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NÖ / Niederweiden: MARIA THERESIA zum Vierten

Maria Theresia  Niederweiden x~1
Alle Fotos: Wesemann

NÖ / Niederweiden:
300 JAHRE MARIA THERESIA
„STRATEGIN MUTTER REFORMERIN“
Modernisierung und Reformen
Vom 15. März 2017 bis zum 29. November 2017

Taferlklassler und Daumenschrauben

Ein „Taferlklassler“ zu sein und „Daumenschrauben“ angesetzt zu bekommen – beides besteht in der Realität nicht mehr, aber die Begriffe sind lebendig geblieben. Zumindest ersterer geht ausschließlich auf das Zeitalter Maria Theresias zurück, die die Unterrichtspflicht als staatliche Aufgabe sah. Sie sorgte dafür, dass möglichst jedes Kind in der Monarchie mit Hilfe einer mit Buchstaben beschriebenen, etwas mehr als handgroßen Tafel das Lesen und Schreiben lernte. Eine von vielen Reformen ihrer Epoche, die Karl Vocelka in der Ausstellung „Modernisierungen und Reformen“ auf Schloß Niederweiden dokumentiert hat.

Von Heiner Wesemann

Maria Theresia Denkmal Messershmidt x~1Umgeben von klugen Männern Maria Theresia selbst steht als Statue, die sie als Königin von Ungarn zeigt, im kleinen zentralen Kuppelraum von Schloß Niederweiden. Franz Xaver Messerschmidt hat sie einst so gestaltet (die Ausstellung zeigt eine Kopie), und ausnahmsweise ganz ohne die Grimassen, die seine Charakterköpfe kennzeichnen… Man liest Maria Theresias Satz, wie viel sie ihren ausgezeichneten Beratern verdankt, und sie sind es dann auch, die die Ausstellung in Niederweiden beherrschen. Ohne die Souveränität und Aufgeschlossenheit etwa von van Swieten, von Sonnenfels und Born, von Kaunitz und Haugwitz, wäre vieles in ihren Ländern nicht so nachdrücklich von der Stelle gekommen. Die Folter allerdings wurde auf Drängen von Sonnenfels erst spät (drei Jahre vor ihrem Tod) und unter ihren Bedenken abgeschafft – und eine genaue bildliche Darstellung in einem Buch, wie Daumenschrauben anzulegen seien, darf nicht fehlen, wenn sie auch niemandem zur Ehre gereicht. Unter Maria Theresias Beratern wird übrigens auch ihr Gatte Franz Stephan aufgeführt: Er hat sich mit dem Regieren nicht abgegeben, aber sehr viel von Finanzen und Naturwissenschaften verstanden.

Zuerst die Schule Der größte Raum der Ausstellung ist in Form einer altmodischen Schule mit Pulten gestaltet. Reiches Unterrichtsmaterial in Form von Tafeln und Büchern zeigt, wie gründlich man schon in pre-aufklärerischem Geist vorging. Es war auch eine Welt der Bücher, die Ausstellung ist reich an Publikationen, die damals neue Themen auch in aufwendiger Pracht behandelten (etwa das Buch über die aus Amerika stammenden Pflanzen, das Nikolaus von Jacquin herausbrachte, nachdem er im Auftrag von Franz Stephan die Karibik bereist und auch Pflanzen für die kaiserlichen Gärten gesammelt hatte).

 

Maria Theresia Klassenzimmer x~1 Maria Theresia Schulbuch x~1

Ärzte, Soldaten, Künstler, Diplomaten Maria Theresia und ihre Berater wussten, dass sie in Zukunft Fachleute auf allen Gebieten brauchten, was zu einer weitgreifenden Reform der höheren Bildung führte. Allein das Wissen und die Fortschrittlichkeit von van Swieten verhalf Wien zu einer „Ersten medizinischen Schule“ von Rang. Auch Tierärzte wurden gebraucht, noch war der Kupferstich das einzige Mittel, Bildmaterial zu vervielfältigen, also wurde eine Kupferstichakademie gegründet. Die Theresianische Militärakademie gibt es noch heute, acht Bilder „aus dem Leben der Zöglinge“ zeigen sportliche Übungen, aber auch Schlittschuhlauf und Tanz… Vor allem aber brauchte man Diplomaten, die viele Sprachen beherrschten. Ein Kupferstich trägt den Titel „Ein Glück für jeden fremden Mann, der selbst mit Türken sprechen kann“ – man wollte angesichts der Diplomatie mit dem Osmanischen Reich nicht immer auf die wohl kaum allzu verlässlichen Dolmetscher des Sultans angewiesen sein…

Maria Theresia Türkisch lernen bild x~1 Maria Theresia Türkisch lernen Text x~1

Die Organisation der Monarchie Der Prunk des Adels und des Hofs und die Armut eines großen Teils der Bevölkerung: In der Wirtschaft musste so viel geschehen wie im Rechtswesen. (Die Leibeigenschaft hat erst Joseph II. nach dem Tod seiner Mutter aufgehoben.) Der bis in unsere Tage legendäre Maria Theresien-Taler war Zahlungsmittel in der Monarchie und nahm den Weg nach Afrika und den Nahen Osten. Volkszählungen (nur Männer und Vieh, nicht die Frauen) und eine erstmalige Festlegung von Adressen (die Häuser erhielten Nummern) waren darauf ausgerichtet, die wehrfähigen jungen Männer zu finden. Was immer in der Welt Maria Theresias geschah, war zweifellos auch von Idealismus, aber in weit höherem Ausmaß noch vom Pragmatismus geprägt. Und der besagte, dass ein funktionierendes Staatswesen einfach leichter zu lenken ist als ein desolates. Vieles, was man erst Joseph II. zuschreibt, so Karl Vocelka, war bereits im Zeitalter Maria Theresias angelegt.

Niederweiden: „Maria Theresia – Modernisierungen und Reformen“
Bis 29. November 2017, täglich 10 bis 18 Uhr