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PHILIPPE GRISVARD: Cembalowerke von Händel, Zachow, Babell, Mattheson und Krieger – AUDAX RECORDS CD

PHILIPPE GRISVARD: Cembalowerke von Händel, Zachow, Babell, Mattheson und Krieger – AUDAX RECORDS CD

 

„Con stupore di tutti“  Francesco Valesio nach einem Orgelkonzert Händels in San Giovanni in Laterano

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Händel muss eine ganz große Nummer am Cembalo gewesen sein. Überliefert sind begeisterte Kommentare und eine stupende Verehrung seitens seiner Zuhörer, sei es am Hofe Sachsens oder während seiner italienischen Jahre. Händel war wohl ein hoch begabter Improvisator und feuriger Unterhalte in Freundeskreisen. Vornehmlich dort in zurückgezogener Privatsphäre beglückte er bis in hohe Alter, selbst als er schon blind war, sein Publikum. Von Domenico Scarlatti selbst ist folgender Satz überliefert, als Händel in der Karnevalssaison in Venedig maskiert konzertierte: „Es kann sich nur um den berühmten Sachsen oder um den Teufel persönlich handeln.“

 

Philippe Grisvard, Mitglied des Ensembles Diderot, nimmt sich auf seiner ersten kurzweiligen Solo-CD einer Periode in Händels Schaffen von 1700 bis ca. 1740 an. Neben prächtigen Beispielen aus der Feder des Meisters, wie der Suite II in F-Dur, des Prelude in D-Moll, der Air in B-Dur, eines Capriccio in G-Moll und einer Chaconne in G-Dur erklingen u.a. auch Kompositionen etwa seines ersten und einzigen Lehrers Wilhelm Friedrich Zachow (Capriccio in D-Moll), als Organist der Marienkirche in Halle und Komponist von Fugen und Choralvariationen ein Vorläufer Bachs. Zachow hat ebenso wie Johann Philipp Krieger oder Johann Mattheson eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von Händels Stil gespielt. Einen prominenten Teil des Albums nehmen die gekonnten Arrangements der Ouvertüre von Händels Oper „Rinaldo“ oder der berühmten Arie „Lascia ch‘io piango“ für Cembalo durch den damals in London lebenden William Babell ein. 

 

Das 18. Jahrhundert war aber auch geprägt von Plagiaten und Raubkopien, unter Liebhabern zirkulierten handschriftliche Kopien sonder Zahl. Nachdem der Verleger John Walsh 1720 einen Band mit Raubkopien neuer Kompositionen Händels mittels eines zweiten  gaunerischen Verlegers aus Amsterdam herausbrachte, erwirkte Händel ein königliches Sonderrecht, das seine  Werke vierzehn Jahre schütze. Nicht viel, in Anbetracht heutiger urheberrechtlicher Bestimmungen.

 

Philipp Grisvard lässt mit seinem selbst wie improvisiert wirkenden Vortrag die Kunst Händels wieder fröhlich Urständ feiern. Sein frisches, schwungvolles, munter zupackendes Spiel wird sowohl den kontrapunktreichen, virtuos verzierten barocken Formen wie auch den gefühlvollen Adagio-Sätzen gleichermaßen gerecht. Dass Händel als auch seine Zeitgenossen kurzweilige Unterhaltungsmusik mit höchsten kompositorischen und technischen Ansprüchen zu kreieren imstande waren, wird durch diese wunderbar lebendige CD offenkundig. Die räumlich angenehm tiefe Aufnahme entstand in Toblach im Gustav-Mahler-Saal 2016, Grisvard spielt auf einen zweimanualigen deutschen Cembalo nach Michael Mietke. Mehr davon!

 

Dr. Ingobert Waltenberger