München: Bayerische Staatsoper, Opernfestspiele: „Der feurige Engel“, 16.07.2016
Nur eine einzige Reprise erlebte die letzten Dezember in München erstaufgeführte Oper von Sergej Prokofjew bei den diesjährigen Opernfestspielen und diese war ein ebenso großer Erfolg wie die Premiere.
In der Spielplanvorschau findet man einen Text von Volkmar Sigusch zum feurigen Engel, der darauf hindeutet, dass es sich bei Renata und Ruprecht um ein Ehepaar handeln könnte, das in einem Luxus-Hotel abgestiegen ist um dort seine gemeinsamen sexuellen Phantasien auszuleben. Am Ende stehen sie jedenfalls wie ausgebrannt im völlig leeren Zimmer, die beiden Stunden zuvor waren angefüllt mit bildgewordenen psychedelischen Phantasien, orgiastischen Exzessen und religiösen Obsessionen. Die Inszenierung von Barry Kosky ist in sich stimmig und schlüssig, vom Beginn, Ruprecht als Geschäftsmann mit Wodka aus dem Duty-Free Shop, bis zum Ende, als Renata von unzähligen, als Jesus mit Dornenkrone verkleideten Nonnen, bedrängt wird.
Svetlana Sozdateleva (Renata), Evgeny Nikitin (Ruprecht), Kevin Conners (Mephistopheles), Chor der Bayerischen Staatsoper . Foto: © Wilfried Hösl
Prokofiew selbst hat über den Feurigen Engel gesagt, in der Musik sei wenig Göttliches, aber eine „Unmenge Orgiastisches“. Ihn hatte an der Vorlage der Gegensatz von Vernunft und Aberglaube und die Entfesselung dämonischer Leidenschaft gereizt. Vladimir Jurowski am Pult milderte den wilden hysterischen Furor der Partitur nicht ab, er entfesselt mit dem Bayerischen Staatsorchester eine Höllenfahrt von unglaublicher Farbigkeit und schriller Brutalität. Das führte zu einem selten gehörten Sog der Musik, aber auch zu einem Dauerexpressivo, das im fünften Akt zu Ermüdung führte.
Zu den Sängern: Was Evgeny Nikitin da abgeliefert hat, war einfach großartig. Wenn er das darunter versteht, „einfach nur singen, was in der Partitur steht“ – das hat er in einem Interview vor der Premiere gesagt – dann darf er das gerne immer so machen. Er sang diese sehr schwer klingende Partie scheinbar mühelos, mit großer Stimme, facettenreich… ich bin immer noch begeistert.
Ebenso von Svetlana Sozdateleva. Was hat die eine große Stimme! Man hatte nie den Eindruck, die müsste brüllen oder forcieren, um über die Blechbläserwogen zu kommen. Eine kräftige, warme Tiefe und Mittellage, ausdrucksstark, nie schrill in der Höhe. Hochdramatisch, aber mit lyrischen Qualitäten. Ihr Spiel erinnerte mich in seiner körperbetonten, manchmal tänzerischen Intensität an Evelyn Herlizius, allerdings ohne deren Manierismen, wie weit aufgerissener Mund, etc. Eine phantastische Sängerin und Schauspielerin. Eine zukünftige Isolde?
Aus dem Ensemble um die beiden Hauptfiguren sticht vor allem Kevin Conners als Mephistopheles hervor. Von der Regie mit einem Baströckchen und wenig drunter – was man sieht ist aber aus Plastik – versehen, zieht er sowohl stimmlich als auch darstellerisch alle Register. Die Äbtissin Okka von der Damerau und der Inquisitor Goran Juric gehen optisch in der Schar der Jesus-Nonnen unter, stimmlich sind sie eine Luxus-Besetzung. Weitere epsiodische Rollen waren die Schenkwirtin (Heike Grötzinger), die Wahrsagerin (Elena Manistina), Agrippa von Nettesheim (Vladimir Galouzine, er ging gelegentlich in den Orchesterwogen unter), Faust (Igor Tsarkov) Jakob Glock (Ulrich Reß), u.v.m.
Großes Lob auch dem Chor, vor allem den Damenchor für die großartige schauspielerische Leistung in der Klosterszene.
Kurzer, heftiger Applaus vor allem für die beiden Hauptdarsteller und den Dirigenten.
Susanne Kittel-May