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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: IL TRITTICO – Der Tod und Petrenko

22.12.2017 | Oper

München: “Il Trittico” – Bayerische Staatsoper – 21.12.2017 Der Tod und Petrenko

Drei Werke, von Puccini als Trittico, also als Triptychon geplant, ein tragisches (Il tabarro), ein lyrisches (Suor Angelica) und ein heiteres Stück (Gianni Schicchi) an einem Abend. Das kommt nur selten so zur Aufführung, aber die Bayerische Staatsoper beweist in der Neuproduktion unter dem Dirigat von Kirill Petrenko, dass es genauso gezeigt werden muss, weil man so an einem Abend zeigen kann, was Oper alles sein kann: tiefste Verzweiflung, erschütterndste Trauer und entlarvende Komik.

Der Bühnenbildner Bernhard Hammer schafft für die drei Werke ein Einheitsbühnenbild, einen sich nach hinten verengenden Raum, einen mehrteiligen Zeittrichter, aus dem der Nebel von Paris kriecht, der Weihrauch der Klosterkirche und in dem am Ende von Gianni Schicchi die habgierige Verwandtschaft verschwindet.

Die niederländische Regisseurin Lotte de Beer stellt in diese Umgebung genau beobachtete Menschen, sie kennt kein Gut und Böse in diesen drei Werken, sondern hat großes Einfühlungsvermögen für alle Charaktere, ob das der traurige, eifersüchtige Michele im Tabarro ist oder die Fürstin in Suor Angelica, alle zeichnet sie als Individuen und macht die Motive hinter der Fassade sichtbar. Bei letzterer wird mit kleinen Gesten der Zuwendung, die so kurz sind, dass Suor Angelica sie gar nicht bemerken kann, deutlich, dass die Konvention es ihr verbietet, Mitgefühl zu zeigen. Die Konvention, in die die so eingeschnürt ist, wie in ihr Kleid. So ist es nur folgerichtig, dass sie es ist, die als Erscheinung in einem hell erleuchteten Kreuz der sterbenden Nichte den Sohn zuführt. Das beeindruckendste Bild dieses Dreierabends.

Il Tabarro wird zum Genrebild der Armut und Verzweiflung, eine Ehe, die über dem Tod eines Kindes zerbrochen ist, am Ende: ein Mord. Die Musik mal impressionistisch, mal mit schneidenden Blechakkorden. Die Bühne schwankt leicht hin und her, wie die Wellen der Seine oder die Welt, die aus den Fugen ist. Am Ende, nach dem Mord, gibt es einen spektakulären Effekt: der Mittelteil des Trichters mit der Leiche Luigis dreht sich und wirft Giorgetta ihren von Michele ermordeten Liebhaber vor die Füße.

Wolfgang Koch ist ein leiser, berührender, in der Verzweiflung über den Verlust der Liebe seiner Frau umso eindringlicherer Michele. Die Musik tobt und er steht einfach da und singt seine Trauer und unterdrückte Wut ohne großes Pathos, das findet in der Musik statt. Eva-Maria Westbroek charakterisiert mit ihrem etwas flackerndem, dramatischem Sopran die in der unglücklichen Ehe gefangene Frau. Nur kurze Momente des Aufblühens schenkt ihr Puccinis Musik, die schönsten im Duett mit Yonghoon Lee, der den jugendlichen Liebhaber mit ebenfalls leicht flackernder Stimme und metallisch strahlenden Höhen gibt.

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Il Tabarro: Der Trichter dreht sich und wirft Giorgetta ihren von Michele ermordeten Liebhaber vor die Füße – Eva-Maria Westbroek, Wolfgang Koch, Yonghoon Lee © Wilfried Hösl

Suor Angelica: Zwei Frauen: die eine in Konventionen eingezwängt wir in ihr Kleid, schickt ihre Nichte ins Kloster, als sie ein uneheliches Kind bekommt, die andere zerbricht, als sie vom Tod ihres Kindes erfährt. Nicht die Muttergottes erscheint am Ende, sondern die scheinbar böse Fürstin bringt Angelica ihr Kind. Michaela Schuster zeigt mit kleinen Gesten, dass sie eigentlich ein mitfühlendes Herz hat, aber glaubt, das verbergen zu müssen und um der Konvention willen das tun zu müssen, was sie tut. Optisch wie stimmlich zwischen Hexe und Eiskönigin, eine großartige Leistung. Musikalisch ist dieser Teil des Trittico kontrastärmer wegen der Besetzung ausschließlich mit Frauenstimmen, Höhepunkte sind der Besuch der alten Fürstin und dann der Selbstmord und die Verklärungsszene. Ermonela Jaho als Sour Angelica singt zu Beginn noch verhalten, dann blüht ihre Stimme immer mehr auf, leuchtende Pianotöne und verzweifelte, niemals schrill werdende Höhen, machen ihre Darstellung zu einem erschütterndem, zu Recht vom Publikum mit dem größten Einzelapplaus gefeierten Erlebnis. Auch hier dreht sich am Ende der Trichter, diesmal mit einem gleißend hellen Lichtkreuz.

