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PIRNA-GRAUPA/ Schloss: PETER RÖSEL AM KLAVIER MIT „IMPRESSIONEN AUS PARIS“

29.10.2018 | Konzert/Liederabende

Pirna-Graupa/Schloss: PETER RÖSEL AM KLAVIER MIT „IMPRESSIONEN AUS PARIS“ 28.10.2018

Mit dem Ort Graupa, einem Stadtteil von Pirna (1998 eingemeindet), in der Nähe von Dresden verbindet sich automatisch der Gedanke an Richard Wagner, der dort 1846 seine Sommermonate mit seiner Frau Minna verbrachte, und an den dort in vielfältiger Weise museal erinnert wird. Seit der Eröffnung der Richard-Wagner-Stätten (2011) gibt es ein reges kulturelles Leben, das sich meist um Wagner dreht, aber es gibt auch Konzerte, die nur mittelbar mit ihm in Verbindung stehen (oder auch gar nicht, aber das sehr selten).

Musik erhält nach neuesten medizinischen Studien vor allem die Ausführenden geistig und körperlich lange jung und fit, was durch den Pianisten Peter Rösel voll und ganz bestätigt zu sein scheint. In ungebrochener geistiger Frische konzertiert er seit Jahrzehnten im In- und Ausland auf höchstem Niveau. Er ist dem Museum seit Jahrzehnten verbunden und gestaltet neben seinen weltweiten Konzertreisen auch immer wieder vielbesuchte und begehrte Klavier-Nachmittage im Festsaal des Schlosses.

Noten kennt er nur für die Vorbereitung. Er spielt alles auswendig, setzt sich ohne große Gesten und Äußerlichkeiten an den Flügel und nimmt mit den ersten Tönen sofort gefangen. Sein differenzierter Anschlag, seine wunderbare Tongebung und sein adäquater Ausdruck entführen in die Geisteswelt des Komponisten, vom dem er gerade etwas spielt, ganz gleich, ob Klassik, Romantik oder Moderne, bei ihm wird alles zum musikalischen Erlebnis. Jetzt hatte er sich für „Impressionen aus Paris“ entschieden, wobei nicht die üblichen, klischeehaften Vorstellungen bedient wurden, sondern eine spezielle Prorammzusammenstellung viel Wissens- und Hörenswertes brachte.

Er begann mit W. A. Mozart, der etwa ein Jahr in Paris weilte (1778), allerdings nicht in sehr glücklicher Lage. Die erhoffte Anstellung blieb aus, und seine Mutter starb. Dahingegen strahlte die von Rösel gespielte „Sonate B-Dur“ (KV 333), die einige Jahre später auf einer anderen Reise von Salzburg nach Wien entstand (1883), eine entspannte, fröhliche Stimmung, Lebensfreude und Vitalität aus, wobei nur in der Mitte eine vorübergehende Nachdenklichkeit mit einigen traurigen Tönen zu hören waren, bis im Finale graziöse Soli und klanglich erfüllte Tutti wie in einem Klavierkonzert miteinander korrespondierten, was Rösel wie einen spannenden Dialog gestaltete. Mozart konnte trotz großer Trauer fröhlich sein. Möglicherweise waren für ihn Musik und persönliches Leben zwei verschiedene Welten, die sich nicht berühren sollten.

Anders bei Claude Debussy, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Er nahm seine Inspiration aus Erlebnissen des täglichen Lebens. Seine Wege führten selten aus Paris hinaus, denn in den engen, verwinkelten Gassen und kleinen Cafés der Stadt war die Welt zu Hause. Und weil es ihm oft an den nötigen finanziellen Mitteln fehlte, beschloss er: „Wenn man sich Reisen nicht leisten kann, muss man sie durch Phantasie ersetzen“, und er hatte Fantasie und die ganze Welt im Kopf.

Inspiriert von den Menschen, die täglich seine Wege kreuzten, und der eigenen Sehnsucht nach der fremden Ferne, schrieb er „Estampes“ („Briefmarken“), drei Stücke für Klavier solo, einen impressionistischen Ausflug nach Indonesien, Spanien und Frankreich. Der 1. Satz „Pagodes“ lebt von fernöstlichem Kolorit, inspiriert von einem Ensemble, das zur Pariser Weltausstellung mit Röhrenglocken auftrat, deren Klang ihn stark beeindruckt hatte und den er auf dem Klavier nachahmte, und auch Rösel gab ihn in betörender Weise wieder. Im 2. Satz „Soirée dans Grenade“ ließ Debussy und durch ihn auch Rösel die Fantasie mit „echt spanischem Kolorit“ auf die iberische Halbinsel schweifen. Im 3. Satz „Jardins soius la pluie“, der auf einem Kinderlied beruht, konnte man bei Rösels flottem Spiel in virtuoser Steigerung förmlich einen Ball rollen hören.

Dann ging es erst recht zur „Kinderecke“ mit Debussys „Childrens corner“, die er für seine fast dreijährige Tochter schrieb – kein Stück für Kinder, sondern für Erwachsene über Kinder oder für Kinder zum Zuhören, ähnlich Robert Schumanns „Kinderszenen“.

Rösel widmete sich liebevoll und mit viel Einfühlungsvermögen den 6 kleinen Stücken vom „Doctor Gradus ad Parnassum“, einer liebenswürdigen Persiflage auf das Training eines Pianisten mit der Etüden-Sammlung Clementis, die jeder Klavierschüler kennt, bis zu „Golliwogg’s Caker-Walk“(„Hampelmanns Modetanz“), eine Ragtime-Komposition mit typischem „Vorspiel“ und einem Mittelteil, in dem Wagners „Tristan-Akkord“ viermal „avec une grande émotion“ („mit großem Gefühl“) zitiert und mit geringsten Mitteln von einem ungewöhnlichen Klang in einen gewöhnlichen verwandelt wird und ein ungewöhnlicher Zusammenhang zwischen dem „Catewalk“, einem Modetanz der damaligen Zeit, und dem zur Jahrhundertwende in Frankreich viel „diskutierten“ Richard Wagner entsteht. Neben den frechen, an ein Lachen erinnernden, chromatischen Vorschlägen scheint sich hier Debussys zwiespältiges Verhältnis zu Richard Wagner Bahn zu brechen. Rösel ließ das Stück, rhythmisch forciert, in heiterer Weise „zünden“.

Für Debussy waren die Werke César Francks “die wahre Musik”. Bei dessen „Präludium, Choral und Fuge“ (Prélude, Choral et Fugue), nicht für die große Cavaillé-Coll-Orgel in der Kirche Sainte-Clotilde, wo Franck als Organist wirkte, sondern für Klavier geschrieben, entzündete Rösel ein wahres Feuerwerk pianistischen Könnens und präsentierte dieses organistisch geprägte „Triptychon“, bei dem aus einer Barockform für die Orgel der Inbegriff eines “neogotischen” Monumentalwerks der Pariser Spätromantik enstand, grandios und mit Bravour.

Dem begeistert applaudierenden Publikum schenkte Rösel „noch ein bisschen Debussy“, die „Arabeske“ mit perlendem Anschlag und schließlich mit den Worten (nach einem Blick aus dem Fenster): „jetzt kommt der letzte Debussy, er hat in Anbetracht der Tageszeit eine gewisse Aktualität“: das hinreißend gespielte „Mondlicht“ („Clair de lune“), ein geniales Werk des Meisters des magischen Klanges, hinreißend interpretiert, wie eine wunderbare Naturstimmung, vom Meister des differenzierten Anschlags und des großen Ausdrucks auf weißen und schwarzen Tasten.

Ingrid Gerk

 

 

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