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MANNHEIM/ Nationaltheater: TANNHÄUSER-Wiederaufnahme

Tannhäuser ? Nein: Elisabeth und Wolfram!

22.04.2018 | Allgemein, Oper


Astrid Kessler (Elisabeth), Frank van Aken (Tannhäuser). Copyright: Hans-Jörg Michel

Mannheim: „TANNHÄUSER“ – Wiederaufnahme am  21.04.2018

Tannhäuser ? Nein: Elisabeth und Wolfram!

Vierzehn Jahre gingen ins Land seit der letzten Aufführung, dass Chris Alexanders vortreffliche Inszenierung des „Tannhäuser“ (Richard Wagner) am Nationaltheater in der Versenkung weilte und nun ihre WA erlebte. Hatte die Produktion am 16. Juni 1996 ihre legendäre Premiere unter Jun Märkl sang der unvergessliche Wolfgang Fassler welcher ein Jahr später tödlich verunglückte und auf tragische Weise eine hoffnungsvolle Karriere so abrupt beendete.

Zur individuellen Personenregie Alexanders mit herrlich personifizierten Szenen u.a. ganz besonders zum Einzug der Gäste als amüsant-skurriler Aufmarsch der Eitelkeiten, zu sehenswerten Haute Couture Créations (Susanne Hubrich), inmitten der räumlich-klaren, ästhetischen Bühnenkonstruktionen (Maren Christensen).

GMD Alexander Soddy setzte mehr auf eskalierend voluminöse Klangdimensionen, inspirierte das NT Orchester zu transparent seidenweichem Streicherklang, formierte die bestens disponierten Blechbläser im Gesamtklang zu imposanter Instrumentalformation. Zuweilen beeinträchtigten unüberhörbare Koordinierungen zur Bühne sowie bereits zuvor im Parsifal die knallig-vordergründigen Effekte den absoluten Hörgenuss.

Sichtlich wohl fühlte sich die Sängerriege in derart expressivem Orchesterklang und allen voran brillierte Astrid Kessler mit ihrer mädchenhaft, lyrischen, berührenden Interpretation der Elisabeth. Prächtig aufschwingend in glühender Liebe, entrückt verhalten im Gebet, leuchtend dominierend vereinte die jugendlich-dramatische Sopranistin alle Facetten in leuchtenden und gleichwohl innigen Tönen zum traumhaft vielbejubelten Rollendebüt.

Mit welcher Noblesse präsentierte Nikola Diskic den Wolfram, wann zuvor durfte man eine so wohltimbrierte kultivierte Baritonstimme erleben? In herrlichem Legato floss das edel getönte Material dahin, erblühte in vokaler Schönheit, in fein ziselierten Phrasierungen erklang Das Lied an den Abendstern, dass es selbst Hartgesottenen die Tränen in die Augen trieb. Zum unvergleichlichen Rollenportrait der Sonderklasse sang sich Diskic in die Herzen der Zuhörer und wurde dafür verdient mit Ovationen bedacht.

In wohldosiertem Volumen, warmflutender Mezzoerotik und attraktiver Optik überzeugte Heike Wessels als Liebesgöttin. Geschickt verstand es die Sängerin ihr expansives Volumen zu zügeln und ihrem Timbre den sinnlichen Touch zu schenken.

Meine erste Tannhäuser-Begegnung mit Frank van Aken hatte ich vor zehn Jahren im Festspielhaus Baden-Baden und erlebte damals einen hell strahlenden jungen Helden. Inzwischen entwickelte sich das Potenzial des heute 48-Jährigen im natürlichen Reifeprozess zum Heldischen, hinterließ aber dennoch kontroverse Eindrücke. Zu viel, zu viel – Tage, Monde sind Tannhäusers schier verzweifelte Worte bei Venus, die physischen Exzesse (?) mit der Dame hinterließen hörbar vokale Spuren. Bei der keuschen Elisabeth Zum Sängerkrieg auf Wartburg schien sich die Bereiche seines Tenors etwas zu stabilisieren, jedoch die lange Pilgereise nach Rom forderte wiederum ihren Tribut, trotz vokaler Ermüdungen konnte van Aken mit einer ansprechenden Romerzählung punkten.

Fehlte zwar Patrick Zielke noch die nachtschwarze Färbung, die voluminöse Durchschlagskraft, doch offerierte der junge Bass beste Vokalkultur zu schönem Timbre und gab so dem Landgrafen Hermann profunde Autorität.

Wunderschön mit hellstrahlendem Sopran sang sehr nachhaltig Amelia Scicolone den Hirten. Tenorale Lyrik schenkte Andreas Hermann dem Walther, in sonor-markanter Tonqualität verstand es Biterolf (Joachim Goltz) zu schlichten, souverän ergänzten Philipp Alexander Mehr (Reinmar), Raphael Wittmer (Heinrich) den Kreis der Mitstreiter im Sängerkrieg.

In formativen Abstufungen von gewaltigem Fortissimo zu schier gehauchten Pianissimo glänzten Chor und Extrachor des NTM (Dani Juris) in vokaler Präsentation.

Ovationen für Kessler, Diskic sowie tosender Applaus und Bravos für van Aken und Soddy. Auf weitere Aufführungen der hören- und sehenswerten Produktion darf man sich freuen.

 

Gerhard Hoffmann

 

 

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