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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater in der Reithalle: KING ARTHUR. Premiere

08.12.2016 | Oper

München – Gärtnerplatztheater in der Reithalle: King Arthur (Premiere am 8.12.2016)

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Cupido (Caroline Schnoor) im Vordergrund, der Cold Genius (Tobias Greenhalgh) im Hintergrund . © Marie-Laure Briane

Mit der 1691 im Londoner Dorset Garden Theatre uraufgeführten Semi-Oper „King Arthur“ erreichten der Theaterdichter John Dryden (1631 – 1700) und der Komponist Henry Purcell (1659 – 1695) ein gelungenes Zusammenwirken von Musiktheater, Schauspiel, Tanz und Bühnenzauber und setzten neue Maßstäbe für die britische Musiktheaterkultur. Dryden hatte den Dramentext bereits 1684 für das 25. Jubiläum der englisch-monarchischen Restauration Charles II. geschrieben, musste das Werk jedoch nach dessen Tod 1685 gründlich überarbeiten. Zudem verlangte auch die Musik Purcells, der 1690 mit der Komposition beauftragt wurde, einige Änderungen in der Dichtung, denen sich Dryden fügte.

Mit optischen Zitaten an dieses Zeitalter beginnt auch die aktuelle Inszenierung von „King Arthur“ des Gärtnerplatztheaters in der Münchner Reithalle, Premiere war am gestrigen 8. Dezember, in der Regie von Torsten Fischer und unter der musikalischen Leitung des scheidenden Chefdirigenten Marco Comin. Aber schon sehr bald ändert sich das Bild. Chor und Ballett entledigen sich Frack, Abendkleid und Halskrausen, um in der Folge in Hemd und Unterwäsche (Bühne und Kostüme: Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos) zu agieren. Da wird reihenweise gemordet, kopuliert und vergewaltigt und auch an den Chor (Einstudierung Felix Meybier) werden jede Menge choreographische Anforderungen gestellt (und gemeistert). Eine schräge Ebene bildet die Bühne, eine beleuchtete Vollmondscheibe (?) den Bühnenhintergrund. Auf diese Schräge werden irgendwann auch politische Schlagworte, alle möglichen -ismen, projiziert über die die Mitwirkenden scheinbar nach oben laufen. Ist das Regiekonzept bis zur Pause noch einigermaßen nachvollziehbar (warum Pappschachteln zerrissen werden, hat sich dem Schreiber dieser Zeilen allerdings nicht erschlossen),  kippt die Aufführung nach der Pause teils ins unfreiwillig Komische und teils in extreme Peinlichkeit. Aus überdimensionierten Müllsäcken werden weiße Kunststoffbälle – wohl riesige Hagelkörner als Zeichen der Kälte –  über die Bühnenschräge entleert, was zu höhnischem Spontanbeifall des Publikums führt; der Traum eines friedlichen Lebens erinnert in seiner Umsetzung (Männer und Frauen gleich gewandet in glitzernden hochgeschlitzten Kleidern) an unappetitliche Witze in besoffenen homophoben Männerrunden (Choreographie: Karl Alfred Schreiner).

„King Arthur“ ist eine der fünf Semi-Opern, die der jung verstorbene Henry Purcell komponierte und in denen er Gesang, Ballett und Schauspiel kombinierte. Man könnte diese Kunstform also als eine Frühform des Musicals bezeichnen oder auch als Vorläufer des Singspiels oder der Spieloper. Deutungen, die der musikalische Leiter der Neuproduktion mit guten Argumenten und nicht unberechtigt ablehnt. Purcell, der als der bedeutendste englische Komponist vor Britten gilt und schon zu Lebzeiten mit dem Ehrentitel „Orpheus britannicus“ gewürdigt worden ist, führte diese Kunstform, die nach seinem Tod sehr schnell von der italienisch dominierten Oper eines Georg Friedrich Händel verdrängt wurde, zur Hochblüte. Torsten Fischer – die Wiener erinnern sich noch an seine szenische Umsetzung von Salieris Falstaff kürzlich, die bei Presse wie Publikum durchaus umstritten war – hat das Werk gekürzt und für die Reithalle eingerichtet. Die gesprochenen Texte sind in einer teils abenteuerlichen Übersetzung deutsch, gesungen wird original in Englisch.

Für dieses  Zusammenspiel aus Sprache, Gesang, Tanz und der spezifischen Instrumentierung bedarf es allerdings nicht nur der geeigneten Darsteller und Musiker sondern vor allem auch eines passenden Raumes. Und der ist mit der Reithalle leider nicht gegeben. Der bekennende Fan des Gärtnerplatztheaters hofft, dass sich die Renovierung erfolgreich dem Ende nähert und das Stammhaus bald wieder zur Verfügung steht. Was bei der Premiere von „Liliom“ vor ein paar Wochen noch als inszenatorischer Kniff gewirkt hat, das Orchester ist auf der Hinterbühne platziert, ist bei diesem Stück störend. Die Musiker sitzen unsichtbar irgendwo hinter der Szene, der Ton kommt aus Lautsprechern. Das mindert den Gesamteindruck gewaltig, denn Marco Comin hat mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz hörbar und erfolgreich gearbeitet (ich erinnere mich an „Semele“ vor ein paar Jahren, bei der das Orchester keineswegs überzeugen konnte) und im Basso continuo findet sich sogar eine Theorbe. Schade, denn so geht ein nicht unwesentlicher Teil des barocken Klangbildes ohne Schuld der Musiker oder des Dirigenten verloren.

Mikroports benötigen auch die Sänger und Schauspieler. Und auch hier gilt das zuvor Gesagte – das originäre Klangbild geht verloren. Wobei ehrlicherweise angemerkt werden muss, dass die Akustik und der Bau der Reithalle ein Singen und Sprechen ohne technische Unterstützung kaum möglich machen. Aber die Feinheiten von Purcells Musik gehen dadurch leider zu einem guten Teil verloren. Es bleibt also ein pauschales Lob für Schauspieler wie Sänger, diese durchwegs in mehreren Rollen auf der Bühne, denen vom Regisseur immer wieder artistische und körperlich anstrengende Leistungen abverlangt werden: Simon Zigah (King Arthur), Judith Rosmair (Emmeline), Markus Gertken (Oswald), Camille Schnoor (Sopran 1), Sophie Mitterhuber (Sopran 2), Leela Subramaniam (Sopran 3), Frances Lucey (Sopran 4), Ann-Katrin Naidu (Alt), Tobias Greenhalgh (Merlin und andere), Maximilian Mayer (Tenor 1), Juan Carlos Falcon (Tenor 2) und Christoph Seidl (Bass). Ein Extralob muss dem Chor ausgesprochen werden, der nicht nur stimmlich gefordert ist, sondern in einzelnen Szenen auch das Ballett ergänzt.

Michael Koling

 

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