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NEW YORK/ Kino Wien-Cineplexx: SEMIRAMIDE

"Die Met im Kino mit der Nähe zur Parodie

11.03.2018 | Oper

Bildergebnis für new york metropolitan opera semiramide

Cineplexx-Kino Wien Mitte
DIE MET IM KINO: ROSSINI’S „SEMIRAMDE“ ZWISCHEN BELCANTOGLANZ UND
DER NÄHE ZUR PARODIE (10.März 2018)

Wer ein Beispiel sucht, wie unfreiwillig komisch die Kunst-Gattung „Oper“ sein kann, die jüngste Kino-Übertragung aus New York war dafür ein Paradebeispiel: „Semiramide“ von Gioacchino Rossini (UA 1823 in Venedig) geriet des Öfteren in die Nähe zur Parodie – immerhin entschädigte der vokale Glanz und das ausgezeichnete Dirigat des italienischen Kapellmeisters Maurizio Benini für die optische „Zumutung“. Es beginnt schon beim Libretto – Gaetano Rossi schrieb für alle großen Komponisten seiner Zeit. Aber das Textbuch zu „Semiramide“ könnte den Anti-Oscar – die goldene Himbeere – zuerkannt bekommen: Die Handlung ist verworren und kompliziert: rund um die Königin von Babylon ranken sich Legenden: Intrigen, Macht-Spiele, Mord aus Ehrgeiz, Erpressung und Inzest – das ist der Stoff aus dem diese Oper gewoben wird; am Schluss ersticht der Sohn unabsichtlich die Mutter, wird aber unmittelbar darauf zum König gekrönt und lässt sich huldvoll feiern…

Die Inszenierung von John Copley (Ausstattung John Conklin) dürfte ein Mischung aus einer schlechten Aida-Produktion und einem kitschigen B-Movie über die Hängenden Gärten der Semiramis sein. Kitschige Kostüme, jede Menge Umzüge, hölzerne Chöre! Dazu kommt, dass in der Titelrolle die amerikanische Sopranistin Angela Mead stimmlich ausgezeichnet ist, aber optisch durch die pompösen Kleider (Michael Stennett) regelrecht verunstaltet wird. Im Vergleich zu Angela Mead ist eine Montserrat Caballé geradezu „vollschlank“! Dennoch siegten Rossini und die Belcanto-Qualitäten der wichtigsten Protagonisten. Die US-Sopranistin, die in dieser Saison noch die „Norma“ an der Met singen wird, erfüllt vokal alle Voraussetzungen für diese Rolle, die einst für Isabella Colbran geschrieben wurde: sie hat eine kräftige Mittellage, brilliert mit den Koloraturen und liefert etwas kopfige „glockenklare“ Höhen.

Grandios auch die zweite Amerikanerin: Elizabeth DeShong als Arsace ist ein Erlebnis der besonderen Art: sie kombiniert tatsächlich einen echten Alt mit den Höhen eines Koloratur-Soprans. Leider fehlt ihr jede burschikose „Hosenrollen“-Ausstrahlung! Dennoch: die beiden Duette zwischen Arsace und Semiramis gehören zu den Höhepunkten der fast 4stündigen Vorstellung.

Dritter Star des Abends war der mexikanische Tenor Javier Camarena. Im Vergleich zu Juan Diego Florez verfügt er über eine dünklere, „üppigere“ Mittellage; bei den stupenden Höher kann er gleichziehen; in punkto Poesie und Grandezza kann er hingegen nicht ganz mithalten. Dennoch toll, dass es jetzt gleich zwei echte sensationelle Rossini-Tenöre gibt.

Wundervoll auch Ildar Abdrazakov: der russische Bass-Bariton übernimmt mit dem diabolischen Assur quasi die Rolle des „Bösewichts“, ihm wird alles abverlangt, Höhe, Tiefe und kämpferischer Totaleinsatz. Er gewinnt auch durch die Details der TV-Übertragung. Und ähnliches lässt sich auch von einem Sänger berichten, der die Rolle des Oberpriesters Oroe übernommen hatte: Ryan Speedo Green, der in der Staatsoper nicht sonderlich auffiel, erzielt mit dem Oberpriester einen großen persönlichen Erfolg; er präsentiert eine mächtige, markante Bass-Bariton-Stimme, die am Ende mit Jubel quittiert wird.

Nehmt alles nur in allem: die Belcanto-Qualitäten der Solisten, das großartige Met-Orchester unter Maurizio Benini und der zumindest vokal erstklassige Met-Chor überdeckten die unfreiwillige Nähe zur Parodie.

Peter Dusek

 

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