Benjamin Appl. C: Lars Borges
Carinthischer Sommer Ossiach: „JEDE ZEIT HAT IHREN STERN“
Liederabend Benjamin Appl mit Schubert, Brahms, Wolf und Gottfried von Einem
31.7. 2018 – Karl Masek
Der Carinthische Sommer hatte immer „Composer in Residence“. Zwei von den besonders Geehrten und Verehrten hätten heuer ihren 100. Geburtstag: Leonard Bernstein und Gottfried von Einem. Die beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten verband eines: Für ein Publikum zu komponieren und sich dabei nicht um den Mainstream einer gerade aktuellen Avantgarde zu kümmern. Bernstein leitete 1977 in Villach das Israel Philharmonic Orchestra bei der Europäischen Erstaufführung seiner 3. Symphonie „Kaddish“. Und Einem war sogar Ehrenmitglied des Festivals, schenkte diesem einige Uraufführungen, fühlte sich nach eigenen Worten hier besonders wohl. „Es ist ein Ort, an dem man sich immer einige Zentimeter über dem Boden schwebend fühlt. Und es sind vertraute Menschen, die mich zur Arbeit anregen…“, so Einem über Ossiach.
Umso befremdlicher, dass man im Programmheft zu diesem Liederabend lesen muss: „Geplant war 1977 ein Konzert in der Stiftskirche Ossiach, in dem die Lieder Einems: ‚Leb wohl, Frau Welt‘ op.43, nach Texten von Hermann Hesse von Dietrich Fischer-Dieskau vorgetragen werden sollten… für alle überraschend wurde das Konzert vom damaligen Generalvikar des … Ordinariats Klagenfurt nicht erlaubt wegen der ‚unchristlichen, unfrohen, pessimistischen Stimmung der Lieder, ohne Lichtblick in die Zukunft‘ …“
Nun wurden drei dieser Lieder in der Stiftskirche Ossiach aufgeführt. Ein viertes Lied stammt aus dem Zyklus „Meridiane“, op.78 aus dem Jahr 1987.
Der junge, aufstrebende deutsche Bariton Benjamin Appl wurde zu einem besonderen „Konzept-Liederabend“ eingeladen, der die dunklen Themen der Romantik wie „Nacht“, „Einsamkeit“, „Weltabgewandtheit“,… behandelt. Den ausgewählten Liedergruppen von Franz Schubert, Johannes Brahms und Hugo Wolf war jeweils ein Lied Einems als „Leitgedanke“ vorangestellt.
Kein leichtes Unterfangen für den 36-jährigen Fischer-Dieskau-Schüler. Handelt es sich doch bei diesen insgesamt 22 Liedern fast durchwegs um düstere, melancholisch getönte Stücke, die herbstliche, nachtdunkle, fahle Stimmgebung verlangen, weiters verinnerlichte, sanfte Legatobögen erfordern, selten über ein Mezzoforte hinaus gehen, aber permanente Innenspannung vom Sänger einfordern.
Es wäre ein Leichtes, jetzt sinngemäß zu schreiben, Appl sei eine Art „zweiter Fischer-Dieskau“ und wandle auf den Spuren seines Lehrers und Mentors und die Stimme hätte große Ähnlichkeit mit jener des ganz jungen Fischer- Dieskau. Ich möchte aber bewusst nicht vergleichen (auch nicht mit Christian Gerhaher oder mit Matthias Goerne). Das tun eh viel zu viele. Ich sage lieber, da wächst ein erster Appl heran. Mit einer Laufbahn von bisher sieben, acht Jahren. Einer, der sich Zeit gelassen und nicht zu früh zu vieles gleichzeitig gewollt hat. Der aber einen sehr klaren, zielstrebigen Eindruck macht. Mit der nötigen Portion Ehrgeiz ausgestattet. Einer, der mit seiner Debüt-CD „Heimat“ ein viel beachtetes „Konzeptalbum“ vorgelegt hat. Einer mit einem besonders hellen, fast tenoral, sehr jugendlich und schlank klingenden, extrem lyrischen Bariton mit leichtgewichtigen Hochtönen.
Wenn man eine Opernrolle heranzieht: Was müsste das beispielsweise für ein „Pelleas“ in der Debussy-Oper sein, von einer wissenden Regie geführt und von einem verantwortungsvollen Dirigat nicht zum Forcieren gezwungen!
Aber zurück zum Liederabend. Appl hat jetzt schon viel von den oben genannten Stimmfarben und -nuancen, den sanften Legato-Qualitäten, lässt sich nicht zum Forcieren oder zu billigen Effekten verleiten. Sein Bariton ist sozusagen feingliedrig, bestens fokussiert, die Register sind gut verblendet.
Es war insgesamt eine berückend schöne Lied-Auslese mit ein paar besonderen Highlights – die vom Publikum auch prompt mit Szenenapplaus bedacht wurden: Von Schubert Lieder aus seinem Todesjahr (mit Schmerzensgestus „Die Stadt“, mit innigem Ausdruck „Der Winterabend“, D938), von Brahms „Auf dem Kirchhofe“, op.105, von Hugo Wolf „Verschwiegene Liebe“ mit dem besonders poetischen Eichendorff-Text, von Einem „Stern und Lampe“, op.78/1, Titel gebend für das Motto des Abends.
Graham Johnson. C: Clive Barda/ArenaPAL
Graham Johnson, 2014 mit der Hugo Wolf Medaille „für seinen Einsatz für die Kunst des Liedes ausgezeichnet“ und auch sonst vielfach dekoriert, war der sensible, unprätentiöse Begleiter.
Sehr wohlwollend die Aufnahme des vielversprechenden Jungbaritons durch das Publikum. Er dankte mit 2 Schubert-Zugaben: „An die Laute“ und „Du holde Kunst“. Lohnend und spannend ist es, den weiteren künstlerischen Werdegang des „Ersten Benjamin Appl“ zu verfolgen …
Karl Masek