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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: TURANDOT

München: Bayerische Staatsoper: „TURANDOT“, 17.12.2016

Die Inszenierung der „Turandot“ von Carlus Padrissa – La Fura dels Baus aus dem Jahr 2011 ist ein opulentes Bühnenspektakel, wie man es für gewöhnlich eher in einem aufwändig produzierten Musical als in einem Opernhaus erwarten würde: Schlittschuhläuferinnen, Breakdance-Einlagen, an Seilen schwebende Artisten, zahlreiche Video-Projektionen – zum Teil in 3D, weshalb jeder Zuschauer vor der Aufführung eine 3D-Brille erhält – und vieles mehr. „Im Jahr 2046 steht das ehemals wohlhabende Europa ganz unter Chinas Herrschaft. Vor mehr als 30 Jahren hatte China Europa aus einer finanziellen Krise gerettet, indem es die Schulden, den Besitz und die natürlichen Ressourcen Europas komplett aufkaufte. China ist jetzt die neue Weltmacht. Turandot, die Prinzessin aus Eis, kontrolliert gleich Big Brother jeden europäischen Bürger“, so die Einführung in diese Inszenierung auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper. Carlus Padrissa arbeitet einerseits mit plakativer fernöstlicher Symbolik, wie etwa entsprechenden Schriftzeichen und Kostümen (Chu Uroz), und andererseits mit Symbolen, welche dem Eis-Thema entlehnt sind. Dabei richtet Carlus Padrissa sein Augenmerk weniger auf eine differenzierte Personenführung als vielmehr ganz auf die Erzeugung beeindruckender Bilder (Bühne: Roland Olbeter) sowie ein actionreiches Bühnengeschehen, von dem man als Zuschauer angesichts der Fülle des gleichzeitig Dargebotenen häufig nur einen Teil erfassen kann.

Damit der musikalische Teil der Aufführung von einer so aufwändigen Bühnenshow nicht in den Hintergrund gedrängt wird, bedarf es schon sehr guter musikalischer Leistungen, wie sie in der letzten Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie am 17.12.2016 durchweg geboten wurden. Die Titelpartie gestaltete Nina Stemme souverän mit ihrem eher etwas dunkleren, vollen Sopran ohne jede Schärfe selbst in den dramatischsten Teilen. Die Eiseskälte Turandots, die Gefühlslage der flehenden Tochter nach dem Lösen der Rätsel durch Calaf sowie die Wandlung Turandots durch das Zusammentreffen mit Liù und deren Tod – all das brachte Nina Stemme ganz überzeugend stimmlich zum Ausdruck, auch wenn ihr produktionsbedingt für den letzten Teil nur relativ wenig Raum blieb, da sich diese Produktion auf das von Puccini selbst komponierte Fragment beschränkt und bereits nach dem Tod Liùs endet.

Als Calaf begeisterte Stefano La Colla mit seinem klangschönen, ausgewogenen, eher dunkel timbrierten, kräftigen, virilen Tenor, der über eine strahlende Höhe verfügt und sich auch gegen die größten Klangwogen scheinbar mühelos durchzusetzen vermochte. Insgesamt eine stimmliche Leistung, die nachhaltig beeindruckte! Golda Schultz bezauberte mit einer sehr berührenden, innigen Darbietung der Liù, die sie mit ihrem warmen, vollen und leuchtenden Sopran sensibel gestaltete.

Mit seinem vollen Bass überzeugte Goran Jurić als Timor. Andrea Borghini als Ping führte mit seinem vollen, dunklen Bariton die Riege der drei Minister an, welche von den Tenören Kevin Conners (Pang) und Matthew Grills (Pong) ebenfalls mit guten Leistungen komplettiert wurde. Die weiteren Rollen waren mit Ulrich Reß als Kaiser, Anatoli Sivko als Mandarin und Thorsten Scharnke als Prinz von Persien homogen besetzt.

Thomas Søndergård, der in den letzten beiden Aufführungen dieser Serie für den erkrankten Dan Ettinger dankenswerterweise eingesprungen war, leitete das Bayerische Staatsorchester sowie den stimmgewaltigen Chor und Extrachor sowie Kinderchor der Bayerischen Staatsoper temperamentvoll und kostete die dynamische Bandbreite der Musik Puccinis voll aus. Am Ende kräftiger, wenngleich recht kurzer, Applaus mit besonderem Jubel für Golda Schultz und Stefano La Colla.

Martina Bogner