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MANNHEIM/Nationaltheater: CAVALLERIA RUSTICANA/ I PAGLIACCI

24.03.2018 | Oper

Mannheim / NTM: „CAVALLERIA RUSTICANA- I PAGLIACCI“

Besuchte Vorstellung am 23.03. 2018

Im Dschungel des modernen Regie-Theaters so ab und an einer ästhetischen, doch keineswegs verstaubten Inszenierung vergangener Jahrzehnte wieder zu begegnen, betrachten viele Besucher als wahres Labsal. So nun auch zur zweiten Vorstellung der beiden unverwüstlichen Einakter „Cavalleria Rusticana“ (Pietro Mascagni) und „I Pagliacci“ (Ruggero Leoncavallo) der Inszenierung von Roland Veite aus dem Jahre 1984.

Der Regisseur verstand es damals wie heute in glaubwürdiger Erzählweise der Stories das Publikum zu fesseln. Zum Einen vermittelte er in beklemmender Weise die hierarisch-dörflich sizilianische Atmosphäre und deren Doppelmoral, Bigotterie, Intoleranz zum Anderen verlegte Veite die persönlich-dramatischen Konflikte um die Komödiantengruppe mehr in kleinstädtische denn ländliche Gefilde. Dazu schuf Wolfgang Gussmann die authentischen Bühnenbilder sowie die vortrefflichen Kostümierungen.

Interessant und besonders reizvoll zu erleben waren die vokalen Kontraste zweier georgischer Tenöre: in leidenschaftlicher Intonation, lyrischem Schmelz, prächtigem Höhenpotenzial, aber auch kraftvollen Attributen seines ansprechenden Tenors gestaltete Irakli Kakhidze den leichtsinnigen feurigen Turiddu.

Ganz andere Akzente setzte Zurab Zurabishvili als Canio dagegen und erwies sich als passionierter „italienischer“ Belcanto-Tenor von ungemein feinsinniger Ausdrucksskala bis hin zum rachedurstigen Pathos in allen (Stimmungs)Lagen. Zu dunkel-konturierten Otello-Couleurs bewahrte sich der wandlungsfähige Sänger immer noch sein schmelzreiches Timbre, sowie die klangvollen Höhen. Eine leichte Indisposition beschlich den Sänger leider zu Vesti la giubba.

Obwohl nach noch nicht überwundener Krankheit angesagt verlieh Ludmila Slepneva der Santuzza eine stark ausgeprägte Bühnenpersönlichkeit und verstand es sehr beeindruckend dem lyrischen Fundament ihres Soprans dramatische Nuancen einzuflechten, die Figur in vokaler Farbgebung emotional zu prägen und schenkte ihrer Szene Voi che sapete anrührende Intimität und beispielhafte Pianokultur.

Über das Fach der Nedda hinaus gewachsen schien Olga Mykytenko, Ihr Sopran ließ zuweilen lyrische Tongebungen vernehmen, doch schlichen sich dem zu dramatischer Größe entwickelten Stimmpotenzial, unangenehm gleißende Töne mit ein.

In dunklen Mezzotönen charakterisierte Marie-Belle Sandis angenehm Mamma Lucia und Ludovica Bello trällerte kokett die vollblütige Lola.

Zwei besonders bezwingende Rollenportraits gelangen Evez Abdulla zunächst als typischer Macho-Sizilianer Alfio, welcher in gekränkter Ehre und den Konventionen folgend konsequent bis zum Äußersten geht und verstand es vokale Urkräfte in bester Manier frei zu setzen. Viril, schönstimmig, belcantesk verströmte der Sänger kultivierte Bariton-Wonnen.

Als komödiantischer Tölpel Tonio welcher von Nedda zurück gewiesen, schlug Abdulla konträr infame Töne an als er Canio den Betrag seiner Ehefrau verrät und legte völlig neue Charakterisierungen offenbar.

Seinem kräftigen Bariton schenkte Sebastian Wartig (Silvio) feine Klangfarben, betörenden Schmelz zum Duett mit Nedda und lieferte ein kurzes eindrucksvolles Gastspiel (Semperoper). Mit hell strahlendem Tenor versah Pascal Herrington den schlichtenden Beppo sowie wunderbar schmachtend den Harlekin. Hyun-Seok Kim, Markus Graßmann (Bauern) und Sabrina Koch (Beppos Mutter) ergänzten das Ensemble.

Besonderes Lob gebührte wiederum dem in bester Vokalise präsente und von Dani Juris vortrefflich einstudierte Chor des NTM.

Kurzfristig sprang der junge Dirigent Matthew Toogood ein, leitete erstmals die beiden Opern und führte die bestens disponierten Musiker des NT-Orchesters präzise und strukturiert, beherzt temperamentvoll alle Instrumentalgruppen der beiden Partituren. Wunderbar emphatisch in melodramatischer Leidenschaft erklangen die Intermezzi.

Das Publikum war begeistert und feierte alle Mitwirkenden in stürmischer Herzlichkeit.

Gerhard Hoffmann

 

 

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