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MONTPELLIER/ Opéra Berlioz : GENEVIÈVE DE BRABANT von Jacques Offenbach

21.03.2016 | Operette/Musical

MONTPELLIER/ Opéra Berlioz : GENEVIÈVE DE BRABANT von Jacques Offenbach am 20.3.2016

 In Orphée und La Belle Hélène hatte sich Offenbach über antike Stoffe lustig gemacht, in „Geneviève de Brabant“ wendet er seine parodistische Methode auf ein mittelalterliches Sujet an. Die Legende von der Heiligen Genoveva ist ein ziemlich rührseliges Schauermärchen über Kreuzzüge, ungerechtfertigte Anschuldigungen, scheinbar vollstreckte Todesurteile, langjähriges Exil im Walde, wundersame Errettung und Vierteilungen.

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Copyright: Opèra de Montpellier

Die Grundzüge der Handlung wurden beibehalten, dem Pathos und der Ernsthaftigkeit jedoch gründlich abgeschworen: der erste Akt dreht sich fast ausschließlich um die Impotenz von Sifroy, Herzog von Curaçao(sic!), dann bricht man auf Befehl des schon längst verstorbenen Karl Martells zwar zu einem Kreuzzug auf, aber mit dem Zug der Nördlichen Eisenbahnen um 8h05. Aufgrund von Regen kommt man ohnehin nur bis Nanterre und beschließt dann, die Sarazenen in Ruhe zu lassen und lieber in St.Tropez Parties zu feiern. Es gibt ein Niesduett, das sich in einen riesigen Nieschor auswächst, eine Ode an den Tee (und wie gut er nach einer Pâté sei), ein Couplet der Henne, ein Duo zweier korrupter Gendarmen(das witzigerweise später zur Hymne der amerikanischen Marines geworden – und bis heute geblieben ist), einen falschen Eremiten und am Ende ein aus den Galeries Lafayette (mit Rückgabegarantie) ausgeliehenes Kind, mit dem die Probleme der Impotenz – und somit der Thronfolge – ein für alle Mal gelöst sind. Überaus geistreich und lustig.

Die Musik ist wie immer bei Offenbach von äusserster Kultiviertheit und Raffinatesse, scheinbar anstrengungslos zwischen ironischen und lyrischen Passagen hin und her wechselnd.

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Copyright: Opèra de Montpellier

In Montpellier stand ein vielleicht nicht überragendes, aber durchgehend solides und sehr spielfreudiges Ensemble auf der Bühne der Opéra Berlioz: Avi Klemberg (der impotente Sifroy), Jodie Devos (die unbefriedigte Geneviève), Jean-Marc Bihour (der intrigante Golo), Valentine Lemercier (der verliebte Küchenjunge Drogan), Sophie Angeboult (die treue Vertraute Brigitte) u.v.a.mehr…

Das Ganze unter der offenbachkundigen Leitung des elsässischen Dirigenten Claude Schnitzler (keine Verwandtschaft zu Arthur!).

Nicht ganz glücklich wurde man hingegen mit der Regie von Carlos Wagner, von dem man doch sowohl in Wien (an der Neuen Oper) als auch zB. in Antwerpen sehr gute bis herausragende Arbeiten gesehen hatte.

Hier verlegt er das Geschehen in eine Art Blaue Lagune – Einfamiliensiedlung, also sozusagen ins Vorstadtweibermilieu. Und das ist ein Fehler. Denn nicht nur ist die Inszenierung aufgrund ihrer extremen Trashhaftigkeit, was Bühnenbild und Kostüme betrifft, kaum anzuschauen. Viel schlimmer ist, dass aufgrund der mangelnden Fallhöhe Offenbachs Witz in Text und Musik (immer fein und nie grob) gar nicht mehr funktionieren will. Denn wenn alle Figuren von vornherein hässlich und vulgär sind, wie kann man – und wozu soll man – sich dann über sie überhaupt noch lustig machen? Schade um eine verpasste Chance.

Aber immerhin bleibt das Verdienst der Intendantin der Oper von Montpellier, Valérie Chevalier, dieses schon ewig nicht mehr gespielte Werk wieder auf die Bühne zurückgeholt zu haben und die längst fällige Offenbach-Renaissance(wie zuletzt auch die Opéra de Lyon mit „Le Roi Carotte) erneut ein Stück vorwärtsgetrieben zu haben. Weiter so !

 Robert Quitta, Montpellier

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Copyright: Opèra de Montpellier

 

 

 

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