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NICE: ADRIANA LECOUVREUR

23.03.2014 | KRITIKEN, Oper

Opera de Nice:  22.03. 2014: „ADRIANA LECOUVREUR“

Ja, sie ist ein Meisterwerk, ein mitreissendes noch dazu, diese “Adriana Lecouvreur” des aus Kalabrien stammenden Maestro Cilea. Alles, was da zuletzt Unsinniges über diese Oper von Berufskritikern in Wien verzapft wurde ( teils abgeschrieben von früheren Verissen einer überheblichen und auf dem Gebiet der italienischen Oper abseits des gängigen Repertoires ahnungslosen Kritikergeneration ) wurde hier Lügen gestraft. Freilich lag das auch an der Wiedergabe dieser letzten Aufführung im schönen Opernhaus von Nizza und an der Qualität der Darbietung : dass Österreich Frankreich am grünen Rasen eindeutig unterlegen ist, wird kaum jemand leugnen, der nur ein bisschen mit Fussball vertraut ist , dass wir auch am „Feld der Oper“ so übertrumpft werden, überrascht dann doch!

      Einziges „Plus“ für Wien ist da die schöne Ausstattung, die in Nizza fehlt! In fast keinem Bühnenbild – eine begehbare Brücke ( eher zum Fidelio passend ), eine angedeutete Bühne durch große Scheinwerfer – und mehr oder weniger gelungene, „historisierende“, aber teils überzeichnete Kostüme waren die Optik, die Nicolas Bovey und Alessio Rosati beisteuerten. Der Intendant von Macerata, Francesco Micheli führte darin Regie, mit einigen eigenartigen Ideen, die mich als Traditionalisten zwar zuerst störten, die jedoch sehr gut durchdacht waren und die Handlung unterstrichen und verdeutlichten , und vor allem eine Spannung aufbauten, die das Publikum faszinierte – so konzentriert  sah ich schon lange keine Zuhörer ( ohne Huster, Raschler und sonstige Störenfriede!). Die eigentlich aussichtslose Liebe zwischen Adriana und Moritz von Sachsen war da von Anfang an bereits erkennbar, die böse Principessa war im Finalakt ebenso anwesend – und übergab ihre vergifteten Blumen höchstpersönlich  – wie die ganze Komödiantenschar und Principe und Abbe. Nun ja, zwar gegen das Libretto – aber als „Brechung“ des Ganzen durchaus ein interessanter Aspekt, der „aufging“. Michonnet war überhaupt fast den ganzen Abend über auf der Szene, er wachte nicht nur über seine angebetete Adriana, er war quasi der „Spielleiter“. Obwohl ich zwar immer noch eine traditionelle Sichtweise vorziehe, muss ich gestehen, dass ich im Laufe des Abends immer mehr Gefallen an der Arbeit Michelis fand – im Gegensatz zu Wien war es keine Minute fad – alle Typen waren auch exzellent herausgearbeitet.

     Gleiches darf ich von der musikalischen Seite berichten. Eine spannende, akzentuierte und die Höhepunkte bestens aufbereitete und auskostende Wiedergabe gelang einem jungen Mann aus – Hessen! Roland Böer entfaltete mit dem Orchestre Philharmonique de Nice einen kostbaren Klangteppich, ging leidenschaftlich mit den Akteuren auf der Bühne mit, ließ es richtig „aufrauschen“, war mit Herzblut bei der Sache! Bravo Maestro – ich hoffe ihn bald wieder zu hören!  Als Adriana war mit Cristina Pasaroiu  eine noch nicht dreissigjährige Künstlerin aufgeboten, die ohne jedes Forcieren und einer blendenden Bühnenerscheinung eine hervorragende Protagonistin war. Ihr bronzener Sopran wird technisch exzellent geführt – und besticht vor allem durch die unglaublich runden, wohlklingenden Höhen. Auch ihre Rezitation Ende des 3.Aktes war packend, und ihre „Poveri fiori“ und ihr Tod berührend. Von ihr wird man wohl noch viel hören…! Ihre Rivalin war Laura Brioli, mit perfekt „sitzendem“ Mezzo, den nötigen imposanten brustigen Klängen und „grinta“ : leidenschaftlich und ebenfalls sehr attraktiv warf sie sich förmlich ihrer Rivalin in den Weg – ein Höhepunkt die große Szene der beiden Damen am Ende des zweiten Aktes. Bruno Ribeiro konnte trotzdem zwischen diesen beiden starken Frauen seinen Mann stellen: sein kräftiger gewordener Tenor strahlt mediterran und dunkel, die Höhen haben „squillo“ und er singt mit vollem Einsatz und generös die einschmeichelnden Phrasen des Maurizio. Eine besonders eindringliche Leistung bot Davide Damiani als Michonnet! So berührend in Spiel und Stimme hab ich die Partie selten erlebt. Bescheiden und sympathisch auf der Bühne, schlicht und umso effektvoller im Ausdruck seines virilen Baritons gelang ihm eine tatsächliche Rollenidentifikation. Steven Cole war ein extrem wortdeutlicher und scharf charakterisierender Abate, Christophoros Stamboglis ein bassgewaltiger, dekadenter Principe. Und auch die Komödianten waren dem Niveau des Abends angepasst, also ausgezeichnet: Gabrielle Philiponet ( Jouvenot  mit aufhorchen lassendem Sopran), Juliette de Banes Gardonne ( Dangeville mit angenehm timbrierten Mezzo ) , Alessandro Spina (Quinault) und Frederic Diquero ( Poisson).

    Am Ende großer, ausgiebiger – berechtigter – Jubel des Publikums – ein Kompliment an die Opera de Nice , die in der nächsten Saison u.a. auch „La Juive“ und „Vepres Siciliennes“ bringen wird. Die wunderbare Stadt an der Cote d`Azur kann ich ruhigen Gewissens auch allen Opernfreunden ans Herz legen…

 Michael Tanzler

 

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