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MÜNCHEN/ Prinzregententheater: PROSERPINE von Camille Saint-Saëns (Konzertant)

10.10.2016 | Oper

Wiederentdeckung einer Oper in München: „Proserpine“ von Camille Saint-Saëns (konzertante Aufführung: 9. 10. 2016)

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Camille Saint-Saëns

Im Rahmen seiner Sonntagskonzerte brachte der Bayerische Rundfunk am 9. Oktober 2016 im Münchner Prinzregententheater die in Vergessenheit geratene Oper „Proserpine“ von Camille Saint-Saëns konzertant zur Aufführung (in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln). Es war bereits das dritte gemeinsame Projekt des Münchner Rundfunkorchesters mit Palazzetto Bru Zane, dem Zentrum für französische Musik der Romantik, dessen Sitz in Venedig ist.  

Die Oper „Proserpine“, deren Libretto Louis Gallet verfasste und die 1887 an der Opéra Comique in Paris uraufgeführt wurde, spielt in Italien des 16. Jahrhunderts. Sie handelt von der Kurtisane Proserpine, deren Liebe zu Sabatino unerwidert bleibt. Enttäuscht von ihm und den reichen Männern, die sich ihre Liebe nur kaufen, denkt sie darüber nach, sich einem armen Schlucker hinzugeben. Als der Verbrecher Squarocco gefangen genommen wird, der in Proserpinas Gemach Schmuck stehlen wollte, lässt sie ihn nicht ins Gefängnis werfen, sondern zwingt ihn, sie auf das Fest zu begleiten, das im Garten ihres Palastes stattfindet. – Im Kloster präsentiert Renzo seiner Schwester Angiola Sabatino als zukünftigen Ehemann, damit ihr Leben hinter Klostermauern zu Ende gehen kann. Bei einer Armenausspeisung mischt sich Squarocco unter die Menge und beobachtet Angiola. – Im Zigeunerlager in den Bergen bittet Squarocco die Zigeuner, Proserpine bei ihrem Plan zu unterstützen, die Verlobten Angiola und Sabatino auseinanderzubringen. Proserpine fühlt sich ihrer Namensvetterin Proserpina, der Göttin der Unterwelt, seelisch verbunden und erbittet ihre Hilfe. Nach einem Unfall ihrer Kutsche wird Renzo von Squarocco überwältigt und Angiola von Proserpine mit dem Tod bedroht. Doch Renzo kann sich befreien und mit Hilfe von Soldaten Squarocco festsetzen. – Sabatino bereitet sich in seinem Haus auf die bevorstehende Hochzeit mit Angiola vor, als überraschend Proserpine erscheint und ihm ihre Liebe gesteht. Sabatino weist sie zurück und verlässt das Haus, um seine Verlobte in Empfang zu nehmen. Proserpine stürzt herbei, um Angiola zu erdolchen. Als sich Sabatino schützend vor seine Verlobte wirft, tötet sich Proserpine selbst. Im Sterben wünscht sie den Liebenden, miteinander glücklich zu werden.

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Ulf Schirmer inmitten seines Orchesters. Foto: BR

Den Bezug zur Mythologie findet man nur im 3. Akt, als Proserpine ihre Namensvetterin Proserpina, die Göttin der Unterwelt, um Hilfe ruft, wobei sie sich und die antike Göttin als „reines sans soleil“, als „Königinnen ohne Sonne“ bezeichnet. So wie die Göttin fernab vom  Tageslicht lebt, so lebt die Kurtisane weit weg von der Liebe. 

Die Oper selbst stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Elf Tage nach der Uraufführung brach in der Opéra Comique ein verheerender Brand aus, der die Kulissen und einen Großteil des Notenmaterials vernichtete. Lediglich die Orchesterpartitur wurde verschont, dennoch war an weitere Aufführungen nicht zu denken. So blieb das Werk bis heute eines der am meisten vernachlässigten Stücke von Camille Saint-Saëns.

Für die musikalisch hohe Qualität der konzertanten Aufführung im Prinzregententheater sorgte das Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ulf Schirmer, der mit seinem leidenschaftlichen Dirigat das Publikum schon mit der Ouvertüre in Begeisterung versetzte.  Die Partitur spiegelte eine Mischung der Stile wieder. Wie Florian Heurich in seinem im Programmheft abgedruckten Artikel „Königin der Nacht und Engel des Tags“ ausführt, sah sich Saint-Saëns gezwungen, seine Theaterästhetik öffentlich in der Musikzeitschrift  Le ménestrel zu verteidigen. Ein Zitat daraus: „Ich glaube, dass das Drama auf eine Synthese verschiedener Stile zusteuert: der Gesang, die Deklamation, die Symphonie vereint in ständigem Gleichgewicht, sodass der Schöpfer alle Mittel der Kunst ausschöpfen kann und der Zuhörer all seine legitimen Geschmäcker befriedigt sieht.“ Der Librettist Louis Gallet bezeichnete den Charakter der vier Akte der Reihe nach als „symphonisch, melodisch, pittoresk, dramatisch“.

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Veronique Gens. Foto: Marc Ribes

 In der Titelrolle glänzte die französische Sopranistin Véronique Gens durch ihre wandelbare, breit gefächerte Stimme. Zuerst völlig ruhig im Ton, dann larmoyant und schließlich dramatisch. Ich hätte sie gerne in dieser Rolle szenisch erlebt! Ihre Gegenspielerin Angiola wurde von der französischen Sopranistin Marie-Adeline Henry mit großer stimmlicher Leidenschaft verkörpert, wobei die attraktive Sängerin im schmucken Jugendstilkleid auch mimisch viel beisteuerte.

Der elegante kanadische Tenor Frédéric Antoun sang den umworbenen Sabatino mit hell tönender Stimme. Ein guter Gegensatz zu ihm war der französische Bassist Jean Teitgen, dessen tiefe, warme Stimme in der Rolle von Angiolas Bruder Renzo das Publikum zu  beeindrucken wusste. Mit großer Bandbreite in der Stimme gab der englische Bassbariton Andrew Foster-Williams den Schurken Squarocca.

Gleich in zwei Rollen, als Filippo und Gil, war der armenische Tenor Artavazd Sargsyan zu hören. Als Filippo, einer der vielen Freier, legte er in seinen Gesang eine in einer konzertanten Aufführung noch selten gesehene Leidenschaft und Mimik an den Tag. In kleineren Rollen waren noch zu hören: als Mädchen, Novizin und Nonne die junge Schweizer Sopranistin Clémence Tilquin, als Freier Orlando der französische Tenor Mathias Vidal und als Freier Ercole der französische Bariton Philippe-Nicolas Martin.   

Großes Stimmvolumen bewies der Vlaams Radio Koor (Einstudierung: Edward Caswell / Hervé Niquet), der links und rechts vom Orchester angesiedelt war. Sie alle trugen zum Erfolg dieser Wiederentdeckung bei.

Das von der hohen musikalischen Qualität der Aufführung begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall und vielen Bravorufen. Neuerlich war es dem Bayerischen Rundfunk in Kooperation mit „Palazzetto Bru Zane“ gelungen, eine in Vergessenheit geratene Oper an die Öffentlichkeit zu bringen.

Udo Pacolt

 PS: Für die Spielzeit 2017 / 18 ist eine weitere Wiederentdeckung geplant: „Le tribut de Zamora“ von Charles Gounod, dessen Geburtstag sich 2018 zum 200. Mal jährt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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