und der Choreografie von Katharina Torwesten unter der musikalischen Leitung von Peter Geilitz . Als alternde Norma Desmond überzeugt Svitlana Slyvia. Aber auch die übrigen Mitwirkenden wie Nicholas Shannon, Camilla Lehmeier, Karl-Moritz von Blankenburg, Martin Holtgreve, Markus Weslack und Tina Marie Herbert gefallen – obwohl an sich Opernsänger- durch Gesang, Bewegung und Darstellung. Den viel beschäftigten Chor – dessen Angehörige mehrere kleinere Rollen übernehmen müssen – hat Bernd Stepputtis einstudiert. Die bunten Kostüme verantwortet Martina Lüpke. Das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester schwelgt in Andrew Lloyd Webbers Melodien.
Das Publikum ist sehr beeindruckt und geizt nicht mit Beifall.