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MANNHEIM/Rosengarten: „KRISTINE OPOLAIS – GEWANDHAUSORCHESTER LEIPZIG-ANDRIS NELSONS“

20.10.2018 | Konzert/Liederabende

Mannheim / Rosengarten: „KRISTINE OPOLAIS-

GEWANDHAUSORCHESTER LEIPZIG-ANDRIS NELSONS“ – 18.10.2018

Während seiner Europa-Tournee gastierte nach 15 Jahren Abstinenz das Gewandhausorchester Leipzig unter der Stabführung seines neuen Chefdirigenten Andris Nelsons im Mozartsaal des Rosengartens.

Als Auftakt erklang „Mara“ des lettischen Komponisten Andris Dzenitis einem Auftragswerk des Gewandhausorchesters und dem Boston Symphony Orchestra, welches 2014 in Leipzig uraufgeführt wurde. Die Komposition ein mystisches Werk von raffinierter Orchestrierung, vortrefflicher Rhythmik und farbenprächtiger Dynamik wurde vom Gewandhausorchester unter Andris Nelsons exemplarisch dargeboten.

Die Solistin des Abends Kristine Opolais sang zwei Arien von Peter Tschaikowski und zwar zunächst Lisas Arioso aus „Pique Dame“ sowie die Briefszene der Tatjana aus „Eugen Onegin“ teils lyrisch jedoch auch mit scharfkantigen Obertönen versehen zu höchst theatralischer Gestik. Traumhaft, sensibel, eindrucksvoll orchestral untermalt. Dazwischen erklang in brillanter Formation die Polonaise aus „Eugen Onegin“.

Nach der Pause prallten gleich zwei Titanen aufeinander: Andris Nelsons interpretierte die „Erste – Der Titan“ von Gustav Mahler. Die genuine Konstellation versprach nicht nur Mahler-Wonnen pur, nein übertraf jegliche Erwartungen bei weitem. Der Komponist, von tausend inneren Feuern glühend, nervös-empfindsam bis zum äußersten, besessen von einer als notwendig erkannten Aufgabe, hatte etwas von einem Reformator an sich.

Nelsons und sein Gewandhaus Orchester offerierten eine sehr starke Affinität zu Mahlers Klangwelt: Wunderbar erklang das langsame Erwachen der reglosen Natur im ersten Satz, mit viel Gespür zum kreatürlichen Charakter dieser Musik. Dabei verstand es Nelsons die spezifische Mahler´sche Polyfonie der Klangschichten auf ganz besondere Weise klug zu strukturieren. Im sonnenglänzenden Firn tönten unvergleichlich die weichen, schlanken Holzbläser mit silbern intonierenden Flöten, einer durchflutenden Transparenz wurde man gewahr, berauschte die Sinne.

Sehr gelockert, teilweise vergnüglich derb kam die Tanzszene mit dem Ländler im zweiten Satz daher zum romantischen Wohlklang der Hörner, im weiteren Verlauf brachten die präzisen Trompeten jugendliche Strahlkraft ohne jegliche Protzerei ins akustische Spielfeld.

Der feierlich-gemessene dritte Satz deklariert als illustre romantische Wald-Episode, wirkte weniger feierlich, eher humorvoll leicht parodiert in lebensnaher Instrumentation. Das herrliche Kontrabass-Solo klang wie aus einer andern, aus einer kindlichen Welt herüber.

Prächtig die Artikulationen wo Oboen in Terzen mit Trompeten in Sexten wetteifern, schier schlicht und einfach, gleich einer Volksweise. Einleitung und Hauptthemen kehrten wieder und leise verhallte das Ganze.

Zum stürmisch bewegten vierten Titanen-Satz zwischen größter Wildheit und dreifachem Piano realisierte Andris Nelsons mit dem in allen Instrumental-Gruppen hervorragend aufspielenden Klangkörper die hohe Kunst des Musizierens. In phänomenaler Hingabe folgten die Musiker den detaillierten Eingebungen ihres prägnanten Dirigenten, dass es einem den Atem verschlug zur elitären Dynamik der überwältigenden geschlossenen Ensembleleistung. Man erlag dem Zauber des Augenblicks, der Brillanz des Klangbildes, weil hier von Anfang an der Nerv der Musik getroffen wurde, Naturlaute und Wunderhorn-Töne in schönster Vollendung dargeboten.

Bravos und tosender, langanhaltender Applaus des begeisterten Publikums brandeten Nelsons und den Gästen aus Leipzig entgegen.

Gerhard Hoffmann

 

 

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