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MÜNCHEN/Bayerische Staatsoper: DIE GEZEICHNETEN von Franz Schreker

Sex, Drugs und...

13.05.2018 | Allgemein, Oper

München:“Die Gezeichneten”–Bayerische Staatsoper12.05.2018– Sex, Drugs und …

Es ist schon erstaunlich, dass nach der Münchner Erstaufführung im Jahr 1919 fast 100 Jahre ins Land gehen mussten, bis das Werk wieder am Spielplan erschien. Dabei war Schreker einer der meistgespielten Komponisten seiner Zeit bis das NS-Regime wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 ein Aufführungsverbotüber seine Werke verhängte.Erst zu den Opernfestspielen 2017 wurden Die Gezeichneten an der Bayerischen Staatsoper von Krysztof Warlikowski neu inszeniert.

Zur Wiederaufnahme am Samstag ist das Haus ausnahmsweise nicht ausverkauft, wenn auch gut gefüllt. Doch nach der Pause bleiben noch zusätzlich Sitze leer, schwer zu verstehen bei dieser süffigen, eingängigen, expressiven Musik und der bildmächtigen Inszenierung, die allerdings manchmal auch etwas Leerlauf zeigt.

Warlikowski findet heutige Bilder für diese schwüle Geschichte um Sex, Drugs, und – nun ja, Rock’n’Roll ist das nicht gerade, aber immerhin hochexpressive, manchmal psychedelische Musik. Und er arbeitet mit einem Übermaß an Kunst-, Film- und Literaturzitaten, die man aber nicht unbedingt alle entschlüsseln muss, um diese Inszenierung zu genießen.

Catherine Naglestad als Carlotta auf der Insel „Elysium“
© Wilfried Hösl

Die Sängerbesetzung dieser Wiederaufnahme ist fast identisch mit der der Premiere, eine Nebenrolle, GuidobaldoUsodimareist jetzt mit Manuel Günther besetzt, letztes Jahr sang diese Rolle noch Matthew Grills. Auch Günther hat mit hellem Tenor ordentlich geliefert, soweit man das bei dem wenigen, das er zu singen hat, beurteilen kann.

Die Sängerin der Carlotta, Catherine Naglestad, ließ sich mit einer Sommergrippe ansagen, von der aber nichts zu hören war. Expressiv und lyrisch, mit technische perfekt geführter gleichmäßiger Stimme, wunderschön aufblühenden Höhen und klangvoller Mittellage und Tiefe zeichnet sie das Portrait einer selbstbestimmten Frau, die letztendlich für ihre sexuelle Erfüllung stirbt.

John Daszak gab schon letztes Jahr ein eine beeindruckende Interpretationdes unglücklichen, aber reichen AlvianoSalvago, der sich wegen seines deformierten Äußeren zu einem Leben ohne Liebe und erotische Erfüllung verdammt sieht. Heuer klingt das noch freier, sicherer, müheloser. Trotz seines eher weißen Timbres kann er mit seiner Stimme berühren.

Tomasz Koniecznyleiht seinen etwas knarzigen Bariton dem aalglatten Politiker und Herzog Antoniotto Adorno. Christopher Maltman als Graf Andrea VitellozzoTamaredarf seinen warmen, kraftvollen Baritonverführerisch strömen lassen.

Die Riege der adligen Freunde Salvianos wird von Kevin Conners als MenaldoNegroni angeführt. Die Stimme nicht mehr ganz so sicher wie früher, es schleicht sich manchmal ein leichtes Vibrato ein. Peter Lobertals Julian Pinelligurrt mit profundem Bass seiner verlorenen Ginevra nach (die er am Ende davonträgt). Sean Michael Plumb als Michelotto Cibo, Andrea Borghini als GonsalvoFieschi und Andreas Wolf als Paolo Calvi zeigen sehr gute Gesangesleistungen.

Immer eine Bank die Tenöre aus dem Opernstudio und dem Ensemble: Dean Power als schmieriger Pietro und Galeano Salas als verliebter Jüngling. Ihnen zur Seite stehen Heike Grötzinger als elegante Martuccia und Selene Zanetti als Mädchen.

Erwähnen möchte ich auch eine stumme Rolle: Die BurlesqueperformerinKitty Kokett wird im Besetzungszettel nur ganz am Ende unter „Opernballett“ erwähnt. Das wird ihrem Auftritt nicht gerecht.Vor dem dritten Akt spricht John Daszak mit rauchiger Stimme Schrekers Textcollage „Mein Charakterbild“. Die füllige Künstlerin übersetzt diesenironisch-sarkastischen Monolog in eine Art komisch-erotische Tanzpantomime.


Kitty Kokett und John Daszak bei der Rezitation der Textcollage „MeinCharakterbild“
© Wilfried Hösl

Unter der musikalischen Leitung von Markus Stenz– dies die zweite Änderung zur Premierenserie – entwickelt sich von Anfang an ein rauschhafter Sog.Stenz leitet das hervorragend aufspielende Bayerische Staatsorchester mit bewundernswerter Sicherheit durch Schrekers Klangmassen, die Musik wirkt noch dramatischer und expressiver als unter Ingo Metzmacher letztes Jahr.

Es gibt noch viel zu entdecken in dieser Oper und viel zu entschlüsseln in dieser Inszenierung. Ich hoffe auf viele Wiederaufnahmen.

Susanne Kittel-May

 

 

 

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