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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: GUILLAUME TELL

München: Bayerische Staatsoper: „Guillaume Tell“, 17.05.2017

Bildergebnis für bayerische Staatsoper: Guillaume Tell
Copyright: Wilfried Hösl

Die Inszenierung des „Guillaume Tell“ von Antú Romero Nunes feierte bei den Münchner Opernfestspielen 2014 ihre Premiere. Die Bühne (Florian Lösche) wird von insgesamt fünfzig säulenartigen, metallisch schimmernden, von der Decke schwebenden, großen Röhren beherrscht. Diese werden permanent neu angeordnet, so dass im Zusammenspiel mit einer effektvollen Lichtgestaltung (Michael Bauer) ständig neue Bilder und Räume entstehen, die ästhetisch sehr ansprechend sind. Hierbei werden teilweise ganz konkrete Objekte skizziert, wie etwa eine Kirche, Arnolds Elternhaus oder ein Wald. Zumeist geht es jedoch vor allem um die Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre passend zur szenischen Situation oder um die bildhafte Entsprechung der Gefühlslage der aktuell im Fokus stehenden Person(en). Diese technisch sehr anspruchsvolle Bühnenbildgestaltung ist somit keine bloße Demonstration der bühnentechnischen Möglichkeiten des Opernhauses, sondern vielmehr aufgrund der davon ausgehenden – im Einklang mit dem Werk stehenden – emotionalen Wirkungen eine echte Bereicherung, quasi ein Verstärker für den musikalischen und szenischen Ausdruck. Die Personenführung hingegen ist über weite Strecken recht statisch. Häufig stehen die Sänger an der Rampe und wirken ein wenig auf sich allein gestellt bezüglich der Ausgestaltung ihrer Figur.

Die Aufführung am 17.05.2017 war die letzte der aktuellen, vier Abende umfassenden Wiederaufnahmeserie. Der für die Titelrolle vorgesehene Gerald Finley konnte krankheitsbedingt leider nur die ersten beiden Abende bestreiten. In der ersten Vorstellung gestaltete er mit großem Feingefühl den komplexen Charakter des Tell, der einerseits demagogisch, hitzköpfig und manipulativ, andererseits aber auch fürsorglich und voller Vaterliebe ist. In der zum Apfelschuss führenden Szene muss Guillaume Tell erschrocken feststellen, dass ihn – bedingt durch die Vorbildfunktion für seinen Sohn – die Folgen seiner hetzenden Worte und seines aufrührerischen Handelns letztlich einholen, wenn nicht gar überrollen. In den letzten beiden Aufführungen sprang dankenswerterweise Nicola Alaimo als Guillaume Tell ein – sicherlich keine leichte Aufgabe, so kurzfristig eine derart komplexe Titelpartie in einer bestehenden Produktion zu übernehmen. Mit großer Spielfreude und ebensolcher Bühnenpräsenz gestaltete Evgeniya Sotnikova – wie bereits in der Premierenserie – die Rolle des Jemmy. Sie beeindruckte zum einen mit ihrer insbesondere auch in der Körpersprache absolut glaubwürdigen Darstellung eines aufmüpfigen, frechen, von den Worten und dem Verhalten seines Vaters angestachelten, pubertierenden Jungen. Zum anderen begeisterte die zierlich gebaute Sopranistin mit ihrer voluminösen, leuchtenden Stimme. Yosep Kang meisterte die Partie des Arnold mit seinem metallischen, strahlenden Tenor scheinbar mühelos. Er brachte den Loyalitätskonflikt, in den Arnold aufgrund seiner Liebe zu der dem Feindeslager angehörenden Mathilde gerät, ebenso zum Ausdruck wie Arnolds Verzweiflung nach der Nachricht vom Tod seines Vaters, welche nicht zuletzt wegen Tells Manipulation in Wut und Hass gegen Gesler und dessen Mannen umschlägt. Sehr schön gelang Erika Grimaldi als Mathilde vor allem ihre große Arie „Sombre forêt“, die sie mit ihrem warmen, vollen Sopran sehr innig gestaltete. Die Figur des Gesler wurde von Luca Tittoto mit seinem volltönenden Bass weniger düster und böse dargestellt, als man es sich für den als „Unmensch“ bezeichneten und Personifikation des Bösen angelegten Machthaber wünschen würde. Hedwige, die biedere, den traditionellen Rollenklischees entsprechende Ehefrau Tells, lag – wie bereits in der Premierenserie – bei Jennifer Johnston mit ihrem warmen Sopran in bewährten Händen. Die kleineren Rollen waren mit Goran Jurić als Walter Furst, Petr Nekoranec als Ruodi, Christian Rieger als Leuthold, Kristian Paul als Melcthal und Kevin Conners als Rodolphe allesamt gut besetzt. In dieser an Chorszenen so reichen Oper erwiesen sich der Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper einmal mehr als äußerst stimmgewaltig.

Der Dirigent Antonello Allemandi wählte insgesamt ein sehr flottes Tempo, das insbesondere bei der (in dieser Produktion erst nach dem Apfelschuss gespielten) Ouvertüre so hoch war, dass das Bayerische Staatsorchester hier geradezu gehetzt klang.

Martina Bogner