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PIRÄUS/ Städt. Theater: HAMLET – die rebellierende Jugend

Städtisches Theater Piräus: HAMLET am 13.11.2016

Die rebellierende Jugend

William Shakespeares „Hamlet“ gehört zu den Kernstücken des Repertoires und hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüsst. Berühmte Schauspieler haben die Titelrolle übernommen und namhafte Regisseure haben verschiedenste Lesarten für den zaudernden Melancholiker angeboten. Das Städtische Theater Piräus, das in einem wunderschönen Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert untergebracht ist, bietet in der Wintersaison einen kleinen, aber feinen Spielplan an. Letzten Winter konnte man dort eine sehr gelungene Interpretation von Goethes „Faust I“ bewundern, welche Katerina Evangelatou in Szene gesetzt hatte.

Nun steht also „Hamlet“ auf dem Programm, für den man den namhaften und erfahrenen Regisseur Yannis Kakleas verpflichtete. Dessen Augenmerk liegt auf dem rebellischen Gestus des Werks. Hamlet tritt darum eher als ungestümer Revoluzzer denn als intellektueller Menschenfänger in Erscheinung. Die nach Veränderung und Neuem strebende Jugend steht somit einem erstarrten, korrupten Staatssystem gegenüber. Dass der dänische Prinz auch ‚Regisseur‘ der Szene ist, tritt in dieser Betrachtungsweise etwas in den Hintergrund. Das Personal bleibt, vielleicht auch darum, in dem merkwürdig vage formulierten Beziehungssystem blass. Die Musik von Stavros Gasparatos unterstützt die rebellierende Geste Hamlets und hätte durchaus stärker zum Einsatz kommen dürfen. Das Bühnenbild von Manolis Pantelidakis und die Kostüme von Ilenia Douladiri geben einen gediegenen Rahmen für die Handlung ab, ohne starke Akzente zu setzen.

Im Zentrum der Inszenierung steht, das macht bereits die Bewerbung derselben deutlich, Konstantinos Aspiotis, ein Schauspieler, der in jüngerer Zeit durch Fernsehauftritte einem grösseren Publikum bekannt wurde. Mit seinem Auftreten und seiner Gestik weiss er durchaus die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er gibt ein gutes Bild von einem rebellierenden jungen Mann ab. Sprachlich, und das zeigt sich insbesondere in den Monologen, kann er jedoch kaum Akzente setzen. So wird man als Zuschauer nicht recht schlau aus diesem Hamlet, aus seinem Aufbegehren und dem Ziel seines Tuns. Die berühmte Theaterszene entfaltet beispielsweise nur bescheidene Wirkung, weil sich keine rechte Spannung zwischen den Figuren entwickeln will. Gertrud, Hamlets Mutter, gewinnt noch am meisten Eigenleben, weil sie in seltsam anmutenden Gebärden dem Geschehen gleichsam ent-rückt wird. Da wird eine interessante Gebrochenheit kenntlich, die man gerne auch bei anderen Personenzeichnungen entdeckt hätte. Figuren wie Polonius oder Ophelia verharren in tradierten Darstellungsmustern. Da keine Besetzungsliste vorliegt, seien die Mitwirkenden summarisch genannt: Evgenia Dimitropoulou, Thanasis Dimou, Ieronimos Kaletsanos, Stergios Kontakiotis, Stelios Xanthoudakis, Christos Sapoudzis, Ivan Svitailo, Elena Topalidou und Yannis Tseberlidis. Mit guten Leistungen haben alle zu einer, sagen wir gediegenen, aber leider zu wenig profilierten Aufführung beigetragen. Der rebellierende Gestus, den der Regisseur Yannis Kakleas ins Spiel einbringt, verliert leider im Lauf des Abends rasch an Schwung. Hamlet kommt zu früh zum Schweigen.

Ingo Starz