Mecklenburg-Vorpommern: Romantische und andere Klänge, 09.09.2014
von Ursula Wiegand
Zuerst die Romantik! Denn die wird dieses Jahr in Mecklenburg-Vorpommern von allen Seiten beleuchtet und dargeboten. Bekanntlich war die Romantik ein komplexes Geschehen. , Beginnend im 18. bis zum Ende des 19. Jahrhundert prägte sie europaweit Musik, Malerei und Literatur. Ein Anlass für die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern unter ihrem Intendanten Markus Fein das Thema mit einem neuen Format, dem viertägigen „Pavillon Romantik“, nicht nur musikalisch zu gestalten.
Markus Fein, Intendant der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Ursula Wiegand
Nach Schwerin, Jasnitz, Heiligendamm und dem Jagdschloss Kotelow erreichten die Veranstaltungen am 5. September – dem 240. Geburtstag des Malers Caspar David Friedrich – in seiner Geburtsstadt Greifswald mit einer langen Nacht der Romantik ihren ersten dortigen Höhepunkt. Nach einer ausführlichen Experten-Talkrunde wehten dank Robert Schumann unter dem Motto „Unendliche Melodie“ tatsächlich romantische Klänge durch das Pommersche Landesmuseum.
Nikolay Borchev singt Schumanns Mondnacht. Foto: Ursula Wiegand
Ausdrucksvoll, auch in Mimik und Gestik, gestaltete der Bariton Nikolay Borchev, begleitet vom Pianisten Boris Kusnezow, acht Stücke aus Schumanns Liederkreis op. 39 mit Texten Joseph von Eichendorffs. Die „Mondnacht“ durfte dabei natürlich nicht fehlen. Herzlicher Applaus belohnte die beiden.
german hornsound, Sebastian Schorr, Stephan Schottstädt, Timo Steininger, Christoph Eß . Foto: Ursula Wiegand
Im Gegensatz dazu flogen bei den vier Bläsern von „german hornsound“ – Sebastian Schorr, Stephan Schottstädt, Timo Steininger und Christoph Eß – im engen Saal beinahe die Wände weg, so volltönend erklang die „WaldesLust“ mit Stücken von Mendelssohn, Bruckner, Verdi und Homilius.
Bilder und Musik kombinierte die Rubrik „Dämm’rung“. Mit sanft getupften, teils sphärischen Passagen begleiteten Georg Breinschmid (Kontrabass) und Philipp Alexander Marguerre (Verrophon/Glasharmonika) die von Carsten Hinrichs getroffenen Bildauswahl, die meisten von Caspar David Friedrich. Als Kontrast u.a. ein Werk des abstrakten US-Malers Mark Rothko. Ein interessanter Programmpunkt.
Greifswald, Dom St. Nikolai, innen. Foto: Ursula Wiegand
Ein Orchesterkonzert zu nächtlicher Stunde im Dom St. Nikolai bildete den Abschluss dieses Tages. Dort fand – mit Stücken von Milhaud, Poulenc und Richard Strauss – auch Moderneres seinen Platz.
Klosterruine Eldena, Andrang zum Konzert. Foto: Ursula Wiegand
Am 6. September, einem Sonntag, kamen Romantiksüchtige beim „Open Air in der Ruine Eldena“ erst recht auf ihre Kosten, ist doch eine adäquatere Spielstätte als diese, von Caspar David Friedrich oft gemalte Klosterruine kaum denkbar. Von sonnendurchglühten Backsteinmauern umrahmt waren alle – die Musiker und das Publikum – zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Klosterruine Eldena, german hornsound und amacord. Foto: Ursula Wiegand
Auch die gute Akustik überraschte und kam german hornsound, dem Vokalensemble amacord und dem Männerchor des Ensembles greifvocal unter Leitung von Jochen A. Modeß sehr zugute. Mal alleine, mal gemeinsam ließen die Formationen Romantik in allen Facetten hören, von Schuberts sanftem „Mondenschein“, bis zu teils deftigen Trinkliedern, u.a. von Mendelssohn Bartholdy.
