Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper im Prinzregententheater: „LES INDES GALANTES“ von J.Ph. Rameau

29.07.2016 | Oper

München:Zweite Premiere der Münchner Opernfestspiele:„LES INDES GALANTES“ im Prinzregententheater, 27.7.2016

 

Die Ballettoper von Jean-Philippe Rameau erstmals szenisch in München

 Mit der Premiere von „Les Indes galantes“ am 24.7.2016 fand erstmals eine Oper von Jean-Philippe Rameau (1683 – 1764) auf eine Bühne der Bayerischen Staatsoper.   Die Genrebezeichnung ist „Opéra-ballet“, was in etwa bedeutet, dass das Ballett nicht schmückende Zutat zum Gesang der Opernsänger ist oder als Tanzstück zur Unterhaltung zwischen die einzelnen Akte der Oper eingefügt oder am Ende angehängt wird („Divertissement“), sondern dass der Tanz bzw. die Tänzer in die Handlung einbezogen sind, ja teilweise Träger der Handlung sind, während die Sänger mit ihren Arien eher den gefühlsmäßigen Gehalt der Handlung vermitteln. Eine solche Ballettoper besteht aus mehreren Teilen, den sogenannten „Entrées“, die jeweils eine eigene, abgeschlossene Handlung haben.

Rameau war schon ein erfolgreicher Komponist von Instrumentalwerken und ein bekannter Musiktheoretiker, als er im Alter von 50 Jahren die ersten Opern komponierte, die trotz großer Popularitätaber bald nach seinem Tod vergessen und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt worden sind.1735 entstand „Les Indes galantes“ (wobei man damals als „Inder“ alle Bewohner ferner, als exotisch empfundener Länder bezeichnete).Die Oper besteht aus einem Prolog und vier Akten, die jeweils eine Liebesgeschichte in schwierigen oder ungewöhnlichen gesellschaftlichen Konstellationen im Orient, bei den Inkas in Peru, in Persien und bei amerikanischen Indianern behandeln. Für die Inszenierung und die Choreographie ist der flämisch-marokkanische Choreograph Sidi Larbi Cherkaouian die Bayerische Staatsoper verpflichtet worden, der schon einmal mit dem Bayerischen Staatsballett gearbeitet hat, nun aber erstmals als Opernregisseur tätig ist. Er versucht weitgehend erfolgreich, die Handlungen der vier Geschichten zu abstrahieren, für moderne Zuschauer verständlich zu machen und neben dem Charme und dem Humor der Liebesgeschichten die Probleme herauszuarbeiten, die damals wie heute bestehen:  Unbehagen vor Fremdem, religiöse Intoleranz, Flüchtlingselend.Bei der Aktualisierung und Verlebendigung der Geschichten wird der Regisseur auf das Wirkungsvollste unterstützt durch die witzigen, das Herkunftsland nur andeutenden Kostüme von Greta Goiris und den abstrahierten Einheitsbühnenraum von Anna Viebrock, der mit ideenreichen und witzigen Ausstattungsstücken in das jeweilige Kolorit getaucht wird.

Die Tänzerinnen und Tänzer, die die zeitgenössische Choreographie Cherkaouis mit unglaublicher Körperkunst und beachtlichem Schauspieltalent tanzen, gehören mehrheitlich der Company Eastman in Antwerpen oder dem Königlich Flämischen Ballett an, die beide von Cherkaoui geleitet werden. Auch von den Sängern werden schauspielerische Wandlungsfähigkeit und nicht geringe Bewegungskunst gefordert, was, verbunden mit den individuellen Leistungen im französischen Barockgesang, das Publikum zu stürmischer Begeisterung animierte. Durch die vier Geschichten in den vier Akten ergaben sich viele Solorollen, die alle hervorragend gesungen und interpretiert wurden, hier aber nicht einzeln aufgeführt werden können. Es sangen und spielten: Lisette Oropesa, Goran Jurič, Ana Quintans, Tareq Nazmi, Elsa Benoit, Cyril Auvity, Francois Lis, Anna Prohaska, Mathias Vidal und John Moore.

Die Chorpassagen sang der für seine Barockmusik-Erfahrung viel gerühmte Balthasar-Neumann-Chor, Freiburg (Leitung: Detlef Bratschke). Ausschließlich aus  Spezialisten für Barockmusik und ihre Barockinstrumente setzt sich das„Münchner Festspielorchester“ zusammen, das sich speziell für diese Produktion zusammengefunden hat. Und last, but not least: Die musikalische Leitung lag in den bewährten Händen vonIvor Bolton, der zum Erklingen brachte, wovon er in mehreren  vorbereitenden Veranstaltungen und Interviews über die Musik Rameaus geschwärmt hatte:„ ….dass dieser Komponist eine wahnsinnig originelle Stimme innerhalb der Musikgeschichte darstellt, hinsichtlich der Lebendigkeit des Ausdrucks, der Orchestrierung und vor allem der Harmonie.“ 

Das Publikum applaudierte allen Mitwirkenden begeistert und ungewöhnlich lange. Es gab aber aus den vorherigen Vorstellungen auch Stimmen, die sich durch die nahezu vierstündige Aufführungsdauer und das quirlig-bunte Bühnengeschehen überfordert fühlten. – Verständlich, dass „Les Indes galantes“ wegen der komplexen Anforderungen an die Mitwirkenden und die Ausstattung nicht ins Repertoire gehen kann. Aber schade ist es schon!

Helga Schmöger

 

Diese Seite drucken