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MANNHEIM/ Nationaltheater: HIPPOLYTE ET ARICIE von Jean-Philippe Rameau. Stream

12.05.2021 | Oper international

Stream: „Hippolyte et Aricie“ von Jean-Philippe Rameau am 12. 5.2021 im Nationaltheater/MANNHEIM „

Zuletzt grüßt die Revolution

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Foto: Stream

Hippolyte et Aricie“ ist Rameaus erste Oper, die er aber erstaunlicherweise erst im Jahre 1733 im Alter von 50 Jahren schrieb. Sie ist ein reifes Werk, das er nur mit Hilfe eines Mäzens veröffentlichen konnte. Sie löste allerdings Meinungsverschiedenheiten aus. Rameau wurde aber von Ludwig XV. zum Compositeur de chambre ernannt.

Die Inszenierung von Lorenzo Fioroni (Bühne: Paul Zoller, Loriana Casagrande; Kostüme: Katharina Gault) lässt deutlich Bezüge zur damaligen Zeit erkennen – doch zwischen den Rokoko-Fassaden blitzt immer wieder die Gegenwart auf. Plötzlich betreten auch Demonstranten die Bühne, die auf die kommende Revolution schon hinweisen. Man liest sogar den „Figaro“. So sieht man zwischen goldenen  Kutschen und einem sich wie ein Mensch bewegenden Pferd auch ein Auto hereinfahren. Phedre liebt hier ihren Stiefsohn Hippolyte, dieser aber liebt Aricie. Und Hippolyte ist kein anderer als der Sohn von Phedres Mann Thesee. Thesees Gang zu seinem Freund Peirithous in die Unterwelt verläuft hier in eindrucksvollen filmischen Sequenzen (Video: Christian Weissenberger). Dieser wird dort festgehalten, weil er versuchte, die Frau des Hades zu entführen. Phedre verbannt Aricie daraufhin in den Tempel der keuschen Diana-Priesterinnen.  Sie gesteht Hippolyte ihre Liebe, doch Hippolyte weist sie zurück. Der eifersüchtige Thesee bittet nun den Meeresgott Neptun, Hippolyte zu vernichten. Verzweifelt gesteht Phedre ihrem Mann alles, bevor sie sich selbst richtet.


Sophie Rennert (Phèdre). Copyright: Christian Kleiner

Dieses Geschehen wird in der Inszenierung als facettenreiches Seelenpanorama dargestellt. Hippolyte sinkt wie tot nieder, wird aber von der Jagdgöttin Diana schließlich gerettet und erhält schließlich seine geliebte Aricie. Thesee wird seinen Sohn nie wiedersehen. Zuvor haben noch Feuerflammen und ein Blitzlichtgewitter die Unterwelt charakterisiert. Diana lässt rettenden Goldstaub auf den vermeintlich toten Hippolyte regnen. Man sieht sogar Flugzeuge vorüberfliegen. Zuletzt gibt es einen bestürzenden Ausblick: Eine Hinrichtung mit der Guillotine verweist auf die kommenden Schrecken der Französischen Revolution. Es ist gerade die überwältigende Vielgestaltigkeit der Bilder, die bei dieser Inszenierung in besonderer Weise überzeugt und  fesselt.


Marie-Belle Sandis (Oenone), im Hintergrund: Patrick Zielke (Jupiter/Pluton). Copyright: Christian Kleiner

Unter der Leitung des umsichtigen Dirigenten Bernhard Forck musiziert das Orchester des Nationaltheaters Mannheim durchaus mit Grazie und Esprit, die den pomphaften Glanz der Arien nicht verleugnen. Gleichzeitig lässt der betont heroische Stil Assoziationen zu Gluck erkennen. Die kernige Kraft der melodischen Erfindung strahlt bei dieser Aufführung vor allem bei den Gesangspartien auf. Hier ragen Charles Sy als Hippolyte (Tenor), Amelia Scicolore (Sopran) als Aricie, Nikola Diskic (Bariton) als Thesee, Sophie Rennert (Mezzosopran)  als Phedre und Estelle Kruger (Sopran) als Diane leuchtkräftig hervor. In weiteren Rollen überzeugen Marie-Belle Sandis als Oenone/Amour,  Uwe Eikötter als Tisiphone, Patrick Zielke als Jupiter/Pluton sowie Christopher Diffey (erster Parze), Raphael Wittmer (zweiter Parze) und Marcel Brunner (dritter Parze). Der Opernchor des Nationaltheaters Mannheim unterstreicht kraftvoll Rameaus Liebe zu großen Chorszenen. Seine Neigung zur französischen Form sticht deutlich hervor. Die ungewöhnlich virtuose Kantabilität der Arien zwischen Arabesken und Kaskaden unterstreicht gleichzeitig die Klarheit der Harmonie und die Prägnanz der Form. Reizvolle kontrapunktische Verzierungen prägen außerdem die Tanznummern, die mit rasanter Geschmeidigkeit und Feuer dargeboten werden. Ornamentale Belebung und graziöse Leichtigkeit des Klangbilds wechseln sich immer wieder ab. Vor allem kommt der poetische Gehalt dieser Musik deutlich zum Vorschein. Gelegentlich unterstreicht das musikalische Geschehen aber auch die Ironie der Inszenierung, die das prunkvolle höfische Gepräge einer Madame Pompadour aufs Korn nimmt. Die Zeit des Sonnenkönigs wird hier immer wieder mit intensiven punktierten Rhythmen beschworen. 

Alexander Walther

 

ZUM STREAM 2 Stunden/ 16 Minuten

 

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