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PALERMO/ Teatro Massimo: ERNANI via Live-Stream

27.02.2021 | Oper international

Verdis „Ernani“ am 26.2.2021 via Live-Stream aus dem Teatro Massimo/PALERMO

Werktreue und Dramatik

Teatro Massimo Palermo, Ernani di Verdi in streaming |  ILFOGLIETTONE.ITILFOGLIETTONE.IT | Page 2
Foto: Youtube

 Im Jahre 1844 wurde „Ernani“ am Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführt. Giuseppe Verdi hatte damit seinen ersten internationalen Erfolg im Alter von 31 Jahren. Dieses Werk basiert auf Victor Hugos Drama „Hernani“, einem Gipfelwerk der französischen Theater- und Literaturromantik.

Der Dirigent Omer Meir Wellber hat die Oper nun nach Palermo zurückgebracht, nachdem sie dort 22 Jahre nicht auf dem Spielplan stand. Und die halbszenische Inszenierung von Ludovico Rajata (Kostüme und virtuelles Konzept: Francesco Zito) setzt ganz auf Werktreue in historischen Kostümen des 16. Jahrhunderts.

Die Handlung spielt in den Bergen von Aragonien, im Schloss von Don Ruy Gomez de Silva, in Aachen und in Zaragossa im Jahre 1519. Und der Zauber und die unmittelbare dramatische Kraft der vier Akte „Der Rebell“, „Der Gast“, „Die Gnade“ und „Die Maske“ kommen trotz der recht konservativen und nicht sonderlich emotionalen Personenführung voll zur Geltung. Grundkonflikt: Ernanis Geliebte soll mit ihrem Vormund und Onkel Herzog Silva verheiratet werden. Deswegen möchte Ernani als verstoßener Adliger Elvira dem alten Silva entführen.

Doch die tragische Handlung spitzt sich sogar noch weiter zu, was bei der Aufführung mit geballter Wucht zum Vorschein kommt: Auch Carlo, der König von Spanien, gesteht Elvira seine Liebe. Und als Ernani erscheint, fordert er den Rivalen zum Zweikampf heraus. Schließlich will sich auch noch der wütende Hausherr Silva mit den Nebenbuhlern duellieren. Der König von Spanien bezeichnet Ernani aber zuletzt als seinen Getreuen. Im zweiten Akt hat Elvira Silvas Heiratswunsch nachgegeben. Ernani betritt als Pilger verkleidet das Schloss und gibt sich Elvira zu erkennen. Es kommt zu einer weiteren Vereinigung des Liebespaares – und der herbeigeeilte Silva schwört eifersüchtig Rache. Ernani kann Silva im Kampf gegen den König zunächst auf seine Seite ziehen – als Pfand hinterlässt Ernani Silva allerdings ein Horn und schwört, dass er sich sofort töten werde, wenn Silva das Horn erklingen lässt. Szenisch und optisch am besten gelungen ist dann der dritte Akt, der in der Krypta Karls des Großen im Dom zu Aachen spielt. Während die deutschen Kurfürsten den neuen Kaiser wählen, wartet Carlo auf eine Gruppe Verschwörer. Noch bevor Ernani Carlo aber töten kann, wird dieser zum Kaiser Karl V. gewählt. Als Kaiser verzeiht er großmütig allen Verrätern und führt Ernani und Elvira als Paar zusammen. Im vierten Akt steht nochmals ganz das hochexplosive musikalische Geschehen im Mittelpunkt, denn nach der Hochzeit mit Elvira trifft Ernani die volle Macht des Schicksals. Der wütende Silva lässt das Horn erklingen und der verzweifelte Ernani ersticht sich.

Obwohl der Schluss des dritten Aktes wie ein Finale wirkt, gewinnen die Solo-Trios im vierten Akt bei dieser überzeugenden Aufführung eine bewegende Kraft und überwältigende Präsenz. Dies liegt auch am Dirigenten Omer Meir Wellber, der Chor und Orchester des Teatro Massimo nicht nur bei den gewaltigen dynamischen Steigerungen und heftigen Staccato-Attacken glänzend zu führen versteht. Ein weiterer großer Pluspunkt ist der machtvolle Auftritt des von Ciro Visco sorgfältig einstudierten Chores, der von den einzelnen Emporen des Opernhauses herab singt  und damit für akustische Höhenflüge sorgt. Zwischen präzisen Pizzicato-Passagen schimmern aber auch immer wieder feine Poesie und mediterraner Klangzauber durch. Eleonora Buratto (Sopran) zeigt als Elvira bei den überschwänglichen Koloraturen eine ausgezeichnete Leistung, die sich im Laufe des Abends immer mehr steigert. Giorgio Berrugi (Tenor) steht ihr als Ernani hinsichtlich des ausdrucksvollen Timbres und des gesanglichen Klangfarbenreichtums nicht nach. Als Don Carlos kann auch Simone Piazzola mit sonorem Bariton und stimmlicher Klarheit überzeugen, während Michele Pertusi als Silva mit robustem Bass seine schauerliche Rolle eindrucksvoll zelebriert. In weiteren Rollen fesseln Irene Savignano (Sopran) als Elviras Vertraute Giovanna, Carlo Bosi (Tenor) als Schildknappe des Königs „Don Riccardo“ sowie Andrea Pellegrini (Bass) in der Rolle von Silvas Schildknappe Jago.

Es ist das große Verdienst dieser bemerkenswerten Aufführung, die Bedeutung von Verdis „Ernani“ wieder ins Zentrum des allgemeinen Interesses zu rücken, denn diese Oper gehörte im 19. Jahrhundert zu den meistgespielten Verdi-Werken. So ist die Nähe zu Verdis „Il trovatore“ manchmal geradezu verblüffend. Die fantastischen Orchesterfarben unterstreichen die ariosen Partien hier keineswegs aufdringlich, sondern stellen die transparente klangliche Balance eindringlich heraus. So gewinnt auch Silvas Cabaletta „Infin che un brando vindice“ aus dem Schluss des ersten Aktes unheimliches Feuer. Sie wird gelegentlich sogar im vierten Akt von Verdis „Nabucco“ gesungen, als dieser aus dem Gefängnis befreit wird. Die kontrapunktischen Reize dieser Partitur blitzen wiederholt leuchtkräftig auf – und auch die künstlerische Geschlossenheit lässt nichts zu wünschen übrig. Selbst die klangliche Durchsichtigkeit der Bühnenmusik auf der Szene („Banda“) sowie hinter der Szene (Horn, sechs Trompeten) trägt zum weiteren reizvollen Verständnis des Werkes bei. Effektvolle Themen paaren sich so mit überaus leidenschaftlichen Kantilenen und nie nachlassender gesanglicher Energie. Aber auch Unmittelbarkeit und Wärme der Empfindung kommen nicht zu kurz. Wie bei „Il trovatore“ erfüllen Melos und Rhythmik eine dramatische Funktion. Die Sänger werden immer voll in den harmonischen Prozess des Orchesters eingebunden, was auch bei den höchsten Affekten facettenreich zur Geltung kommt. Leitthematische Wiederkehr sowie deklamatorische und melodische Ausdruckswelt stehen dicht beieinander. Belcanto- und Parlando-Passagen zeigen immer wieder neue Nuancen (Digitale Animation: Fabiola Nicoletti)

Alexander Walther 

 

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