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PESARO / Rossini-Festival: GUILLAUME TELL

22.08.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

PESARO / ROSSINI OPERA FESTIVAL / ADRIATIC ARENA : GUILLAUME TELL am 20.8. 2013


Juan Diego Florez, Nicola Alaimo. Foto: Rossini-Festival

 In Pesaro hat seine Weltkarriere (1986 als Einspringer in “ Matilde di Shabran “ ) begonnen, in Pesaro hat er sich ( unweit der Casa Pavarotti ) eine Villa gebaut, und in Pesaro sang er jetzt seinen ersten Arnold : Juan Diego Florez.

Und, um es kurz zu machen, sein Debüt wurde, ungeachtet müßiger und haarspalterischer Spezialisten – Diskussionen darüber, ob er nun ein “ tenore di grazia “ und somit für die Rolle geeignet sei oder nicht, zum allseits erwarteten Triumph für ihn. An dem schon im Vorfeld niemand auch nur annähernd zweifelte und daher auch bei der Premiere keiner wirklich davon überrascht war.

Was natürlich äußerst unfair gegenüber Florez ist, angesichts dieser nahezu unbewältigbaren „Mörderpartie“. Aber der peruanische Spitzentenor hat uns im Laufe der letzten fast zwei Jahrzehnte aufgrund der Konstanz seiner “ Performance “ halt vollkommen verwöhnt, sodass alle seine Fans ( Männlein wie Weiblein ) es als gegeben ansahen , dass er auch diesen K 2 der Gesangeskunst ohne sicht – oder hörbare Anstrengung bewältigen würde.Was er, wie gesagt, auch tat. Eigentlich unglaublich.

Das Schöne und Erhebende an dieser seltenen Aufführung der ungekürzten Version von Rossinis letzter ( französischer ) Oper “ Guillaume Tell “ war allerdings, dass ihm seine Kollegen in nichts nachstanden.

Zuvörderst die mindestens ebenso strahlende und sichere Marina Rebeka als seine angebetete Mathilde. Aber auch der (durch sein extremes Übergewicht in seiner Glaubwürdigkeit allerdings etwas beeinträchtigte) Nicola Alaimo als Tell, Simon Orfila (Walter Fürst), Luca Tittoto (Gessler),Veronica Simeoni (Hedwige) und Amanda Forsythe ( Tell – Sohn Jemmy ) befanden sich auf Weltklasseniveau,sowohl in den lyrischen als auch in den dramatischeren Passagen zu Höchstleistungen angespornt von Michele Mariotti an der Spitze des Orchestra del Teatro Communale di Bologna.

Musikalisch also beinahe das wunschlose Rossini – Glück.


Der Lipizzaner vor der Enthauptung. Foto: Rossini-Festival

Etwas getrübt durch Graham Vicks (im Vergleich zu seinem letztjährigen Skandal – “ Mosè “ direkt konventionell wirkender, aber immer noch ärgerlicher) Regie.

Warum muss ich mir 5 Stunden lang den in monumentalen Lettern geschriebenen, dadurch aber auch nicht interessanteren Sinnspruch EX TERRA OMNIA anschauen ? Warum müssen die Sänger 20 Pferde – Modelle (da diese naturgemäss nicht von selbst die Bühne verlassen) auf Haufen schichten ? Warum wird ein Lippizzaner enthauptet ? ( Frau Gürtler, schreiten Sie ein !) Warum tragen die Eidgenossen Halstücherln wie die Roten Falken? Warum liegt der Vierwaldstättersee am Fuß des Matterhorns ? Warum wird am Ende eine endlose rote Treppe heruntergeklappt, die aber ( wahrscheinlich entgegen den Intentionen des Regisseurs) so lächerlich wirkt wie die rote Zunge eines Spielzeugkrokodils ? Fragen über Fragen. Warum nur,warum…

Die wenigen Buh – Rufe galten jedoch ausschließlich dem Chroreographen der Ballettszenen, Ron Howell.

Sonst oft gekürzte, für die Architektur der “ Grand‘ Opéra “ aber unverzichtbare “ Einlagen „,die mich, ich gestehe es, in diesem Fall aber weit mehr überzeugt haben als Vicks banaler Revolutionskitsch. Hysterische Zuckungen ( à la Charcot ) im ersten, Marionetten- Folklore im dritten Akt.

Auch wenn man bemängeln mag, dass die ( wenn auch exzellent gekleideten ) Österreicher wieder einmal als die ganz Bösen dargestellt wurden, ging Howells, ein wenig an die sadistischen Szenen des Pasolini – Films “ 120 Tage von Sodom “ angelehnte Interpretation doch sehr unter die Haut.

Insgesamt eine durchaus ( auch und gerade im Vergleich zu der weitaus weniger befriedigenden Vorgänger-Produktion von 1995 ) historisch zu nennende Aufführung, die jedoch völlig unnötigerweise im Wermutfass der “ Adriatic Arena “ versenkt wurde.

Diese am Stadtrand gelegene hässliche, abgesandelte Basketballarena kann durch keinen Akustik – Guru der Welt gerettet werden.

Aber was hat es für einen Sinn, den Olymp des Schöngesangs zusammenzubringen,wenn man ihn dann nicht wirklich gut hört.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister von Pesaro, bereiten Sie diesem unglaublichen Skandal ein Ende und sorgen Sie für die Errichtung einer adäquaten Konzert/Opernhalle im Stadtzentrum ( im Idealfalle anstelle des alten Palasports ), aber presto, besser noch : prestissimo !

 Robert Quitta, Pesaro

 

 

 

 

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