IL TRITTICO (SOUR ANGELICA): MICHAELA SCHUSTER (DIE FÜRSTIN), ERMONELA JAHO (SUOR ANGELICA) Giacomo Puccini: Il trittico. Premiere am 17. Dezember 2017. Musikalische Leitung: Kirill Petrenko. Inszenierung: Lotte de Beer
Sour Angelica: Die Fürstin bringt der sterbenden Sour Angelica Ihren Sohn zurück © Wilfried Hösl

Mit einem optischen Paukenschlag beginnt Gianni Schicchi. Der Trichter dreht sich schon zum Eröffnungsakkord und transportiert das Bett mit dem toten Buoso Donati an die Decke. Ein Gag der Regisseurin, ein Spielen mit den Erwartungen des Publikums, der mit Szenenapplaus belohnt wird. In diesem dritten Teil lässt Lotte de Beer ihrer Lust am Klamauk freie Fahrt: Die Kostüme sind so bunt wie mittelalterliche Altartableaus. Bis hin zu den beiden Kindern ist jede Person eine genau gezeichnete Charakterstudie, das pralle Leben eben, nur ein bisschen überzeichnet. Entlarvende Komik mit einem elegisch singenden, romantischen Liebespaar – ein großartiger Pavol Breslik mit Mut zur unkleidsamen Fransenperücke und die wunderbar mädchenhaft kokettierende Rosa Feola. Bei „O mio babbino caro“ geht ein Raunen durch den Zuschauerraum: endlich etwas, das man kennt. Ob Ambrogio Maestris komödiantisches Talent größer ist oder seine Stimmkraft und Gestaltung, ist schwer zu entscheiden. Michaela Schuster darf hier als habgierige Tante Zita brillieren.

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Gianni Schicchi: Bunt wie mittelalterliche Altartableaus – Ensemble © Wilfried Hösl

Ein großes Lob für das Besetzungsbüro der Bayerischen Staatsoper. Es sind hier ja drei stilistisch völlig verschiedene Werke zu besetzen, die noch dazu fast alle Stimmfächer erfordern: jugendlich dramatischer Sopran und Tenor und ein Heldenbariton im Mantel, dramatischer Sopran und Mezzo in Sour Angelica, lyrische Stimmen und einen gestandenen Charakterbariton in Gianni Schicchi. Und es sind nur ganz wenige Doppelbesetzungen möglich. Es ist gelungen eine herausragende Besetzung aus Gästen und vielen Ensemblemitgliedern zusammenzustellen und alle Rollen hervorragend zu besetzen.

Die Klammer über diese drei so unterschiedlichen Werke bildet das Dirigat von Kirill Petrenko. Er lässt das Bayerische Staatsorchester funkeln und glitzern, hebt den düsteren, feinnervig-impressionistischen Grundton von Il Tabarro genauso heraus, wie die subtile, überirdisch verklärte Instrumentation von Suor Angelica und die klappernd deklamatorischen Elemente von Gianni Schicchi. Es ist eine Freude seinen eleganten Bewegungen zuzusehen. Die Musik ist voller Spannkraft. Er gibt jedem Sänger den Einsatz. Er deckt sie nie zu, obwohl der Meister des Leisen auch ganz schön laut werden kann. Er holt aus allen Sängern – und aus dem Orchester – alles heraus, was sie an Gestaltungskraft zu geben haben. So sind dann auch ungewohnt leise, differenzierte Töne beispielsweise von Yonghoon Lee zu hören. Man hört die Freude, die es ihm bereitet, die Musik zum Klingen zu bringen, und man hört auch die Menschlichkeit, die das Werk und auch die Inszenierung prägt. So werden der Tod auf der Bühne und Petrenkos Dirigat in der Musik zu den einheitsstiftenden Elementen dieses großartigen Opernabends.

Susanne Kittel-May

 

 

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