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MANNHEIM / Rosengarten: „TSCHAIKOWSKY-GALA“

Mannheim / Rosengarten: „TSCHAIKOWSKY-GALA“ 16.11.2016

Russische Interpreten versprachen authentische Konzertwonnen bei Pro Arte mit Werken ausschließlich von Peter I. Tschaikowsky. Eingeladen war die Russische National Philharmonie unter der Stabführung von Vladimir Spivakov und die Gäste überflügelten ihr Versprechen in überreichem Maße.

Als Solist der 28-Jährige in Ulan-Ude/Sibirien geborene Dmitry Masleev ein Fixstern am  Pianisten-Firmament spielte das „Erste Klavierkonzert“ und verlieh diesem Ohrwurm besonders markante Züge. Nach den einleitenden Hornrufen des Orchesters, riss der temperamentvolle Pianist in einem Hagel von Akkorden das Spiel vielversprechend an sich und ließ bereits die musikalische Sternstunde erahnen.

Leicht schier impressionistisch nahm Masleev die Annäherung im Allegro con spirito um sich allmählich in den erregenden Anklängen des Hauptthemas zu offenbaren. In bezwingend technischer Brillanz durchleuchtete der junge Interpret die Solokadenzen, legte sein pianistisches Können in bewundernswerter Vielfalt dar – schmückte das Andante semplice mit glitzernden Arabesken. In handwerklicher Perfektion,  versehen mit atemberaubend glanzvollen Finessen, trefflichen Klang-Balancen krönte der Tastenartist das finale Allegro con fuoco.  Jeglichen Zweifels erhaben schien mir der jungenhafte Künstler mit der Ausstrahlung eines Teenies die Partitur zu entromantisieren um der Technik mehr beizumessen. Begleitend in orchestraler Dominanz ließ Spivakov die hervorragend  musizierende National Philharmonie in bezwingender Klangreinheit schwelgen, formierte das Instrumentarium zu imposanten Steigerungen deren Timing bestach. Dennoch konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren bei aller Rasanz und  Perfektion war dieser Darbietung die Emotion die „russische Seele“ abhanden gekommen.

Große Begeisterung belohnte die ungewöhnliche Interpretation  und Dmitry Masleev bedankte sich für die Ovationen mit „Scene Dansate“  (Tschaikowsky) in unvergleichlich  atemberaubender Tastenartistik dargeboten.

Nach der Pause erklang die „Vierte Symphonie“ des russischen Meister-Komponisten. Das einleitende Andante sostenuto enthält den Keim der ganzen Symphonie, ohne Frage ihren Hauptgedanken. Dies ist das Fatum, jene Schicksalsgewalt die unser Streben nach Glückseligkeit hindert, die über unserem Haupte schwebt wie ein Damokles-Schwert und beständig unentwegt die Seele vergiftet.

In präziser Artikulation formt GMD Vladimir Spivakov mit Hilfe seiner exzellenten Blechfraktionen die wuchtigen Fanfaren. Brennend graben sich Hoffnungslosigkeit ein, die orchestralen Eruptionen unterstreichen die ungezügelten Gewalten. Manche Sequenz erschien laut fast überproportioniert und dennoch nahm man diese wuchtigen Klangmassen als präzise gesteuerte Akkuratessen wahr.

Emotionell voll Wehmut erklang das Andantino di Canzona in seiner süßherben Formation. In Harmonie vereinten sich die Streicher,  die Holzbläser, das gesamte Instrumentarium zum wohlgefälligen Musizieren.  Ein Schwall von Erinnerungen bricht herein, die Melodien drücken eine Phase der Sehnsucht aus.

Launige Arabesken, unfassbare Figuren kennzeichnen das Scherzo Pizzicato ostinato welches ich derartig rasanten Zupftempi der Streicher bisher noch nie hörte, unterbrochen vom kecken Ruf der Flöten. Flüchtige Visionen durchziehen unsere Phantasie, die Seele befindet sich im Schwebezustand. Aus der Ferne bewegt sich eine Militärparade in unzusammenhängenden Bildern, sie haben nichts mit der Wirklichkeit gemein, sie sind seltsam fremdartig beziehungslos.

In kontrollierten Tempi ließ Spivakov nochmals seine grandios disponierte Philharmonie aufspielen, klar prägnant formierte sich wiederum im finalen Allegro con fuoco die gesamten Blechkontexturen  mit dem Gesamtapparat und verliehen dem unermüdlichen Fatum die bemerkenswerte Tiefenschärfe zum spannungsreichen Ausklang des Werkes.

Die Bravostürme, den prasselnden Applaus quittierten die Gefeierten mit drei Zugaben in schneller Folge: herrlich schwelgerisch ausmusiziert und ohne Sentiment den „Blumenwalzer“ sowie in atemberaubenden Tempi „Trepak“  zwei Szenen der Nußknacker-Suite. Mit dem schwungvollen „Marsch“ aus „Liebe zu den 3 Orangen“ (Prokofiev) verabschiedeten sich die Musiker endgültig.

Gerhard Hoffmann