Klosterruine Eldena, amacord mit Romantik-Sound. Foto; Ursula Wiegand
Aus Mendelssohns „Türkischem Schenkenlied“ machten amacord ein wahres Kabinettstückchen, das die Zuhörer vor Amüsement glucksen ließ. Und was wäre dort, mitten im Wald, geeigneter als der „Jägerchor“ aus Webers „Freischütz“? Höchst munter präsentierten ihn alle gemeinsam als hochromantischen Abschluss. – Den Ausklang des „Pavillon Romantik“ am Abend im Dom mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski und der Solistin Sabine Meyer, Klarinette, habe ich nicht mehr hören können.
Doch das ist beileibe nicht alles. Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern sorgen dafür, dass in Schlössern, Kirchen Kunstscheunen und Pferdeställen fast ganzjährig Musik in der Luft liegt.
Schloss Ulrichshusen. Foto: Ursula Wiegand
Schon vom 12.-14. September wird im zentralen Festspielort Schloss Ulrichshusen der „Pavillon Wiener Klassik“ geboten, erneut eine Kombination aus Wort und Ton, letzteres mit Werken von Beethoven, Schubert und Schostakowitsch. Weltbekannte Solisten, wie Julia Fischer und Igor Levit, gestalten diese Preisträgerkonzerte.
Ab 17. September stellt sich die „Junge Elite“ an diversen Spielorten vor. zum Abschlusskonzert gastiert die NDR Radiophilharmonie in der Konzertkirche von Neubrandenburg, und am 29. November beginnen in Ulrichshusen die Advents- und Neujahrskonzerte. (www.festspiele-mv.de und www.ulrichshusen.de)
Usedom, Heringsdorf, Seebrücken-Pavillon. Foto: Ursula Wiegand
Auch auf der Insel Usedom – mit ihren Seebrücken und der historischen Bäderarchitektur – muss musikalisch niemand darben, steht doch das 21. Usedomer Musikfestival vom 20.09. bis zum 11.10. 2014 mit rund 40 Konzerten in Kirchen, Schlössern und Hotelsälen vor der Tür. Partnerland ist Polen und das Thema: „Polens Musikerbe vor, nach und mit Chopin“.
Kristjan Järvi, Foto Peter Adamik
Den Auftakt macht Kristjan Järvi mit seinem 2008 gegründeten Baltic Sea Youth Philharmonic. An einem denkwürdigen Ort. Es ist die Turbinenhalle des Kraftwerks der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, wo einst die V2 entwickelt wurde. Solist ist der Nachwuchsstar Jan Lisiecki, Piano.
Ingolf Wunder, der erste deutsche Chopin-Preisträger, musiziert dort zusammen mit dem NDR Sinfonieorchester unter Michal Nesterowicz. Auch das Abschlusskonzert der Sinfonia Varsovia unter Polens „Musikpapst“ Krzysztof Pendererecki wird in dieser Halle erklingen. (Details unter www.usedomer-musikfestivel.de)
Jason Denner in der St. Johannes Kirche in Liepe
Einen Vorgeschmack hat uns im wieder hergerichteten Schloss Stolpe bereits der Klarinettist Jason Denner geboten, u.a. mit einer für sein Instrument arrangierten Chopin-Etüde. Noch einmal erleben wir ihn im ältesten Gotteshaus auf Usedom, der St. Johannes Kirche in Liepe, gegründet 1216. Vor dem schlichten Altar und spätmittelalterlichen Wandmalereien spielt er Bach und Strawinsky.
Last not least sei noch der „Schlösserherbst“ in der Mecklenburgischen Schweiz erwähnt. Mehr als 20 Schlösser sowie Guts- und Herrenhäuser locken vom 20. September bis 16. November Kultur- und Genussmenschen in diese naturschöne Gegend, „Indian Summer“- Laubfärbung vermutlich inbegriffen. (Siehe unter www.auf-nach-mv.de/schloesserherbst