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MÜNCHEN/ Reaktorhalle: DER EINGEBILDETE SOKRATES von Giovanni Paisiello

22.06.2017 | Oper

Sehenswerte Opernrarität in München: „Der eingebildete Sokrates“ von Giovanni Paisiello (Vorstellung: 21. 6. 2017)

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Immer wieder überrascht die Theaterakademie August Everding das Münchner Publikum mit selten gespielten Opern. Die neueste Produktion ist die komische Oper „Der eingebildete Sokrates“ von Giovanni Paisiello (Libretto: Ferdinando Galiani und Giovanni Battista  Lorenzo; deutsche Fassung: Peter Brenner) in der Reaktorhalle in München, wo die Studentinnen und Studenten des Studiengangs Musiktheater / Operngesang im Einsatz waren.

Der Inhalt der Oper, deren Uraufführung 1775 mit großem Erfolg in Neapel stattfand, in Kurzfassung: Don Tammaro, der sich in der Lektüre der antiken Philosophen verloren hat, hält sich für den zweiten Sokrates und beginnt das Leben seines Idols nachzuahmen, wobei er nichts unversucht lässt: von der Toga über Doppelhochzeiten bis zum Wunsch, einen Nachttopf über den Kopf gegossen zu bekommen! Seine Frau Donna Rosa muss als Xanthippe herhalten, der einfältige grobschlächtige Barbier Antonio ist für ihn Plato und schließlich erhalten alle Familienmitglieder neue Namen. Diese verfolgen allerdings ganz andere Ziele und wünschen sich bald den Ehemann, Vater und Hausherrn von früher zurück.

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Cilla (Pauline Rinvet) und Donna Rosa (Natalya Boeva) im Kampf um Don Tammaro (Foto: Jean-Marc Turmes)

Giovanni Paisiello (1740 – 1816) gilt als einer der einflussreichsten Komponisten des 18. Jahrhunderts und hinterließ der Nachwelt mehr als 80 Bühnenwerke. Er wurde nicht nur von Kaiserin Katharina der Großen nach St. Petersburg berufen und von Napoleon Bonaparte nach Paris eingeladen, sondern auch von Joseph II. nach Wien, wo er seine Oper Il re Teodoro  komponierte. Nach seiner Rückkehr nach Neapel – er studierte am Konservatorium San Onofrio von 1754 bis 1763 – bot ihm König Ferdinand IV. ein hohes Gehalt und eine stattliche Pension an, die Paisiello verpflichtete, jährlich eine Oper für das Teatro di San Carlo in Neapel zu schreiben.

Die Musik der komischen Oper Socrate immaginario des Mozart-Zeitgenossen, die voller Aufregungen und Verwechslungen ist, bot ein farbenfrohes Spektrum von der anspruchsvollen Arie über turbulente Ensemble-Szenen bis hin zum volkstümlichen Tanz, wodurch die jungen Studentinnen und Studenten alle Möglichkeiten bekamen, ihr bereits erworbenes Können unter Beweis zu stellen – und sie nützten dies in der Inszenierung von Rosamund Gilmore großteils auf exzellente Art und Weise. Die britische Regisseurin, die auch Choreographin ist, übertrieb allerdings in der Personenführung das tänzerische Element allzu sehr, was des Öfteren groteske Formen annahm. Für die Bühnengestaltung und die Kostüme zeichnete Verena Hemmerlein verantwortlich, die sowohl die Bühnenprospekte wie auch die Gewänder – ein Mix aus Barock und Modern – durchgehend in Blautönen  gestaltete.

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Natalya Boeva als Donna Rosa mit Irakli Atanelishvili als Don Tammaro (Foto: Jean-Marc Turmes)

Aus dem ausgewogenen Sängerensemble ragten der georgische Bass Irakli Atanelishvili in der Titelrolle sowie die russische Mezzosopranistin Natalya Boeva als seine Ehefrau Donna Rosa besonders heraus. Beide boten sowohl stimmlich wie schauspielerisch beeindruckende Leistungen. Er ließ als eingebildeter Philosoph seinen warmen Bass strömen, sie verwandelte sich temperamentvoll in eine furchterregende Xanthippe, die keine Nebenbuhlerin duldete. Schon gar nicht die hübsche Cilla, die von der französischen Koloratursopranistin Pauline Rinvet eindrucksvoll gespielt wurde.

Quicklebendig agierte als Tochter von Don Tammaro die Sopranistin Kathrin Zukowski, die in den jungen Ippolito – dargestellt vom koreanischen Tenor Jaeil Kim – verliebt ist, aber auf Wunsch des Vaters den grobschlächtigen Meister Antonio alias Pluto heiraten soll, der vom Bariton Carl Rumstadt mit großer Routine gespielt wurde. Er ist seit 2016 Ensemble-Mitglied vom Theater Bern und gastierte unter anderem auch bereits an der Grazer Oper.     

In kleineren Rollen boten noch die ungarische Sopranistin Réka Kristóf und die serbische Sopranistin Alisa Milosevic ansprechende Leistungen. Ein wenig zu steif agierte der belgische Bariton Bavo Orroi als Diener Calandrino, was vermutlich auf die Personenführung der Choreographin zurückzuführen ist. Seine Idee, Don Tammaro einen Schlaftrunk zu reichen (für Sokrates der todbringende Schierlingsbecher), führt schließlich zum Happyend der Oper.   

Sehr temperamentvoll leitete die irische Dirigentin Maria Fitzgerald das international besetzte Orchester Concerto München, das im Vorjahr gegründet wurde und aus Interpreten der Alten-Musik-Szene zusammengesetzt ist. Hauptziel des Orchesters ist, ein breitgefächertes Repertoire auf Originalinstrumenten in historischer Aufführungspraxis zu präsentieren. Künstlerischer Leiter des Orchesters ist der Organist und Cembalist Johannes Berger.

Das Publikum ist der ausverkauften Reaktorhalle in München belohnte am Schluss der zweieinhalbstündigen Aufführung alle Mitwirkenden mit minutenlangem Beifall und Bravorufen für die Dirigentin und das Orchester.

Udo Pacolt

PS: Weitere Vorstellungen dieser Produktion finden noch am 23. und am 25. Juni 2017 in der Münchner Reaktorhalle (Luisenstraße 37a) statt.

 

 

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